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Über den Aufbau nachhaltiger und widerstandsfähiger Stromnetze und wie Daten und Digitalisierung dabei helfen können

Stromnetze
Der Offshore-Windpark Block Island in den USA wird zur Senkung der Kosten künftiger Offshore-Windenergieprojekte beitragen, da er als Blaupause den Beweis für einen realisierbaren Entwurfs- und Herstellungsprozess liefert. (Bild: Keystone Engineering)

Erzeugungsanlagen und Stromnetze für die Herausforderungen der Zukunft wappnen: Daten sind die Grundlage dafür

Autor: Brian Rock*

Sturzfluten in Hochwüsten, Straßenbelag, der in der Sommerhitze schmilzt, seltene Wirbelstürme im Mittelmeerraum, Waldbrände in tropischen Paradiesen – die jüngsten Schlagzeilen sind allenthalben beunruhigend. Aber das Wissen um die Auswirkungen dieser Katastrophen auf die Energieversorgung macht die Schlagzeilen für die Versorgungswirtschaft besonders alarmierend, denn die Stromnetze sind darauf nicht vorbereitet.

Die Folgen des Klimawandels in Verbindung mit dem Anstieg der Energienachfrage, den veränderten Anforderungen und der veralteten Strominfrastruktur sind verheerend. Die Herausforderungen sind zu groß, um ignoriert zu werden, und die Versorgungsunternehmen stehen an einem Scheideweg. Es müssen Veränderungen kommen, um die zukünftige Nachhaltigkeit und Widerstandsfähigkeit unserer Stromnetze zu gewährleisten – Veränderungen, die teilweise auf Daten aus digitaler Technologie und Transformation basieren.

Der perfekte (elektrische) Sturm

Ein Großteil der Infrastruktur, aus der Stromnetze bestehen, ist alt und/oder veraltet. In den Vereinigten Staaten beispielsweise schätzen Experten, dass über 70 % der Komponenten des US-amerikanischen Stromnetzes älter als 25 Jahre sind. Dieser Schwachpunkt macht Netze noch anfälliger für die intensiven Witterungsbedingungen, die durch den Klimawandel verursacht werden. Außerdem wurden Stromnetze größtenteils gebaut, um Energie von dem Ort, an dem sie erzeugt wird (in der Regel durch fossile Brennstoffe), dorthin zu bringen, wo sie verbraucht wird. Mit der Zunahme der erneuerbaren Energiequellen und neuen Formen der Elektrizitätsnachfrage, wie z. B. für Elektrofahrzeuge, wird der eigentliche Zweck des Netzes schnell überholt. Um die Umwelt sauberer und umweltfreundlicher zu machen, sind massive Veränderungen bei den Investitionen in Infrastruktur, Menschen, Prozesse und Technologien erforderlich.

Wandlungsfähigkeit gefragt

Die Versorgungsunternehmen als solche haben Schwierigkeiten, sich an Veränderungen anzupassen. Von neuen Elektrifizierungs- und Lastanforderungen bis hin zu Ausrüstungsmodernisierungen und regulatorischen Verpflichtungen – Veränderungen, die üblicherweise in einem Zeitraum von 20 Jahren stattgefunden haben, könnten jetzt in wenigen Monaten vor sich gehen. Die Versorgungsunternehmen von heute müssen diesen sich schnell ändernden externen Anforderungen sowie ihren unternehmensinternen Abläufen gerecht werden. Die Erwartungen der Kunden wurden aufgrund der heutigen Erfahrungen mit Online-Geschäften im Business-to-Consumer-Bereich revolutioniert. Da ein Großteil der Fachkräfte in der Belegschaft in den Ruhestand geht oder kurz davorsteht, müssen die Technologieplattformen eines Versorgungsunternehmens außerdem auf dem neuesten Stand sein, um attraktiv für neuere Mitarbeitende zu sein und diese im Unternehmen zu halten.

Doch die Finanzierung wichtiger Veränderungen bleibt weiterhin eine Herausforderung. Angesichts des verworrenen Netzes lokaler, bundesstaatlicher und regionaler Regulierungsbehörden, die ihre Finanzen kontrollieren, benötigen öffentliche Versorgungsunternehmen konkrete Zahlen, um die Tariferhöhungen zu rechtfertigen, mit denen der Ausbau von Strom- und Kommunikationsnetzen finanziert wird. Es waren beispielsweise Investitionen erforderlich, um Transformatoren zu ersetzen, die nie für alle neuen Elektrofahrzeuge gedacht waren, die Energie aus dem Stromnetz entnehmen oder die den starken Anstieg der Elektrifizierung von Haushalten nicht bewältigen können.

