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Beginnt 2018 die Disruption?

Disruption
Die Digitalisierung entfacht Kräfte der Disruption - auch in der Energiewirtschaft. (Bild: Pixabay).

Warum in der Energiewirtschaft eine neue Ära anbricht

Stehen wir in der Energiewirtschaft an der Schwelle zur Disruption? Wenn man doch in der Gegenwart wüsste, wie man in der Zukunft – mit dem nötigen Abstand – über sie urteilen wird! Woran erkennt man etwa, dass hier und jetzt eine Zeitenwende stattfindet? Aus heutiger Sicht weiß man, dass für den Energiemarkt 1998 ein solches Jahr war, weil es den Beginn der Liberalisierung markiert. Man kann 2010 und 2011 als herausragende Daten nennen, als die Bundesregierung zunächst die Energiewende ausrief und im Jahr darauf nach der Reaktorkatastrophe von Fukushima den beschleunigten Kernenergieausstieg beschloss. All dies waren zweifellos prägende Weichenstellungen. Doch wurde eine Revolution dadurch ausgelöst? Nein, allenfalls eine Evolution, denn die Veränderungen für Stadtwerke vollzogen sich allmählich. Das ihnen immer wieder prophezeite Sterben fand nicht statt. Selbst der Langsamte hatte Zeit, sich mit neuen Anforderungen zu arrangieren.

Denkbares wird machbar

Mittlerweile setzt der weiter wachsende Konkurrenz- und Kostendruck den Versorgern massiv zu. In dieser angespannten Situation kommt die angeblich alles verändernde Digitalisierung als Katalysator hinzu. Viele Marktauguren meinen, dass insbesondere kleine Stadtwerke schlecht auf die neuen Herausforderungen vorbereitet seien. Aber das hat man nach Energiemarktliberalisierung und Energiewende auch schon behauptet – trotzdem haben alle überlebt. Auch über das Thema Digitalisierung wird schon seit Längerem geredet. Die Geschichtsschreibung wird 2016 als Wendepunkt ausweisen, weil seinerzeit das Gesetz zur Digitalisierung der Energiewende erlassen wurde. Erneut ist – zumindest bislang – eher Evolution als Revolution zu beobachten. Allerdings könnte es sein, dass man später sagen wird: 2018 war das Jahr, als in der Energiewirtschaft begann, vieles plötzlich sehr schnell zu gehen. Und dass die E-world 2018 das Thermometer war, das die Überhitzung vor der Umbruch signalisierte.

Wie komme ich zu dieser Annahme? Einerseits wird 2018 der Rollout intelligenter Messsysteme beginnen (obwohl ich das erst glauben mag, wenn es tatsächlich passiert). Damit wird großflächig die technologische Grundlage geschaffen, Stromverbrauchs- und Stromerzeugungsdaten hochauflösend und ich Echtzeit transparent zu machen und auf dieser Basis neue Kundenservices zu entwickeln sowie dezentrale Energieerzeugung, Lasten und Netze besser zu steuern. Das Denkbare wird machbar – wenn auch zunächst wohl nur in Trippelschritten.

Game-Changer LoRaWAN?

Wer allerdings meint, die Digitalisierung der Energiewirtschaft steht oder fällt mit dem regulierten Rollout intelligenter Messsysteme (iMSys) und der Existenz von Smart Meter Gateways (SMGW), der irrt. Digitalisierung entwickelt an vielen Fronten Dynamik – an der einen oder anderen Stelle sogar sofort. Nicht zuletzt durch eine universal einsetzbare Internet-of-Things (IoT)-Technologie, die schon heute vielfältige Prozessoptimierungen im EVU ermöglicht und eine Unzahl innovativer Services jenseits der regulierten Stromverbrauchsmessung und der SMGW-basierten Datenkommunikation realisierbar macht. Viel einfacher, schneller und günstiger, als dies mit anderen heute verfügbaren Technologien möglich wäre. Die Rede ist von LoRaWAN – Long Range Wide Area Network. Mit dem frei verfügbaren Funkstandard lassen sich in- und außerhalb von Gebäuden batteriebetriebene Messgeräte und Sensoren via LoRaWAN-Gateway auslesen und Daten verschlüsselt übertragen – durch dickes Gemäuer ebenso problemlos wie über Distanzen von bis zu 15 Kilometern.

