Martin Pister: „Sehen Sie den Rollout als Chance!“
Ist mit der im Messstellenbetriebsgesetz (MsbG) definierte > Preisobergrenze (POG) ein wirtschaftlicher Rollout und Betrieb intelligenter Messsysteme (iMSys) darstellbar? Nicht nur die nachträglich vom BSI verlangte und nachzuweisende Sichere Lieferkette (SiLKe) für Smart Meter Gateways scheint die vor vier Jahren erstellte POG-Struktur ad absurdum zu führen. Auch die Fehleranfälligkeit der neuen Systeme und noch keineswegs routinierte physische Rollout-Prozesse lassen vermuten, dass die Kosten aus dem Ruder laufen. Wird die aktuelle POG zum Flaschenhals für den iMSys-Rollout? Ob das so ist, wollte energie.blog von einigen Marktexperten wissen. Den Anfang macht Martin Pister, Abteilungsleitung Metering bei der > Thüga SmartService GmbH.
e.b: Wo steht Ihr Unternehmen in der iMSys-Rollout-Vorbereitung? Wann geht es operativ los?
Pister: Das GWA-System der Thüga SmartService ist seit Abschluss der ersten Gerätezertifizierung durch das BSI im Dezember 2019 für den Rollout bestens vorbereitet. Operativ ist es bereits losgegangen. Einige der von uns betreuten Unternehmen haben schon zu einem frühen Zeitpunkt mit dem Verbau von intelligenten Messsystemen begonnen, aufgrund der komplexen Systemlandschaft (ERP-System, GWA-System, MK-System, MDM-System) jedoch meist mit geringeren Stückzahlen. Aufgrund des im Januar 2020 gestarteten Pflicht-Rollouts ist die Zeit des Abwartens nun definitiv vorbei. Wir erwarten spätestens 2021 einen exponentiellen Anstieg, der sich jetzt bereits abzeichnet.
„Preisobergrenze wurde mit sehr heißer Nadel gestrickt“
e.b: Wie schätzt man bei Thüga SmartService grundsätzlich die Situation bei der Preisobergrenze ein?
Pister: Die POG wurde mit sehr heißer Nadel gestrickt. Wenn sich Messstellenbetreiber völlig alleine an den Rollout wagen und sich nur auf die Pflicht konzentrieren, ergeben sich so keine kostendeckenden Geschäftsmodelle. Kooperationen in der Beschaffung, Mehrwertanwendungen zur Steigerung der Akzeptanz beim Anschlussnutzer und automatisierte Prozesse sind hier der Schlüssel zum Erfolg.
e.b: Welche organisatorischen Maßnahmen ergreifen Sie, um die iMSys möglichst kosteneffizient ausrollen zu können? Und reicht das aus, um wirtschaftlich arbeiten zu können?
Pister: Die Systemlandschaft der Thüga SmartService, die sowohl das selbstentwickelte GWA-System beinhaltet, jedoch auch noch weitere Anwendungsfälle eines Messstellenbetreibers abdeckt (MDM, MaKo2020), bildet die Basis für eine skalierbare Lösung mit einem SaaS-Ansatz. Durch die Anbindung der ERP-Systeme der Messstellenbetreiber gelingt hier auch eine automatisierte Prozessdurchführung der intelligenten Messsysteme. Eine gewisse IT-Prozessreife ist eine wichtige Säule, um wirtschaftlich agieren zu können. Aufgrund der vielen weiteren Abhängigkeiten (Gerätelogistik, WAN-Verfügbarkeit, Montagefehler) ist dies jedoch nicht unbedingt ausreichend.
„Messstellenbetreiber rückt in prominentere Rolle“
e.b: Muss/Sollte der Gesetzgeber in Sachen POG nachbessern oder andere Maßnahmen ergreifen?
Pister: Der Messstellenbetreiber rückt in eine immer prominentere (und aufgabenreichere) Rolle. Durch die aktuellen Diskussionen rund um weitere Anwendungsfälle (CLS-Metering, Schalten über das SMGW) rücken eventuell lohnenswertere Geschäftsmodelle immer weiter in die Zukunft. Auch der prozessuale Aufwand ist im Prinzip über alle Kundengruppen hinweg ähnlich. Der Gesetzgeber sollte die im MsbG getroffenen Regelungen hinsichtlich der POG und auch der geplanten Einbauverpflichtung kritisch hinterfragen.
e.b: Ihre Forderung/Botschaft an Politik/Markt?
Pister: Sehen Sie den Rollout als Chance! IoT-Anwendungen und Smart City-Mehrwertlösungen werden dadurch zum Teil erst möglich. Wer weitsichtig genug ist, denkt diese Aspekte jetzt bereits mit.
e.b: Herr Pister, vielen Dank für die aufschlussreichen Infos!
Das Interview wurde schriftlich durchgeführt.
Hier geht es zum Parallelinterview mit Marcus Hörhammer, VOLTARIS.