Jetzt oder nie!

Diese Herausforderungen haben einen perfekten Sturm geschaffen – aber mit einem Silberstreif am Horizont. Wir müssen das Stromnetz nach dem Motto „jetzt oder nie“ modernisieren, um es für die kommenden Jahrzehnte nachhaltiger und widerstandsfähiger zu machen. Und Daten sind die Grundlage für diesen Wandel.

In jeder Infrastrukturanlage und jedem Projekt sind Daten versteckt. Daten, die darauf warten, erschlossen, verstanden und genutzt zu werden. Daten, die Erkenntnisse liefern, die Infrastrukturintelligenz ermöglichen. Von der Verknüpfung kritischer Informationen mit Arbeitsabläufen bis hin zur Nutzung digitaler Zwillinge und KI-gesteuerter Fortschritte: Mit Infrastrukturintelligenz können wir ein nachhaltigeres und widerstandsfähigeres Stromnetz aufbauen. Mit Daten als Grundlage und digitalen Fähigkeiten als Bausteine kann die Beschleunigung der Infrastrukturintelligenz einige der größten Herausforderungen bewältigen, vor denen wir bei unseren Stromnetze stehen.

Durch die Verknüpfung digitaler Arbeitsabläufe innerhalb eines Unternehmens und über Fachbereiche hinweg erhalten die Interessengruppen die Informationen, die sie benötigen, um die notwendigen Änderungen vorzunehmen. Diese Informationen ermöglichen eine datengesteuerte Entscheidungsfindung in Echtzeit und liefern unwiderlegbare Daten, die für Veränderungen benötigt werden.

Datenaustausch und Vernetzung

Für den Erhalt dieser Informationen sind Technologielösungen erforderlich, die den Datenaustausch in Echtzeit ermöglichen und eine vernetzte Datenumgebung für ein ausgebautes Stromnetz aufbauen. Durch die Nutzung der aus diesen Lösungen stammenden Daten können Versorgungsunternehmen Daten austauschen, um ihre Transparenz – sowohl intern als auch extern – zu optimieren und gleichzeitig die Erfahrungen ihrer Kunden zu verbessern. Darüber hinaus kann Spitzentechnologie eine jüngere, engagierte Belegschaft für die Arbeit im Unternehmen begeistern und im Unternehmen halten. Noch wichtiger ist, dass die Informationen aus diesen Lösungen den Versorgungsunternehmen dabei helfen können, den Bedarf zu quantifizieren und mit den Regulierungsbehörden zu kommunizieren, um den umfassenden Netzausbau vorzunehmen, der erforderlich ist, um Nachhaltigkeit und Widerstandsfähigkeit in den heutigen Stromnetzen zu verankern.

Digitale Technologien und Arbeitsabläufe für die Stromerzeugung und -versorgung ermöglichen Unternehmen, die Projektabwicklung zu verbessern, Abläufe zu optimieren, die Netzstabilität zu erhöhen und Energienetze auf der „letzten Meile“ zu schützen.

Verbesserung der Projektabwicklung

Digitale Lösungen sind für die zügige Umsetzung von Projekten im Bereich der erneuerbaren Energien unerlässlich, die unseren Übergang zu einer saubereren Energieerzeugung unterstützen. Digitale Technologie ermöglicht es Unternehmen, intelligenter und effektiver zu analysieren, zu entwerfen, zu simulieren und zu kooperieren. Projektabläufe werden durch integrierte, cloudfähige, skalierbare und anpassbare multidisziplinäre Entwürfe und Analysen optimiert.

Vernetzte digitale Lösungen für die Projektabwicklung sorgen zudem für durchgängige Arbeitsabläufe und Daten. Durch die Zusammenführung multidisziplinärer Teams und die Verbindung der Lieferkette für die Projektabwicklung wird die Datenintegrität verbessert, was zu einer besseren Projektleistung und zu höherer Produktivität führt.

Ein Beispiel ist das Unternehmen >Keystone Engineering, das digitale Lösungen genutzt hat, um den ersten Offshore-Windpark in den USA effizient zu entwerfen. Das Unternehmen wurde mit dem Entwurf des Unterbaus von fünf Windkraftanlagen-Generatoren für den 290 Mio. USD (ca. 268 Mio. EUR) teuren Offshore-Windpark Block Island vor der Küste von Rhode Island beauftragt (siehe Bild oben).

