Kunden sollen eine emotionale Beziehung zum Unternehmen entwickeln
Beim Customer Experience Management (CXM) steht das Kundenerlebnis im Vordergrund. Ziel ist es, Kunden langfristig zu binden und Kundenloyalität aufzubauen. Sie sollen eine emotionale Beziehung zum Unternehmen entwickeln. Vor welchen Herausforderungen Energieversorger und Stadtwerke hier stehen, erläutert der langjährige Berater und CXM-Experte der affinis consulting GmbH, Jan-Henrik Rose, im Interview mit energie.blog (EB).
EB: Herr Rose, ist Customer Experience Management ein Thema bei Energieversorgern?
Rose: Ja. Wie sehr das Thema im Trend liegt, konnten wir insbesondere auf der E-world 2019 feststellen. Hier haben wir an unserem Messestand ein kurzes Online-Assessment angeboten und den CXM-Reifegrad der befragten Unternehmen gemessen. Aus den Ergebnissen und Beratungsgesprächen ging hervor, dass der Handlungsbedarf bei den Energieversorgern enorm hoch ist. Das Verständnis für die Fachlichkeit ist in den Unternehmen bereits vorhanden. Nur selten mussten wir erklären, dass mit Kundenerlebnis keine Grillveranstaltung gemeint ist.
EB: Warum ist Customer Experience in der Branche besonders wichtig?
Rose: Der Grund ist natürlich in der zunehmenden Konkurrenz der Anbieter untereinander und im Anstieg der Wechselbereitschaft bei den Kunden zu sehen. Die Produkte der Energieversorger sind grundlegend homogen, das heißt, der Kunde verbindet mit dem Produkt Strom oder Gas allein keinen besonderen Erlebnischarakter. Strom kommt einfach aus der Steckdose und ist bei jedem Anbieter gleich. Deshalb müssen Energieversorger sich insbesondere durch ihre Kundenbindung und Kundenkommunikation hervorheben, um die Position auf dem Markt langfristig zu sichern. Die Etablierung eines Customer Experience Management ist hierfür ein zwingend notwendiger Schritt.
„Jeder Kunde ist in seinem Informationsverhalten so individuell wie ein Fingerabdruck“
EB: Welche Rolle spielt hierbei der Begriff „Customer Journey“ ?
Rose: Kunden konsumieren rund um die Uhr Informationen über verschiedene Endgeräte und über unterschiedliche Medien. Trotzdem ist jeder Kunde in seinem Informationsverhalten so individuell wie ein Fingerabdruck. Im Customer Experience Management verfolgt man das Ziel, den Kunden entlang seiner präferierten Touchpoints mit maßgeschneiderten Inhalten zu versorgen. Die Bewegungen der Kunden über diese Touchpoints bezeichnet man als Customer Journey. Mindestens genauso wichtig ist jedoch die Konzeption von Buyer Personas, sogenannten Musterkunden, die eine Zielgruppe und ihre Präferenzen veranschaulichen. Insbesondere im B2B-Geschäft stellt die Bildung von Buyer Personas eine Herausforderung dar, da die Entscheidungsträger der Zielgruppenunternehmen charakterisiert werden müssen, um eine individuelle Ansprache zu entwickeln und Kundenerlebnisse zu schaffen.
EB: Welche Änderungen sind in der Kundenkommunikation der Energieversorger erforderlich?
Rose: Die Unternehmen müssen ein Verständnis dafür entwickeln, dass jeder Kunde sich individuell angesprochen fühlen muss. Die Konzeption von Buyer Personas und darauf aufbauenden Customer Journeys sind hierfür die wichtigste Grundlage. Darauf basierend entscheidet sich, über welche Kanäle und mit welchen Inhalten die Kunden kontaktiert werden.
„Ein Student hat andere Anforderungen als ein Familienvater im Eigenheim“
Ein Student, der seine erste Wohnung bezieht, hat andere Anforderungen an seinen Energieversorger, als ein situierter Familienvater im Eigenheim. Das passende Angebot für den passenden Kunden – darauf müssen Unternehmensprozesse, Marketing und Vertrieb ausgerichtet sein.
EB: Was stellt die größte Herausforderung dar?
Rose: Die größte Herausforderung liegt im End-2-End-Reporting, also im Verständnis für die Messung von Online- und Offline-Bewegungen der Kunden. Die Customer Journey wird aus Unternehmenssicht abgebrochen, sobald der Kunde die digitale Welt verlässt, um sich beispielsweise in einem Kundencenter oder einer Filiale beraten zu lassen. Diese Herausforderung besteht jedoch generell und nicht allein in der Energiebranche.
Eine andere Challenge liegt in der Entwicklung von Cross-Selling Ansätzen und der Kooperation mit Drittanbietern, um so weitere Touchpoints auf der Customer Journey zu entwickeln. Zu den Zukunftsthemen zählen hier E-Mobilität, die damit verbundene Abdeckung des Angebots für Wallboxen und Ladestationen oder Smart Home-Lösungen. Energieversorger und Stadtwerke können so ihre Reichweite erhöhen und die Anzahl an relevanten Berührungspunkten ausbauen, über die der Kunde mit ihnen in Kontakt tritt.
EB: Mit welchen technologischen Lösungen arbeitet Ihr Team im CXM-Kontext?
Rose: Wir beschäftigen uns zunächst mit den Anforderungen der Kunden. Erst wenn diese in ein gesamtheitliches CX-Zielbild überführt worden sind, lassen sich Rückschlüsse zum Bedarf an die technologische Infrastruktur ziehen. Als unabhängige IT-Beratung versuchen wir immer die Lösung zu finden, die den Anforderungen des Kunden gerecht wird. Dabei greifen wir auf unsere Partner im Bereich CRM- und CXM-Software zurück. Unter anderem sind wir auch Solution Partner von Adobe und haben in der Anwendung der Marketing Suite ein Expertenteam an unserem neuen Standort in Stralsund ausgebildet.
EB: Was sollten EVU bei der Einführung eines CXM berücksichtigen?
Rose: Voraussetzung für die Einführung von Customer Experience ist die Feststellung des Status quo. Darauf basieren die nächsten Schritte und Anforderungen, die ein Unternehmen einleiten muss. Zur Feststellung des Status quo hat affinis ein Assessment entwickelt, das den Customer Experience-Reifegrad eines Unternehmens ermittelt. Eine Kurzform des Assessments ist über unsere Website www.affinis.de/cxm verfügbar und liefert Interessenten eine erste Analyse des unternehmensinternen CX-Reifegrades.
EB: Herr Rose, vielen Dank für das Gespräch.
Über Jan-Henrik Rose
Jan-Henrik Rose arbeitet bei der affinis consulting GmbH als Manager und verantwortet den Geschäftsbereich Customer Experience Management (CXM). Der gebürtige Hamburger profitiert aus jahrelanger Beratertätigkeit bei PricewaterhouseCoopers und IBM Deutschland in verschiedenen Dienstleistungsbranchen.
Über affinis
Die affinis consulting GmbH wurde 2002 in Hamburg gegründet. Das IT-Consulting-Unternehmen ist auf die erfolgreiche Beratung von Prozessen im Kundenmanagement spezialisiert und unterstützt diese von der Analyse bis zur systematischen Implementierung. Mit insgesamt 70 Mitarbeitern beraten unsere Consultants bundesweit namhafte Kunden aus Deutschlands Mittelstand und DAX Konzerne zu methodischen und technologischen Themen rund um den Schwerpunkt Kundenmanagement.
www.affinis.de