Ganzheitlicher Ansatz für das Recycling von Solarzellen gesucht
Solarenergie spielt im erneuerbaren Energiemix für Deutschland, aber auch weltweit, eine große Rolle. Bis zum Jahr 2030 geht die International Renewable Energy Agency IRENA von bis zu 2.840 Gigawatt an installierter Kapazität für Solarenergie aus. Laut einer Studie des Fraunhofer ISE sind in Deutschland Stand Ende 2020 circa 54 Gigawatt an Solarkapazität bereits installiert – das entspricht zwei Millionen Anlagen. Auch wenn die Betriebdauer bis zu 30 Jahre erreichen kann, folgen schließlich die Entsorgung und im besten Fall das Recycling von Solarzellen.
Bereits heute sind verschiedene, mehr oder weniger effiziente Verfahren und Konzepte zum Recycling ausgedienter PV-Module im Einsatz. Um diese zu beurteilen, fehlt es jedoch an Standardisierung und Normung von Recyclingprozessen für PV-Module, damit das volle Potenzial des Recyclings ausgeschöpft werden kann. Diesem Ziel hat sich nun das Projekt »Standardisierung und Normung von Recyclingprozessen für Siliziumsolarmodule – ReSi-Norm« angenommen.
Unter Federführung der Fraunhofer-Einrichtung für Wertstoffkreisläufe und Ressourcenstrategie IWKS und gemeinsam mit den drei Verbundpartnern VDE Renewables GmbH, DKE Deutsche Kommission Elektrotechnik Elektronik Informationstechnik in DIN und VDE sowie der Firma Hensel Recycling GmbH wird im Projekt ein ganzheitlicher Ansatz für das Recycling von Solarzellen realisiert, der alle Faktoren zur Normung entlang des gesamten Wertstoffkreislaufs abdeckt. Durch die Erarbeitung von Normungsvorschlägen sollen die Normungsabläufe auf nationaler und europäischer Ebene unterstützt werden.
Wie können PV-Module besser recycelt werden?
Die Rücknahme und das Recycling von Solarzellen waren in Deutschland über einen langen Zeitraum kaum gesetzlich geregelt, unter anderem durch die hohe Lebensdauer und die daraus bedingten noch geringen Rücklaufmengen. Im Zuge der Energiewende sind Photovoltaik-Module einige der wichtigsten Energiewandler zu Solarstrom der natürlichen und quasi unbegrenzt verfügbaren Energiequelle Sonneneinstrahlung. Damit einher geht der Bedarf an hochwertigen Gläsern und kritischen Ressourcen wie Halbleitermaterialien und Edelmetallen. In Europa, und im Besonderen Deutschland, sind die Rohstoffe zur Herstellung der Materialien nicht ausreichend verfügbar. Daher besteht eine Abhängigkeit von unsicheren Lieferketten, Preisen, Verfügbarkeiten und geopolitischen Einflussfaktoren.
In diesem Zusammenhang gewinnt das Recycling von Solarzellen nicht nur ökologisch, sondern auch ökonomisch an Bedeutung. Mit Inkrafttreten der EU-Richtlinie 2012/19/EU »Waste of Electrical and Electronic Equipment« (WEEE2) 2012 und des Elektrogesetzes (ElektroG2) 2015 stieg ebenfalls der regulatorische Druck. Seit der neuesten Änderung der WEEE2-Richtlinie 2018 müssen zudem 85 % der verkauften PV-Module gesammelt und zu 80 % recycelt werden. Insgesamt können nach Expertenschätzungen bis zu 95 % der in einem Solarmodul verbauten Materialien wiederverwertet werden.