Keystone nutzte Lösungen von Bentley, um den Entwurf zu optimieren, Risiken abzumildern, das Stahlgewicht zu minimieren und die Herstellungs- und Montagekosten zu senken. Durch die gleichzeitige Durchführung mehrerer Simulationen und Entwurfsiterationen konnte das Unternehmen den Entwurfsprozess um 50 % verkürzen und gleichzeitig das Gewicht des Unterbaus verringern. Dank der Optimierung der für die Fundamente benötigten Stahlmenge konnte der Auftraggeber 20 % der Installationskosten einsparen.

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Keystone Engineering hat für fünf Windkraftanlagen-Generatoren Unterbauten in Jacket-Bauweise entworfen. (Bild: Keystone Engineering)

Optimierung von Betriebsabläufen

Unternehmen greifen zunehmend auf digitale Zwillinge zurück, um Anlagenzustand, Systemleistung, Zuverlässigkeit, Sicherheit und Nachhaltigkeit zu verbessern. Mithilfe hochentwickelter cloudbasierter Technologie zur Verbindung der physischen mit der virtuellen Welt kombinieren digitale Zwillinge unterschiedliche Daten, die durch verschiedenartige Entwurfs-, Bau-, Inspektions- und Wartungsanwendungen erstellt wurden, in einer verbundenen Umgebung. Sie liefert Versorgungsunternehmen die Erkenntnisse, die sie für genauere, datengesteuerte Entscheidungen und Geschäftsprozesse benötigen, die ihre Infrastruktur nachhaltiger und widerstandsfähiger machen.

Digitale Zwillinge können beispielsweise einen besseren Einblick in die Betriebsdaten eines Versorgungsunternehmens ermöglichen und das Unternehmen in die Lage versetzen, die Leistung seiner Anlagen zu ermitteln und festzustellen, welche Änderungen erforderlich sind. Wartungsteams können intelligenter arbeiten, um eine exakte Berichterstattung sowie Compliance zu gewährleisten, die Sicherheit zu verbessern und Wartungskosten zu senken. Darüber hinaus kann dieser digitale Datensatz, der die aktuellen Bedingungen und Änderungen zeigt, als Grundlage für zukünftige Inspektionen, Berichterstattungen und Betriebsabläufe verwendet werden.

Digitale Zwillinge

Beispielsweise speist die mit dem 49 Meter hohen >Diablo-Staudamm in Washington erzeugte Wasserkraft das Stromnetz im Großraum Seattle. Um die Sicherheit und Effizienz zu verbessern und gleichzeitig Risiken zu minimieren, beauftragte das Elektroenergie-Versorgungsunternehmen von Seattle, Seattle City Electric (SCL), das Ingenieurbüro HDR mit der Entwicklung eines digitalen Zwillings im Rahmen der physischen Inspektionen des Versorgungsunternehmens. HDR nutzte luftgestützte und Drohnenvermessung, Reality-Modeling-Lösungen von Bentley sowie künstliche Intelligenz und maschinelle Lern-Algorithmen, um einen digitalen Zwilling der Talsperre zu erstellen, der auf zwei Zentimeter genau ist.

Dieser digitale Zwilling des Staudamms dient als Basis für das Bauwerk und unterstützt SCL dabei, die Überwachung und Kontrolle des Damms zu verbessern und zu visualisieren. Die Echtzeitüberwachung liefert die richtigen Informationen zur richtigen Zeit für proaktives Risikomanagement, Sicherheit und vorausschauende Wartungsanwendungen.

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Luftaufnahme des Diablo-Staudamms. (Bild: HDR)

Erhöhung der Netzstabilität

Die digitale Technologie trägt auch dazu bei, die Integrität und Widerstandsfähigkeit von Übertragungs- und Verteilungssystemen, ob groß oder klein, sicherzustellen. Versorgungsunternehmen setzen auf digitale Lösungen – von der Digitalisierung früherer manueller Vermessungen und Entwurfsarbeiten bis hin zur Verwendung von Realitätserfassungsmodellen, modellbasierter Kollisionserkennung und automatisierten Arbeitsabläufen –, um traditionelle, fehleranfällige und zeitaufwendige manuelle Methoden zu ersetzen.

