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Dr. Ralf Berker: Probleme lösen mit dem Double Diamond-Modell

Double Diamond ist ein populäres Prozessmodell aus dem Design Thinking. (Quelle: OpenClipart-Vectors / Pixabay / Gestaltung: Timo Großjohann)

Verstehen, definieren, entwickeln, lösen – der Double Diamond-Ansatz

Von Dr. Ralf Berker

Wenn aktuell von Problemen die Rede ist, fällt zwangsläufig der Begriff Corona oder Covid-19, wie unsere internationalen Kollegen es eher bezeichnen. Und interessanterweise lässt sich das Modell des Double Diamond, das aus dem Umfeld des Design Thinking stammt, auch wunderbar an diesem ganz aktuellen Beispiel erläutern.

Entwickelt wurde der Double Diamond 2005 von der British Design Council, um kreative Abläufe verschiedener Bereiche zu visualisieren. Auch wenn der Double Diamond nicht offiziell zu den „agilen Methoden“ zählt, so wird er eben im Design Thinking als einer der zwei wesentlichen Prozesse verwendet. Und bei näherer Betrachtung wird deutlich, dass er sehr wohl eine Vielzahl agiler Aspekte implementiert.

Warum lösungsorientiert?

In der heutigen Zeit ist es Hype, dass Firmen und Mitarbeiter lösungsorientiert unterwegs sind. Das klassische Systemische Coaching wird als altbacken abgestempelt und durch lösungsorientiertes Coaching ersetzt. Die solution focused therapy (lösungsfokussierte Kurztherapie), die von Steve de Shazer und Insoo Kim Berg entwickelt wurde, ist eine Weiterentwicklung der klassischen Gesprächstherapie und fokussiert auf Wünsche, Ziele und Ressourcen. Dieser Ansatz ist gut und richtig, insbesondere dann, wenn sich Menschen im „Problemraum“ festgesetzt haben. In vielen Organisationen wurde in der Vergangenheit zu viel auf Problemen herumgekaut und die Zeit mit der Suche nach Schuldigen verbracht. Das will der lösungsorientierte Ansatz verändern und richtigerweise verbessern.

Es ist die Suche nach dem Unterschied, die den Unterschied macht. Was ist in einer Situation, in der etwas gut funktioniert hat, anders gewesen, als in der Situation, in der es eher schlecht gelaufen ist? Welches ist die Vision des erstrebenswerten Zustands? Wie sieht das Idealbild aus? Welche vorhandenen Ressourcen kann ich nutzen, um diesem Idealzustand möglichst nahe zu kommen?

Alles das sind elementar wichtige Fragen, wenn ich Veränderungen und ein gestecktes Ziel erreichen will. Allerdings stellt sich an dieser Stelle auch die Frage: Was bringt mir die beste Lösung, wenn Sie nicht zu meinem Problem passt. Das erinnert ein wenig an Daniel Düsentrieb, den erstklassigen Ingenieur aus Entenhausen, der die tollsten Erfindungen macht. Aber es gibt niemanden, der diese Lösungen wirklich braucht.

Darum auch problemorientiert!

Daher ist es wichtig und richtig, sich zuerst einmal mit dem Problem oder der bestehenden Herausforderung zu beschäftigen. Natürlich ohne sich im Kreis zu drehen und aus einer Negativspirale nicht mehr heraus zu kommen. Deshalb ist es wichtig, bereits bei der Problemanalyse systematisch und konsequent vorzugehen. Und weil dieser Teil so wichtig ist, bildet er eben den ersten Teil des doppelten Diamanten und ist daher ebenso wertvoll wie der zweite, der lösungsorientierte Teil.

Wie ist der Double Diamond aufgebaut?

Beide Diamanten bestehen jeweils aus zwei Teilen bzw. Phasen, und jeder Teil hat seine eigene inhaltliche Bedeutung (siehe Bild). Zu Beginn steht die Anforderung, die Herausforderung oder einfach das genannte Problem.

Phase 1 des ersten Diamanten: Problem verstehen
Im ersten Teil geht es darum, den eigentlichen Auslöser der Diskussion oder des Projektes zu hinterfragen. Was ist ursächlich dafür verantwortlich, dass ein Mensch, ein Team oder ein Unternehmen sich mit der gestellten Aufgabe beschäftigt? Idealerweise sollte bei dieser Betrachtung der Anwender oder Kunde im Mittelpunkt stehen. Warum braucht der Mensch bei Covid-19 den Lockdown?

