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Dr. Peter Heuells Marktanalyse vor den Metering Days: Unsicherheiten können dem iMSys-Rollout (noch) nichts anhaben

Unsicherheiten
Dr. Peter Heuell, Geschäftsführer der EMH metering GmbH, spricht über die Unsicherheiten, mit denen es die Akteure im Markt für smartes Messwesen aktuell zu tun haben. Seit kurzem bekleidet Heuell auch das Amt des Vorstandsvorsitzenden im ZVEI-Fachverband Energietechnik. (Bild: EMH metering)

„In Zeiten mit vielen Unsicherheiten ist der persönliche Austausch das A und O“

Am 11. und 12. Oktober 2022 trifft sich die Metering-Branche zu den >ZVEI Metering Days – nach zwei digitalen Veranstaltungen wieder physisch vor Ort in Fulda. Hohe Anmeldezahlen sowohl bei Ausstellern und Besucher/inne/n dokumentieren das starke Interesse sämtlicher Stakeholder. Bei aller Begeisterung über das leibhaftige Wiedersehen: Das Comeback der beliebten Kongressmesse steht unter dem Stern erheblicher Unsicherheiten – sowohl auf der regulatorischen Seite als auch wegen der massiven Auswirkungen und Folgen des Kriegs in der Ukraine. Wo steht der Rollout intelligenter Messsysteme (iMSys) in Deutschland? Wie reagieren die Akteure auf diese Unsicherheiten? Mit welchen Auswirkungen haben sie zu kämpfen? Und wie geht es regulatorisch weiter? energie.blog (e.b) sprach mit Dr. Peter Heuell, Geschäftsführer der EMH metering GmbH. Das Unternehmen wird auf den Metering Days u.a. die Lösung 1:n vorstellen, die den iMSys-Rollout wirtschaftlicher gestalten soll.

„Wichtig, den Rollout noch stärker zu beschleunigen“

e.b: Herr Dr. Heuell, die Metering Days 2022 stehen vor der Tür, doch die Welt ist durch Russlands Angriffskrieg auf die Ukraine aus den Fugen geraten. Eine schwere weltweite Wirtschaftskrise droht. Welche Auswirkungen haben die vielen Unsicherheiten auf die Metering-Branche und den iMSys-Rollout in Deutschland?

Heuell: Die aktuelle Krise zeigt, dass wir uns von den fossilen Energieträgern befreien müssen. Ich glaube, es gibt keine Alternative zur Energiewende, das ist der richtige Weg. Die Grundannahmen haben sich nicht geändert. Wir brauchen die Dekarbonisierung durch Erneuerbare Energien und die Elektrifizierung im Mobilitätssektor ebenso wie im Gebäudesektor mittels Wärmepumpen. Gleichzeitig müssen wir sehen, dass als Folge des Ukraine-Kriegs – anders als im Klimaschutzgesetz vorgesehen – keine weiteren Gaskraftwerke mehr ans Netz gehen. Also ist es jetzt noch wichtiger, dafür zu sorgen, dass wir Erzeugung und Verbrauch besser aufeinander abstimmen. Und dabei spielen die Smart Meter die entscheidende Rolle. Unter den neuen Randbedingungen ist es also umso wichtiger, den Rollout noch stärker zu beschleunigen.

„Der wirtschaftliche Druck auf unsere Kunden ist perspektivisch sehr hoch“

e.b: Inwieweit beeinflusst die aktuelle politische Situation den laufenden iMSys-Rollout?

Heuell: Aktuell registrieren wir keine Auswirkungen. Perspektivisch kann das anders sein. Ich sehe drei mögliche Probleme. Das eine ist, dass – ähnlich wie im Gasbereich – unsere Kunden ihre Preise nicht sofort an die Endkunden weitergeben können. Das zweite ist, dass die Kunden Zahlungsprobleme bekommen und nicht oder nicht sofort zahlen. Zugleich verlangt die Bundesregierung, dass Stadtwerke unabhängig davon weiterhin Energie liefern. Der wirtschaftliche Druck auf unsere Kunden ist perspektivisch also sehr hoch. Ob das Auswirkungen auf den Rollout haben wird, wird sich zeigen.

„Die Budgets für 2022 werden umgesetzt“

e.b: Läuft der Rollout auch ungeachtet der Tatsache weiter, dass das BSI nach wie vor keine Marktverfügbarkeitserklärung veröffentlicht hat?

Heuell: Wir sehen keinen Einfluss. Das heißt nicht, dass es dauerhaft so bleibt. Die Budgets, die für 2022 gemacht worden sind, werden umgesetzt. Was das für 2023 bedeutet, wage ich heute noch nicht zu prognostizieren, weil unsere Kunden aktuell in der Budgetphase stecken.

e.b: Erkennen Sie zumindest Tendenzen? Sie haben das Ohr ja eng am Puls des Marktes.

Heuell: Ich höre, dass in dem einen oder anderen Unternehmen überlegt wird, das Volumen in 2023 etwas zurückzufahren, um in 2024 kraftvoll durchzustarten. Aktuell haben wir hohe Auftragseingänge.

„Die Bauteilkrise besteht fort“

e.b: Wie ist es um die Lieferfähigkeit der Zähler-, Gateway- und anderen Technikhersteller bestellt? Müssen sie auf Teile warten?

