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KNE: Für eine naturverträgliche Energiewende die Dach-Photovoltaik vorantreiben

Dach-Photovoltaik
Exemplarisch: Etliche Häuser dieser Kleinstadt in Hessen sind bereits mit Dach-Photovoltaik bestückt, die Mehrzahl der Dächer noch nicht. (Bild: congerdesign / Pixabay)

Was der Gesetzgeber tun könnte, um die Dach-Photovoltaik voranzutreiben

Dach-Photovoltaik (PV) ist mit besonders wenigen Eingriffen in die Natur verbunden und reduziert den Flächenverbrauch. Doch ein Großteil des Potenzials auf Deutschlands Dächern ist nach wie vor ungenutzt. Dabei gibt es zahlreiche Vorschläge, was der Gesetzgeber tun könnte, um Hürden zu beseitigen, die Nutzung von Dach-Photovoltaik zu erleichtern und somit Naturschutz und Energiewende voranzubringen.

Das Potenzial von Dach-Photovoltaik in Deutschland ist groß. Laut einer Studie von EuPD Research sind 89 % der für Solarenergie möglichen Dachflächen von Ein- und Zweifamilienhäusern noch ungenutzt. Eine Studie des Stromversorgers EWS Schönau sieht bis 2030 ein „technisch-praktisches Potenzial von 140 Gigawatt“ einer installierten Leistung für Dachanlagen mit einer Leistung kleiner als 100 Kilowatt. Zum Vergleich: Aktuell beträgt die installierte Leistung in Deutschland 54 Gigawatt. Das Leibniz-Institut für ökologische Raumentwicklung (IÖR) und das Fraunhofer ISE beziffern das theoretische Potenzial für Photovoltaik an Fassaden auf 12.000 Quadratkilometer. Dieses Potenzial auf Dächern und an Fassaden sollte aus Naturschutzsicht möglichst schnell für die Installation von PV-Anlagen genutzt werden.

Potenzial der Dach-Photovoltaik bei weitem nicht ausgeschöpft

2020 wurde ein Gigawatt mehr PV-Anlagen (Dach- und Freiflächenanlagen) als 2019 installiert (4,9 Gigawatt gegenüber 3,9 Gigawatt). Davon machten Anlagen mit einer Leistung kleiner als 10 kW 1,1 Gigawatt aus. Für 2021 erwartet das Beratungsunternehmen EuPD Research eine geförderte installierte Leistung von sechs Gigawatt. Damit wird das Potenzial der Dach-Photovoltaik bei weitem nicht ausgeschöpft. Umweltverbände in Deutschland fordern einen jährlichen PV-Zubau von 10 Gigawatt.

Warum wird das Potenzial nicht ausgeschöpft? In einer Hemmnis-Analyse der Hochschule für Technik und Wirtschaft Berlin (HTW, Stand Januar 2020) werden 56 Hemmnisse aufgeführt, die den weiteren Ausbau der Photovoltaik behindern. Die aufgeführten Hürden betreffen unterschiedliche Rechtsbereiche vom Energie-, über das Gewerbe- bis zum Baurecht. Einige Hürden sind mit dem zum 1. Januar 2021 in Kraft getretene Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG 2021) beseitigt worden. Viele sind bestehen geblieben, und einige sind neu hinzugekommen.

So setzt zum Beispiel die EEG-Umlagepflicht auf den Eigenverbrauch für Dachanlagen statt bei 10 kW nun erst bei 30 kW installierter Leistung ein, was zu einem verstärkten Zubau führen wird. Vorher führten Fehlanreize des EEG 2017 häufig noch zu einer schlechten Dachausnutzung und Anlagen mit einer Leistung von unter 10 kW installierter Leistung.

Auf der anderen Seite werden die Vergütungen für die Dachanlagen auch 2021 aufgrund des aktuell geltenden Degressionsmechanismus weiterhin deutlich sinken (2020 insgesamt minus 21 %), was im Laufe des Jahres die Wirtschaftlichkeit in Frage stellen könnte.

