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Karl Dungs: „Beim Wasserstoff Gas geben, damit Deutschland international nicht ins Hintertreffen gerät“

Wasserstoff
Karl Dungs: „Wir brauchen einen detaillierten Plan für die Transformation von Erdgas zu Wasserstoff." (Bild: DUNGS Combustion Controls)

„Wasserstoff ist der Baustein der Energiewende schlechthin“

Karl Dungs ist geschäftsführender Gesellschafter von DUNGS Combustion Controls in Urbach bei Schorndorf. Das Unternehmen steht für die sichere und saubere Verbrennung von Gas. Es entwickelt und fertigt Systemlösungen für die Heizwärme- und Prozesswärme-Industrie sowie für Gasmotoren. Zudem ist Dungs Vorstand im Bundesverband der deutschen Heizungsindustrie und Präsidiumsmitglied der figawa. Insofern gibt es keinen Zweifel daran, dass ihm die strategische und operative Entwicklung des Wasserstoffmarktes eine Herzenangelegenheit ist. energie.blog sprach mit dem Energieexperten über Bedeutung, Chancen, Bedingungen und Perspektiven von Wasserstoff in der Energiewende.

e.b: Wie bewerten Sie die Rolle von Wasserstoff für das Gelingen der Energiewende?

Dungs: Wasserstoff ist der Baustein der Energiewende schlechthin! Er verbrennt CO2-frei, und man braucht ihn zur Speicherung und zum Transport des grünen Stroms. Deutschland muss jetzt aber kräftig aufs Gaspedal drücken, sonst wird es eng und andere Nationen laufen uns den Rang ab. Letztendlich befinden wir uns immer noch mit beiden Beinen im Zeitalter fossiler Energieträger. Allerdings haben wir für diese nationale Kraftanstrengung keine ganz so schlechten Grundvoraussetzungen: Wir haben ein sage und schreibe 550.000 km umfassendes Leitungsnetz, das bisher für den Transport von Erdgas genutzt wird. Und das ist laut DVGW binnen 30 Jahren so umrüstbar, dass darüber Wasserstoff verteilt werden kann. Spannend wird noch, wie wir an ausreichend grünen Wasserstoff zu welchem Preis kommen. So oder so: Wir müssen durchstarten.

„Speichern von H2 und Transport über Gasleitungen ist Teil der Lösung“

e.b: Was muss Ihrer Meinung nach also geschehen, damit wir in Deutschland einen weiteren Schritt in Richtung Energiewende machen können?

Dungs: Im ersten Step sollten wir meiner Meinung nach endlich klären, wie der Strom vom Erzeugungsstandort zum Verbraucher gelangt. Der Strom, der von den Windrädern in der Nordsee produziert wird, kann aktuell nicht über die Netze in den Süden transportiert werden. Dort sitzt aber die Industrie, die ihn dringend benötigt. Stattdessen müssen Windräder immer wieder abgeschaltet werden, damit das Stromnetz nicht aus dem Gleichgewicht gerät – Stichwort: Blackout-Gefahr. Speichern in Form von Wasserstoff nach der Elektrolyse und Transport über bestehende Erdgas-Leitungen in den Süden wäre hier ein Teil der Lösung.

„Reduzierung des CO2-Fußabdruckes der Industrie“

e.b: Was benötigt die Wirtschaft, um Wasserstoff als Energieträger zu akzeptieren?

Dungs: Da sehe ich eine ganze Reihe von Maßnahmen. Dazu zählt unter anderem ein detaillierter Transformationsplan von Erdgas zu Wasserstoff. Den benötigen wir zur Reduzierung des CO2– Fußabdruckes der Industrie. Daneben muss der Wasserstoff in die kommunale Energie- und Wärmeplanung integriert werden. Dazu ist es unabdingbar, dass die Gemeinden und die Industrie ihre konkreten H2-Bedarfe anmelden, damit eine Versorgungssicherheit garantiert ist. Dabei muss der Energieträger für alle Sektoren, sprich Wärme, Strom und Verkehr zur Verfügung stehen. Daneben fordert die Wirtschaft eine Investitions- und Kostensicherheit. Ergo: Wir brauchen eine verlässliche Zeitschiene, wann und wo Wasserstoff verfügbar sein wird sowie eine Kostendegression über Menge und Zeit. Auch sollten wir uns eine Technologieoffenheit bewahren und ein intelligentes Subventionssystem initiieren. Konkret: Nicht der eine Energieträger sollte subventioniert werden, sondern die grüne Herstellung und die Infrastruktur.