Warum ist LoRaWAN ein Game Changer? Weil damit Dienste wie etwa Submetering – von vielen Stadtwerken als zukünftiges Geschäftsfeld und neue Erlösquelle identifiziert – unmittelbar und auf vergleichsweise einfache Art und Weise realisierbar werden. Man wird per LoRaWAN eingesammelte Submetering-Daten nach dem iMSys-Rollout auch über das SMGW kommunizieren können und wollen, muss diesen Kanal aber keineswegs prinzipiell nutzen. Das bedeutet: Der Wettbewerb im lukrativen Submetering-Markt startet jetzt.

Der zweite Grund: LoRaWAN ist eine (wenn nicht sogar die entscheidende) Schlüsseltechnologie für das Internet der Dinge im Bereich Smart-City-Anwendungen. Für kommunale Unternehmen bietet sich vor der eigenen Haustür eine Fülle an neuen Betätigungsmöglichkeiten und Geschäftsfeldern. Auch hier gilt: Die Verfügbarkeit einsatzfähiger IoT-Technologie zwingt Stadtwerke jetzt zum Handeln, denn auch externe Akteure werden sich der neuen Waffe bemächtigen und um neue Pfründe mitspielen wollen – Internetkonzerne, Telekommunikationsunternehmen, Wohnungsbaugesellschaften oder andere Infrastrukturbetreiber- und -dienstleister etwa. Es wäre ein peinliches Versäumnis, würden sich Stadtwerke als Platzhirsche bei der Gestaltung der Smart City vor Ort in eine Nebenrolle drängen lassen.

Einschub: LoRaWAN-basierte Mehrwertdienste und Smart-City-Anwendungen sind natürlich nicht das einzige Spielfeld, auf dem Stadtwerke neue Geschäftsmodelle realisieren können und sollten. So wird es beispielsweise eminent wichtig sein, sich digital in Endkundenverbrauchs- und Prosumer-Prozesse einzuklinken und dort Wertschöpfung und Kundenbindung zu erzeugen. Unabhängig davon dürfen die grundlegendsten Hausaufgaben der Digitalisierung nicht vergessen werden: Excel-Werkzeugen Adieu zu sagen und Medienbrüche in vielen klassischen Geschäftsprozessen zu beseitigen. Hier liegen große Mengen (Über-) Lebenselixier verborgen.

Veränderungstempo wächst

Was sich in Energie- und Kommunalwirtschaft durch die fortschreitende Digitalisierung und insbesondere die Verfügbarkeit einsatzreifer IoT-Technik also wandelt, ist das Veränderungstempo. Digitalisierung – das ist aus anderen Branchen bekannt – wartet nicht auf die Langsamen. In Energie- und Kommunalwirtschaft droht nun auch Disruption – zumindest auf Spielfeldern, wo die Akteure nicht durch regulatorische Fesseln in den Gleichschritt gezwungen werden. LoRaWAN ist für Stadtwerke der Schlüssel zu EVU-affinen smarten Parallelwelten, die Freiheit und Abenteuer und gute Geschäfte verheißen. Und das Beste daran ist: Stadtwerke stehen auf der Pole-Position, weil Sie durch ihre in den Städten verteilten Infrastrukturen exzellente Startbedingungen haben, LoRaWANs flächendeckend auszurollen und für eigene und kommunale Zwecke zu nutzen. Aber sie sollten dies – wie vieles andere natürlich auch – schnell tun und die neuen Spielfelder resolut besetzen. Sonst könnte sich für jene, die Abwarten auch im IoT-Zeitalter für eine gute Strategie halten, das alte Orakel doch noch erfüllen.

 

Erschienen in BWK – das Energie-Fachmagazin (www.ebwk.de) , Heft 01-02/2018

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