Heuell: Ja. die Hersteller müssen auf Teile warten. Die Bauteilkrise besteht fort, das kann man ja auch jeden Tag in der Zeitung lesen. Betroffen sind in unserer Branche vor allen Dingen aktive Halbleiterelemente. Es gab Engpässe bei Plastik, Metall und Kondensatoren. Das haben wir hinter uns gelassen. Bei den aktiven Bauelementen sehe ich zwar auch eine Tendenz der Besserung, allerdings fürchte ich, dass wir in 2023 weiterhin Materialprobleme haben werden.

„Erwarte noch dieses Jahr eine Änderung des regulatorischen Rahmens“

e.b: Was bedeutet es, dass es noch keine neue Marktverfügbarkeitserklärung durch das BSI gibt? Was ist Sache, bzw. wo hakt es?

Heuell: Ich sehe zwei Strömungen, die wir mit Spannung beobachten. Entweder veröffentlicht das BSI eine Markterklärung, oder das Messstellenbetriebsgesetz wird geändert, so dass man keine neue Markterklärung mehr benötigt. Im Moment wird darum gerungen, welches der bessere Weg ist. Staatssekretär Patrick Graichen hat auf dem BNE-Kongress gesagt, er möchte im Gesetz einen Roll-out-Booster haben. Das würde ich so interpretieren, dass man überlegt, den gesetzlichen Rahmen zu verändern, um beim Rollout durchzustarten, unabhängig von einer Allgemeinverfügung. Ein Staatssekretär würde so etwas nicht öffentlich andeuten, wenn er nicht konkrete Pläne hätte. Ich gehe davon aus, dass wir dieses Jahr noch eine Änderung des regulatorischen Rahmens bekommen werden.

e.b: Welche wichtigen neuen Trends sehen Sie beim Smart Metering? Was erwartet uns in fachlicher Hinsicht auf den Metering Days?

Heuell: Unabhängig von regulatorischen Änderungen erwarte ich zwei große Trends: Der eine ist, wie man den Rollout wirtschaftlicher gestalten kann. Der andere Trend ist, wie man mit Mehrwertdiensten Traffic auf die Gateways bringt und den Rollout damit beschleunigen kann.

„Wir müssen mehr Kunden anbinden, das Rollout-Volumen erhöhen“

e.b: Ist Kostensenkung unter den gegebenen Umständen überhaupt möglich?

Heuell: Ja, EMH metering wird in Fulda zum Beispiel die Lösung 1:n vorstellen. Damit lassen sich mehrere elektronische Zähler extrem günstig per Funk an ein einziges Smart Meter Gateway anschließen, um Skalierungseffekte zu heben. Wir müssen mehr Kunden anbinden, das Rollout-Volumen erhöhen. Das ist der Schlüssel zur Senkung der spezifischen Einbaukosten, aber auch für die Marktentwicklung. Erst wenn eine gewisse Anzahl von Geräten im System ist, wird es für Vertriebe interessant, innovative Tarife und Services anzubieten. Wir können nicht erwarten, dass Vertriebe bei Rollout-Quoten von drei, fünf oder auch zehn Prozent sich darum reißen, neue Tarifmodelle zu entwickeln.

e.b: Welchen Effekt haben die steigenden Energie- und Materialkosten auf die Gerätepreise?

Heuell: Wir verzeichnen ähnliche Kostensteigerungen, die wir in anderen Branchen auch sehen. Die Einkaufspreise für Bauelemente steigen. Das hat auch mit dem Dollar-Kurs zu tun, denn die meisten Bauteile werden in Dollar gehandelt.

„Für mich ergibt das Gesamtbld schon Sinn“

e.b: Was sagen Sie zur BK6-22-128 der BNetzA, dem so genannten Universalbestellprozess. Sinnvolle Regelergänzung oder Überregulierung?

Heuell: Diese Initiative entspringt ja der Überlegung, wie zukünftig Lasten geschaltet werden sollen. Die Bundesnetzagentur sagt, der Messstellenbetreiber hat laut Gesetz die Verantwortung dafür. Unsere Kunden sagen, eigentlich sollte die Last direkt durch den Netzbetreiber gesteuert werden. Grundsätzlich ist es immer sinnvoll, zu hinterfragen, ob getroffene Ansätze tatsächlich am zielführendsten sind. Ich würde hier nicht von Überregulierung sprechen. Ich glaube, es ist eine sehr notwendige Regulierung zum Schalten. Die Frage ist, welche Marktrolle das machen soll. Die Bundesnetzagentur geht schon weiter und möchte mit der Konsultation für das Paragraph-14a-Verfahren starten. Da geht es auch ums Schalten. Für mich ergibt das Bild in seiner Gesamtheit schon einen Sinn.

„Vorfreude auf die Metering Days dieses Jahr besonders groß“

e.b: Mit welchen persönlichen Erwartungen reisen Sie nach Fulda?

Heuell: Ich freue mich sehr, viele Leute mal wieder persönlich treffen zu können. Gerade in einer Zeit mit vielen Unsicherheiten ist der persönliche Austausch das A und O. Meine Vorfreude auf die Metering Days ist dieses Jahr jedenfalls besonders groß.

e.b: Herr Dr. Heuell, vielen Dank für das Gespräch!

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