Für eminent wichtig halte ich auch den Ausbau der Netze: Gas zu H2, Strom, Fernwärme und -kälte. Von großer Bedeutung ist ebenfalls die Kombination aus dezentraler H2-Erzeugung und überregionalen Importen in großen Mengen – ca. 70 % –  sowie die Rechtssicherheit, also eine Definition des Stands der Technik für Wasserstoff-Anwendungen in Form von Normen. Zu guten Letzt erfordert die Akzeptanz des Wasserstoffs noch die Verschlankung bestehender Netzentgelt-Regelungen bei Gas und Strom zwischen lokalen H2-Produktionen über Firmengrenzen hinweg bei Quartierlösungen sowie die Klärung der Netzentgelte bei Erdgas und H2 für Fernleitungsnetzbetreiber seitens der Politik.

Breites Anwendungsspektrum

e.b: Wo sehen Sie die Einsatzszenarien für den Wasserstoff?

Dungs: Im ersten Schritt bei allen energieintensiven Unternehmen, wie der Stahl-, Chemie und Baustoff-Industrie. Die Bundesregierung spricht in ihrer Wasserstoffstrategie von dem Ziel, Wasserstoff in der Industrie, bei schweren Nutzfahrzeugen und im Luft- und Schiffsverkehr bis 2030 zunehmend einzusetzen. Auch für die sichere Stromversorgung sollen wasserstofffähige Gaskraftwerke zum Einsatz kommen, um das Stromnetz zu stabilisieren. Dass Wasserstoff im großen Stil als Treibstoff für Pkw und Lkw genutzt wird, sehe ich als weitere positive Option. Auch beim Heizen von Immobilien sehe ich Potenzial. Für viele wird zwar die Wärmepumpe das Nonplusultra sein, aber dort, wo für die Installation dieser Aggregate kein Platz ist, könnten Nahwärmenetze und die Umrüstung der Erdgasleitungen in H2-Leitungen die bessere Lösung sein.

Industrielle Wärmeplanung in Urbach – H2 im Hinterkopf

e.b: Verfolgen Sie in Ihrem Unternehmen Szenarien, in denen Sie Wasserstoff verwenden?

Dungs: Wasserstoff macht bei uns bisher nur einen sehr kleinen Teil unseres Geschäfts aus. Wir haben etwa im Foyer eine Kaffeeröstmaschine stehen, die wir mit Wasserstoff betreiben. Ansonsten stehen wir aber eher noch in den Startlöchern. Wir arbeiten aber kontinuierlich daran, den Wasserstoff weiter einzubinden. Neben den Aktivitäten in unserer Firma habe ich etwa eine Gruppe von 18 Firmen aus Urbach zusammengetrommelt, um eine industrielle Wärmeplanung zu initiieren. Die Idee ist es, im Verbund verschiedener Betriebe bis 2030 ein CO2-neutrales Industriequartier zu schaffen. Machbar ist das im Rahmen einer Kooperation benachbarter Betriebe: Wer Überschusswärme hat, stellte diese einem anderen Betrieb zur Verfügung, der diese benötigt. Dieser Betrieb kann wiederum den Stromüberschuss seiner Photovoltaikanlage dem anderen Unternehmen zur Verfügung stellen. Die zentrale Stelle zur Bündelung aller Aktivitäten ist eine Energiezentrale im Industrie-Quartier. Auch Wasserstoff soll bei diesem Austausch später eine Rolle spielen. Abseits davon betreibe ich privat für mein Einfamilienhaus in Urbach eine wasserstoffbetriebene Anlage zur Erzeugung von Strom und Wärme und als Beitrag zur Sektorenkopplung.

e.b: Gibt es daneben weitere Aktivitäten, die Sie im Rahmen der Energiewende ausüben?

Dungs: Allerdings, und zwar im Bereich der Regelsetzung. Das hat bei uns quasi Familientradition. Schon mein Vater Karl Dungs Senior war frühzeitig in der Verbands- und Normenarbeit tätig. Ich selbst bin als Vorstand im >Bundesverband der deutschen Heizungsindustrie und im Präsidium der >figawa und Sektorvorsitzender Controls für Gas & Liquid Fuels. Über die figawa verantworten wir etwa die Technische Umsetzung der Energiewende im Bereich der Heiz- und Prozesswärme und unterstützen bei der Etablierung von Wasserstoff und eFuels durch Schaffung von Normen und Prüfgrundlagen zur Zertifizierung von Komponenten im wärmetechnischen Bereich.

e.b: Herr Dungs, vielen Dank für das Gespräch!

www.dungs.com

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