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SteuVerG: Bundeswirtschaftsministerium nimmt umstrittenen Gesetzesentwurf zurück

SteuVerG
Das BMWi hat auf die laut gewordene Kritik reagiert und den SteuVerG-Entwurf zurückgenommen. Verteilnetze würden als intelligente, marktliche Enabler und nicht als rückwärtsgerichtete Zwangsbewirtschafter benötigt, hatte beispielsweise der bne bemängelt. (Bild: Kurt Bouda / Pixabay)

„SteuVerG-Entwurf nicht reparierbar“

Das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie (BMWi) hat den Gesetzentwurf zum Steuerbare-Verbrauchseinrichtungen-Gesetz (SteuVerG) zurückgezogen. Der Bundesverband Neue Energiewirtschaft (bne) begrüßte diesen Schritt.

Noch vor zwei Tagen hatte der bne gewettert, der SteuVerG-Entwurf stehe für „Monopolistische Mangelverwaltung statt Aufbruch in die Sektorenkoppelung“. Der Gesetzentwurf sei schädlich für Verbraucher, Energiewende und Verkehrswende. Die noch im Weiss- und Grünbuch aus demselben Hause vorgesehene wettbewerbliche Flexibilisierung und den als günstiger angesehenen Netzausbau würden in ihr Gegenteil verkehrt. Marktliche Flexibilität werde geradezu als störend behandelt. Die neue Energiewirtschaft brauche die Verteilnetze als intelligente, marktliche Enabler und nicht als rückwärtsgerichtete Zwangsbewirtschafter. Massive Kritik entzündete sich auch an dem Umstand, dass nach Bekanntgabe des Entwurfs am 22. Dezember 2020 praktisch keine Zeit für Stellungnahmen eingeplant worden war.

bne-Geschäftsfführer Robert Busch reagierte erleichert auf die nun erfolgte Zurücknahme: „Der Gesetzentwurf wäre für die Energiewende, die Verbraucher, die Verkehrswende und die Automobilwirtschaft schädlich gewesen.“ Aus Sicht des bne sei der Gesetzentwurf nicht reparierbar. Das BMWi sollte daher einen völlig neuen Gesetzentwurf erarbeiten, der die Flexibilitäten im System fördert statt behindert. Der bne vertrete marktbasierte Lösungen und stehe für eine konstruktive Mitarbeit zur Verfügung. Ein Lösungsvorschlag des bne liege dem BMWi vor. www.bne-online.de

Klaus Müller, Vorstand der Verbraucherzentrale Bundesverband, plädiert für flexible Netzentgelte (18.01.2021):

„Zeitvariable Netzentgelte ermöglichen Verbrauchern bei entsprechenden Preissignalen eine echte Wahlmöglichkeit. Ladestationen für Elektroautos und Wärmepumpen können bei erhöhtem Stromangebot zugeschaltet und besonders preisgünstig betrieben werden. So können Verbraucher ihren Stromverbrauch flexibel gestalten und Kosten sparen. Gleichzeitig können Engpässen im Stromnetz vorgebeugt und erneuerbare Energien verstärkt genutzt werden. Der vom Bundeswirtschaftsministerium vorgelegte Gesetzentwurf greift genau diese Idee nicht auf. Es ist daher folgerichtig, dass Minister Altmaier diesen Entwurf zurückgezogen hat. Redebedarf sollte jetzt nicht nur mit den Automobilherstellern und Netzbetreibern bestehen. Der Vorschlag des vzbv liegt auf dem Tisch.“ www.vzbv.de

Stellungnahme von Agora Verkehrswende, Agora Energiewende und Regulatory Assistance Project (19.01.2021):