Mit der jüngsten Anpassung des ElektroG2 im Dezember 2020 wurden die Behandlungsanforderungen an Photovoltaikmodule weiter konkretisiert. So müssen PV-Module im Recycling nach Typ (siliziumbasierte und nicht-siliziumbasierte) getrennt behandelt werden sowie eine Entfrachtung der gewonnenen Fraktionen von Blei, Selen und Cadmium innerhalb spezifischer Grenzwerte durchgeführt werden. Dies ist ein wichtiger erster Schritt in Richtung Mindestqualitätsanforderungen und Ressourcenschonung im Recycling von PV-Modulen. In der Praxis geht dies allerdings nicht weit genug: So wird weder das PV-Frontglas noch das Silizium-Halbleitermaterial flächendeckend einem Recyclingprozess zugeführt. Dies soll in ReSi-Norm richtungsweisend für alle zukünftigen Verfahren evaluiert und umgesetzt werden.
Neueste Forschungsergebnisse und bestehendes Industrie-Wissen vereinen
Mechanische, thermische und chemische Recyclingverfahren für PV-Module werden seit über 15 Jahren erforscht. Mit modernen Recyclingverfahren ist es heute theoretisch möglich, Altmodule so zu recyceln, dass die Wertstoffe annähernd vollständig wieder einem Produktionsverfahren als Sekundärrohstoffe zugeführt werden können. Doch wenn im nächsten Jahrzehnt größere Stückzahlen zur Wiederverwertung anstehen, müssen diese Verfahren gerade im Hinblick auf Effizienz und Ressourcenschonung kontinuierlich verbessert werden. Ebenfalls muss eine Vergleichbarkeit der Verfahren hergestellt werden, um ihre Effizienz bewerten zu können.
Ausgehend vom Stand der Forschung und den betrieblichen Anwendungen wollen die Projektparteien von ReSi-Norm daher gemeinsam neue Standards für das Recycling von PV-Modulen setzen und dazu State-of-the-Art-Prozesse und Forschungsergebnisse betrachten. Besondere Berücksichtigung finden dabei bereits vorliegende Ergebnisse und Erkenntnisse aus aktuellen nationalen oder europäischen Programmen und Entwicklungsaktivitäten. So sollen innerhalb des ReSi-Norm-Projekts eine standardisierte Vorgehensweise und Normen für Sammelquoten und realistische Recyclingquoten für das gesamte Wertstoffpaket eines PV-Moduls entwickelt und implementiert werden.
Die Fraunhofer-Gesellschaft …
… mit Sitz in Deutschland ist die weltweit führende Organisation für anwendungsorientierte Forschung. Mit ihrer Fokussierung auf zukunftsrelevante Schlüsseltechnologien sowie auf die Verwertung der Ergebnisse in Wirtschaft und Industrie spielt sie eine zentrale Rolle im Innovationsprozess. Als Wegweiser und Impulsgeber für innovative Entwicklungen und wissenschaftliche Exzellenz wirkt sie mit an der Gestaltung unserer Gesellschaft und unserer Zukunft. Die 1949 gegründete Organisation betreibt in Deutschland derzeit 75 Institute und Forschungseinrichtungen. Rund 29 000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, überwiegend mit natur- oder ingenieurwissenschaftlicher Ausbildung, erarbeiten das jährliche Forschungsvolumen von 2,8 Mrd. Euro. Davon fallen 2,3 Mrd. Euro auf den Leistungsbereich Vertragsforschung.
Die Fraunhofer-Einrichtung für Wertstoffkreisläufe und Ressourcenstrategie IWKS mit Standorten in Alzenau und Hanau wurde im Jahr 2011 von der Fraunhofer-Gesellschaft unter dem Dach des Fraunhofer ISC gegründet. Das Fraunhofer IWKS widmet sich der Entwicklung neuer Recyclingtechnologien und Substitute für knappe Roh- und Wertstoffe. Zudem werden ressourcenstrategische Studien durchgeführt, um die Verfügbarkeit von Rohstoffen im Gesamtprozess der Gewinnung, Nutzung und Nachnutzung bewerten zu können. Dafür werden zusammen mit Industriepartnern innovative Trenn-, Sortier-, Aufbereitungs- und Substitutionsmöglichkeiten erforscht.
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