Erschwernisse für große Dach-Photovoltaik-Anlagen

Für große Dach-PV-Anlagen (300-750 kW) gibt es weitere Erschwernisse. Zusätzlich zur sinkenden Vergütung müssen sich die Anlagenbetreiber zwischen zwei Vergütungsmodellen entscheiden. Entweder nehmen sie an einer Ausschreibung mit geringen Ausschreibungsmengen teil, was absehbar zu geringen Marktprämien führen wird. Oder sie verbrauchen 50 % des produzierten Stroms selbst und erhalten für die anderen 50 % keine Marktprämie. Die HTW Berlin hat errechnet, dass das zweite Modell bei geringem Eigenverbrauch die Anlagen unwirtschaftlich macht. Positiv an der kürzlich getroffenen Einigung der Großen Koalition zum EEG ist die geplante Gewerbesteuerfreiheit von Wohnungsunternehmen, wenn die Einnahmen aus erneuerbaren Energien weniger als 10 % der Mieteinnahmen ausmachen.

Was könnte getan werden? Aus Sicht des KNE sollte der Gesetzgeber im Rahmen der nächsten größeren Novelle des EEG folgende Möglichkeiten nutzen, um den Ausbau von PV-Dachanlagen zu beschleunigen:

  • Einführung einer bundesweiten Pflicht zur Installation und zum Betrieb neuer Dach-Photovoltaik bei Neubauten und Dachsanierung von Wohn- und Nicht-Wohngebäuden:
    Das Umweltbundesamt hat hierzu einen Vorschlag erarbeitet. In Kombination mit einem Verpachtungskataster kann dabei sichergestellt werden, dass Eigentümer mit unrentablen Dachflächen diese Pflicht nicht erfüllen müssen.
    Die bereits vorhandenen Solarpflichten (in Baden-Württemberg und Hamburg sowie die derzeit erarbeiteten Regelungen in Bayern, Berlin, Bremen und Schleswig-Holstein) stützen diesen Vorschlag bzw. werden durch eine bundesweite Einführung erweitert.
    Für Bestandsbauten könnte mit einer angemessenen Übergangsfrist mittelfristig eine gleichlautende Pflicht eingeführt werden.
  • Der Quartiersansatz beim Mieterstrom, nach dem nicht nur die Mieter vom Dach ihres Hauses den Strom beziehen können, sondern auch Mieter in anderen Häusern im Quartier, sollte ausformuliert werden, damit entsprechende Konzepte umgesetzt werden können.
  • Entsprechend der HTW-Hemmnisanalyse sollten die erforderlichen Änderungen im Gewerbe-, Bau- und Planungsrecht sowie in anderen Rechtsgebieten geprüft und umgesetzt werden. Ziel muss es sein, die Flächeninanspruchnahme zu minimieren.
  • Ein zusätzlicher positiver Effekt für den Naturschutz ließe sich durch die Kombination mit einer Dachbegrünung erreichen. Zum einen würde zusätzlicher Lebensraum für eine Vielzahl an Arten geschaffen. Zum anderen würde im Sommer der Wirkungsgrad der Photovoltaikanlagen steigen, da sich ein begrüntes Dach deutlich weniger aufheizt als ein unbegrüntes. Das Land Nordrhein-Westfalen hat zum Beispiel ein Solarkataster und ein Gründachkataster eingerichtet, wo Gebäudebesitzern sich über die Tauglichkeit ihrer Dächer für eine Solaranlage und eine Dachbegrünung informieren können. Die Verbraucherzentrale NRW informiert parallel über die Möglichkeiten und die konkrete Umsetzung der Dachbegrünung.

Fazit
Angesichts der anspruchsvollen Ausbauziele für erneuerbare Energien und der intensiven Flächennutzung in Deutschland sollten bestehende Hemmnisse für den weiteren Ausbau der besonders naturverträglichen Dach-Photovoltaik zügig beseitigt werden – das läge auch im Interesse des Natur- und Landschaftsschutzes.

Über das KNE
Das 2016 gegründete Kompetenzzentrum Naturschutz und Energiewende (KNE) ist eine von der Umweltstiftung Michael Otto getragene und vom Bundesumweltministerium finanzierte Einrichtung. Zweck der gemeinnützigen GmbH ist die Unterstützung einer naturverträglichen Energiewende vor Ort. Das KNE bietet Beratung und umfangreiche Fachinformationen an, es organisiert Dialog und Austausch, und vermittelt, wenn es beim Ausbau der erneuerbaren Energien zu Konflikten kommt, speziell ausgebildete Mediatorinnen und Mediatoren.
www.naturschutz-energiewende.de

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