Phase 2 des ersten Diamanten: Definieren des Problems
Nun geht es darum, die Kernanforderung zu formulieren. D.h. nachdem wir möglichst neutral die Daten und Fakten gesammelt haben, ist es wichtig, Hypothesen zur Problembeschreibung zu finden. Es gilt zu fokussieren und auch mögliche „Themen hinter den Themen“ aufzudecken. Es muss fokussiert und eingegrenzt werden. In unserem Fall z.B.: Wie können wir die Bevölkerung vor Ansteckung schützen? Stelle ich fest, dass mir noch Informationen fehlen, so ist eine erneute Schleife zur Phase 1 sinnvoll.

Nun sollte das Problem so klar und deutlich beschrieben sein, dass sich das mit der Lösung beauftragte Team in der Lage sieht, in den zweiten Diamanten – also die Lösungsfindung – einzusteigen. Ist das nicht der Fall, erfolgt eine Feedbackschleife.

Phase 3 des zweiten Diamanten: Entwickeln von Lösungsansätzen
Wir betreten den zweiten Diamanten und gehen in die Lösungsfindung. Es werden Lösungsszenarien für das definierte Problem gesucht. Es kann zwei oder drei Lösungsansätze geben. Diese werden iterativ getestet und im Sinne eines agilen Vorgehens inkrementell an den Kunden gegeben, damit dieser testen und unmittelbares Feedback geben kann. Das waren die Diskussionen mit den Virologen und Beratern der Bundesregierung zu den unterschiedlichen Entwicklungsszenarien und Prognosen und dem Aufzeigen möglicher Gegenmaßnahmen. Gelingt mir die Eingrenzung auf wenige Lösungsszenarien nicht, sollte noch einmal hinterfragt werden, ob die Problemdefinition hinreichend scharf ist.

Phase 4 des zweiten Diamanten: Entscheidung zur finalen Lösung
Nun gilt es, aus den unterschiedlichen, idealerweise vom Endnutzer getesteten, Lösungsszenarien das nach aktueller Einschätzung erfolgversprechendste Szenario auszuwählen und umzusetzen. Bei Covid-19 die strikte Umsetzung von Ausgangsbeschränkungen, Versammlungsverboten und Abstandsregeln.

Nun sollte eine insbesondere für den Endnutzer oder Anwender akzeptable und funktionsfähige Lösung vorliegen. Wenn nicht: Feedbackschleife erneut fahren!

Fazit
Der Double Diamond eignet sich für fast jedes Szenario als bildliche Unterstützung für den optimalen Ablauf eines Lösungsfindungsprozesses. Die klare Fokussierung auf den Kundennutzen und die eingebauten Feedback-Schleifen machen das Tool zu einem praktischen und durchaus agilen Begleiter für jede Art von Projekten oder zu meisternden Herausforderungen. Er hilft mir persönlich bei der Vorbereitung meiner Strategie-Workshops und kann zukünftig genauso Ihnen als Strukturvorlage in Lösungsfragen dienen.

Siehe auch die anderen Teile dieser Serie:

Teil 1: Die Zukunft der Energiebranche bringt Veränderungen – die Menschen müssen dafür gewonnen werden

Teil 2: Die alte Höhle verlassen? Seit Urzeiten tut der Mensch sich schwer mit Wandel und Veränderung

Teil 3: Wie sieht Führung in Veränderungsprozessen aus? Auf die richtige Balance kommt es an!

Teil 4: Wie führe ich ein Unternehmen ohne Führungskräfte?

Teil 6: Wie Führungskräfte die richtige Balance im Umgang mit Expertenwissen finden

Teil 7: Leader, Manager, Experte oder Coach? Wie Führungskräfte ihre Rolle(n) im Unternehmen finden und ausüben

Dr. Ralf Berker ist Trainer, Coach, Berater und Moderator für Großveranstaltungen. Darüber hinaus organisiert und managt er Strategieworkshops seiner zum großen Teil mittelständischen Kunden. Bevor er diese Aktivitäten unter dem Label „Berker IMPULS“  vor sechs Jahren startete, war der ausgebildete Elektrotechnikingenieur als Geschäftsführer, als Bereichs- und Vertriebsleiter in der Informations- und Kommunikationstechnik sowie in der Energie- und Automatisierungstechnik tätig.

www.berker-impuls.de
info@berker-impuls.de

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