Stadtwerke Impact Day: eine empfehlenswerte „Gehirnwäsche“
Aus Lübeck berichtet Gerhard Großjohann
So viel vorneweg: Wer es noch nicht ausprobiert hat, sollte dies 2025 unbedingt tun! Den Stadtwerke Impact Day – kurz SID – besuchen. Erleben, dass Tagung, Messe, Kongress auch ganz anders geht. SID steht für Stadtwerke Impact Day. Angesprochen waren Menschen aus Städten, Kommunen und Stadtwerken. Die Mission: Willige zu versammeln, die bereit sind voranzugehen auf dem Weg in eine klimaneutrale Welt. Mut und Begeisterung zu vermitteln, die ersten Schritte zu gehen, anzufangen, einfach zu machen. Wissen, Technik und Lösungen zum Erreichen des großen Ziels sind in allen Sektoren vorhanden. Das wurde auf dem SID 2024 in Lübeck an drei Veranstaltungstagen mit seinem inspirierenden Vortragsprogramm sehr deutlich. Aber ist der Stadtwerke Impact Day seinem Anspruch gerecht geworden? Welcher Impact geht von der Veranstaltung aus? Dazu später mehr.
Wo anfangen, um die Andersartigkeit des SID begreiflich zu machen? Da wäre zunächst die Location zu nennen, genauer: die verschiedenen Locations: Tag 1 in einer Brauereihalle, die zugleich als Event-Bühne genutzt werden kann (an sich ein Erlebnis!). Tag 2 in einem angesagten Café und Musik-Club in Lübeck (siehe Tag 1!). Tag 3 in der Medienwerkstatt der Stadtwerke Lübeck. Ungewöhnlich! Die Orte stehen per se für Vielfalt, Lebendigkeit und Inspiration. Ganz anders als Messehallen-Tristesse und Hotelsterilität.
Man kommt unmittelbar ins Gespräch
Die Location und das lockere Set-Up machen etwas mit den Menschen. Wer z.B. die Brauereihalle betrat, erlebte sofort Festival-Atmosphäre. Musik vom DJ, Menschengewusel, Stimmengewirr, Vorfreude in der Luft. Der erste Blick fällt auf eine Theke, an der die Gäste bewirtet werden. Die lockere Gangart ist vom ersten Moment an spürbar. Nach wenigen Schritten stehen Teilnehmerinnen und Teilnehmer an den Ständen der ausstellenden Sponsoren. Es ist (nicht unangenehm) eng, anregend, kommunikativ. Man kommt unmittelbar ins Gespräch. Auch weniger kontaktfreudige Menschen sind sofort aktiv mitten im Geschehen.
Bus als Bühne
Das Vortragsprogramm gliedert sich am Auftakttag in drei parallele Sessions. Auf zwei Bühnen in der Brauerei-Halle, einer draußen – in einem Bus! Alle Vorträge können direkt vor den Bühnen bzw. im Bus verfolgt werden – oder ganz konzentriert per Kopfhörer und auf Bildschirmen auf einer Empore mit Sitzgelegenheiten (Bild unten). Ein Live-Stream überträgt das Programm an den beiden ersten Tagen in die Welt.
Chance, den Blinkwinkel zu weiten
Ein Versuch, die Inhalte des SID so zusammenzufassen, dass hier ein Mehrwert für Lesende entsteht, würde scheitern. Was sich sagen lässt: Die über 30 Vorträge, Keynotes und Diskussionsrunden vermittelten ein umfassendes Bild, wie die Energiewende praktisch gelingen kann. Manche/r bekam in Lübeck eine Bühne, die/der im Programm von EVU-Mainstream-Veranstaltungen eher selten anzutreffen ist. Ungewöhnlich und besonders wertvoll auch der intensive Blick darauf, welche Bedeutung Mensch und Mentalität haben, wenn sich etwas wenden soll. Akteure, die vor Ort die Energiewende verantworten, hatten beim SID die Chance, ihren Blickwinkel zu weiten. Ein Auszug aus den Vortragstiteln:
„Wärmewende wuppen“
„Fundamental-Datenmodell der Energiewende“
„Digitale Lösungen für den Energiemarkt“
„Klimaneutrale Wärme live planen“
„Nachhaltigkeits-Dashboard für Stadtwerke“
„Milestones und Stolpersteine komplexer Innovationsprojekte“
„Dynamische Tarife als Schlüssel für zukünftige Kundenbindung“
„Die §14a-Evolution der Verteilnetze“
„Lost in motivation – Menschen mit Leidenschaft für Veränderung“
„Kapital für die Energiewende“
„Lost in transformation“
„Stadtwerke auf dem Weg zu strukturiertem Klimaschutz“
„Smart City und die fehlenden fünf Prozent“
„Neue Talente für Stadtwerke gemeinsam entwickeln“
„Schön gescheitert“
Positive Energie, die ansteckt
Höchste Zeit, auf die Macher des SID zu sprechen zu kommen. Hinter der Veranstaltung steht ein neunköpfiges >Core-Team mit Matthias Mett (makebetter GmbH) und Timo Eggers (Quantum GmbH) als Frontmänner sowie zahlreichen weiteren Unterstützerinnen und Unterstützern. Mit ihrem „Stadtwerke Impact Day – das Klima-Event für mutige Stadtwerke, Städte und Kommunen“ wollen sie „positive Geschichten des Gelingens“ erzählen und den „individuellen Mut zu im Zweifel Klima-positiven Einzelentscheidungen in allen Lebensbereichen“ stärken. „Dabei nimmt der SID eine aktivistische Yes-we-can-Haltung ein“. Die positive Energie insbesondere von Mett und Eggers ist – man kann es nicht anders sagen – ansteckend.
Begeisterung in die Breite tragen
Aber was bewirkt der SID tatsächlich? Vertreter von Stadtwerken, mit denen der Autor dieses Berichtes in Lübeck sprechen konnte, betonten ihre Empfänglichkeit für das frische Format und seine Inhalte. Sie könnten Multiplikatoren sein für mehr Bereitschaft zu schnellerer Veränderung und mehr Begeisterung an der Jahrhundertaufgabe Energiewende. Mit gut 300 Teilnehmenden war der SID gut besucht. Bahnstreik und parallele Branchenveranstaltungen kosteten sicherlich noch mehr Zuspruch. Auch den Live-Stream dürften etliche Menschen verfolgt haben. Trotzdem sollten sich noch viel mehr Verantwortliche in Stadtwerken und Kommunen einer solchen „Gehirnwäsche“ unterziehen, damit der Funke der Begeisterung auch in der Breite überspringt. Denn in der Realität kommt die Energiewende trotz den jüngsten politischen Weichenstellungen nach wie vor nur langsam voran. Mehr Aufbruchsstimmung und Anpacklust täten gut.
Ausdauer ist gefragt
Man sei in der Energiewende auf den ersten Metern eines Marathonlaufs, merkte ein Teilnehmer an. Ausdauer sei gefragt. Selbige kann man auch den SID-Machern nur wünschen. Bei aller intrinsischen Motivation und Begeisterung für das SID-Projekt – eine technisch derart aufwändige und perfekt durchchoreografierte Veranstaltung auf die Beine zu stellen, ist ein anstrengendes Ganzjahresprojekt – und kostenintensiv dazu. Glückauf, ihr SIDizens, auf ein Neues mit noch mehr Impact auf die Branche!