Durch den Einsatz digitaler Mittel zur Verwaltung der Bereitstellung von Kapitalinvestitionen im Zusammenhang mit der Sanierung, dem Austausch und dem Bau von Anlagen senken Versorgungsunternehmen die Netzbetriebskosten. Diese Lösungen ermöglichen zeitnahe und sichere Entwurfsentscheidungen, was zu kürzeren Ausfallzeiten und einem widerstandsfähigeren Netzwerk führt.

Umspannwerkstandorte digitalisieren

Australiens >Essential Energy versorgt beispielsweise 95 % der Haushalte und Unternehmen in New South Wales mit Strom, darunter auch viele ländliche Gebiete und abgelegene Gemeinden. Um die Netzbetriebskosten zu senken und bei kleinen Energieprojekten Mehrwert zu erwirtschaften, nutzt das Versorgungsunternehmen die auf Reality Modeling basierenden Lösungen von Bentley, um frühere manuelle Vermessungs-, Entwurfs- und Bauabläufe für einige seiner ländlichen Umspannwerkstandorte zu digitalisieren.

Durch die Automatisierung von zuvor manuell ablaufenden Prozessen konnte Essential Energy den Arbeitsaufwand für den Entwurf des Umspannwerks sowie dessen Umweltbelastung reduzieren. Die neuen Arbeitsabläufe des Versorgungsunternehmens haben die Qualität und Effizienz verbessert, Nacharbeiten im Zusammenhang mit Entwurfs- und Baufehlern reduziert, die Sicherheit erhöht und die Zahl der Fahrten zu entlegenen Umspannwerken minimiert. Dadurch konnten die Projektkosten um 50 % gesenkt und die mit Arbeiten am Entwurf zusammenhängenden Fahrten um 80 % verringert werden (>separater Bericht).

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Essential Energy nutzt Reality Modeling, um die Netzbetriebskosten zu senken und das Wertpotenzial kleinerer Energieprojekte zu erschließen. (Bild: Essential Energy).

Schutz der Energienetze auf der letzten Meile

Digitale Lösungen unterstützen Versorgungsunternehmen auch dabei, die Integrität der Gemeinkosteninfrastruktur sicherzustellen, die am Ende ihrer Systeme für Energieversorgung und Kommunikation steht. Die Herausforderungen im Zusammenhang mit der Sicherung dieser letzten Meile der Netze nehmen zu, da Stromnetze an neue Anforderungen angepasst werden.

Software-Anwendungen helfen Anlagenbesitzern, Telekommunikationsunternehmen und Auftragnehmern dabei, die Ressourcen und Aktivitäten im Zusammenhang mit ihren Gemeinkostensystemen digital zu bewerten und zu verwalten, um diesen neuen Herausforderungen gerecht zu werden. Zu diesen Herausforderungen gehören die Nutzung erneuerbarer Energiequellen, die Bereitstellung von Strom für Ladestationen für Elektrofahrzeuge, die Unterstützung des Ausbaus der Breitbandnetze auf 5G sowie die Übernahme der wichtigen Aufgabe, das Netz zu modernisieren und für extreme Wetterereignisse, die auf den Klimawandel zurückzuführen sind, zu rüsten.

Eine neue Normalität meistern

Die Bewältigung der neuen Anforderungen, die die heutigen Stromnetze belasten, und die Anpassung an die inzwischen zur Normalität werdenden Wetterextreme aufgrund des Klimawandels sind die Herausforderungen, vor denen wir alle stehen. In Anbetracht dieser neuen Normalität müssen wir in der Versorgungswirtschaft jetzt handeln, um die Nachhaltigkeit und Widerstandsfähigkeit des Stromnetzes und der ihm zugrundeliegenden Infrastruktur zu erhalten und zu verbessern.

Daten aus digitaler Technologie und Transformation und die daraus resultierende Infrastrukturintelligenz werden dazu beitragen, Optimierungen und Effizienzsteigerungen in allen Aspekten des Entwurfs, des Baus und des Betriebs unserer Energieinfrastruktur zu erzielen.

* Der Autor …

… Brian Rock ist Industry Marketing Director bei Bentley Systems mit Schwerpunkt Energie. Als solcher überwacht er alle Marketingaktivitäten, die darauf abzielen, die Bekanntheit und das Wachstum des Lösungsportfolios von Bentley zur Energieerzeugung, -übertragung und -versorgung voranzutreiben. Brian hat einen Bachelor-Abschluss in Kommunikation von der Brigham Young University. Er ist unter brian.rock@bentley.com erreichbar.

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