„Bei dem Modell (der Spitzenlastglättung) handelt es sich um einen rein kurativen Ansatz in der sogenannten „roten Phase“. Dieser lässt keinen Spielraum für die Entstehung von Geschäftsmodellen in der „gelben Phase“ für einen netzdienlichen Flexibilitätseinsatz, beispielsweise von potenziellen Marktakteuren wie Aggregatoren oder Lieferanten durch zeitliche Preisanreize. Somit können zukünftig etwaige wertvolle Flexibilitätspotenziale nicht gehoben werden (etwa durch Smart Charging). … Die Unklarheiten und Risiken sind weiterhin in Summe groß und der mögliche, mittelfristige Mehrwert wird mit hohen Transaktionskosten erkauft werden müssen. Deshalb sollte der vorliegende Entwurf nicht umgesetzt werden. Ein späteres Umschwenken zu wettbewerblichen, kundenfreundlichen sowie kostengünstigeren Optionen wäre mit hohem Kosten- und Zeitaufwand verbunden. … Im Detail werden dem Netzbetreiber mit dem vorliegenden Gesetzentwurf erhebliche Kompetenzen zugestanden, die zu individuellen, aber nicht nachvollziehbaren Festlegungen führen werden. …  Der Gesetzesentwurf und der diesem zugrunde liegende Ansatz der Spitzenlastglättung verfolgen ein unspezifisches Ziel. Vornehmlich läuft es auf eine Vermehrung der Netzbetreiberbefugnisse hinaus, ohne den dafür notwendigen Transparenzanforderungen gerecht zu werden. Eine Kosten-/Nutzenabwägung wird damit genauso verhindert wie die Diskussion und Erprobung von Alternativen. Entsprechend müsste der vorliegende Gesetzentwurf stark überarbeitet werden und zudem durch die vom Bundeswirtschaftsministerium in Aussicht gestellten wettbewerblichen Marktoptionen von Anfang an ergänzt werden. Bei einer Umsetzung in der vorliegenden Form sind massive Nachteile für die Energiemärkte, die Integration von flexiblen Verbrauchern als auch unnötig hohe Kosten für die Verbraucherinnen und Verbraucher insgesamt zu erwarten. Eine solch weitreichende Änderung der bisherigen Befugnisse und Anreize für die Einbindung der Konsumenten und damit des Endkundenmarktes insgesamt, bedarf einer ausgiebigen Fachdiskussion der Funktionsweise und Parametrisierung, der eine Konsultation über die Weihnachtsferien nicht gerecht wird.“
Hier geht’s zur vollständigen Stellungnahme.
www.agora-verkehrswende.de

Stellungnahme von B.KWK, ASUE und BHKW-Forum (10.01.2021)

„Grundsätzlich begrüßen die Verbände die Weiterentwicklung des § 14a EnWG und die Umsetzung des Spitzenglättungsmodells, mit dem ein Grundstein für weitere Entwicklungen wie die Flexibilisierung des Strommarktes gelegt wird. Die Verbände mahnen jedoch an, dass der Gesetzesentwurf lediglich kurzfristig auftretende Netzüberlastung betrachte, aber die Aspekte der saisonalen Spitzenglättung nicht außer Acht gelassen und Erzeugungsanlagen (Photovoltaik und KWK) zukünftig für netzdienliches Verhalten und selbstregulierendes netzdienliches Verhalten entlohnt werden sollten. „Da KWK-Anlagen mit einer Mess-, Steuer- und Regeltechnik bereits in der Lage sind, sich im Bereich der unteren Netzebene netzdienlich zu verhalten, schlagen wir vor, bis 100 kW untere Anschlussleistung die Möglichkeiten der Selbstregelung zu nutzen und empfehlen dass bei einer vollflexiblen Selbstregelung dieser Anlagen keine zusätzlichen Messstellen nach dem Messstellenbetriebsgesetz berücksichtigt werden müssen“ erläutert Claus-Heinrich Stahl die Positionierung der drei Verbände. „Wir betrachten KWK als Netzstütze, um flexibel auf Schwankungen im Stromnetz reagieren zu können!“ Der Vorschlag von B.KWK, ASUE und BHKW-Forum sieht deshalb außerdem vor, durch die Kombination von steuerbaren Erzeugern wie PV- und KWK-Anlagen und steuerbare Lasten (E-Ladestation, Wärmepumpen usw.), die bei einem Netzbedarf mindestens ca. 50 % der Erzeugungsleistung netzstabilisierend einspeisen, mit Prosumer-Anlagen ein zukunftsoffenes System zu gestalten, das weit über die reine Spitzenglättung hinaus ginge.“
www.bkwk.de

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