Marcus Hörhammer: „Rollout zügig starten und Mehrwertdienste einbinden!“
Ist mit der im Messstellenbetriebsgesetz (MsbG) definierte > Preisobergrenze (POG) ein wirtschaftlicher Rollout und Betrieb intelligenter Messsysteme (iMSys) darstellbar? Nicht nur die nachträglich vom BSI verlangte und nachzuweisende Sichere Lieferkette (SiLKe) für Smart Meter Gateways scheint die vor vier Jahren erstellte POG-Struktur ad absurdum zu führen. Auch die Fehleranfälligkeit der neuen Systeme und noch keineswegs routinierte physische Rollout-Prozesse lassen vermuten, dass die Kosten aus dem Ruder laufen. Wird die aktuelle POG zum Flaschenhals für den iMSys-Rollout? Ob das so ist, wollte energie.blog von einigen Marktexperten wissen. Hier die Meinung von Marcus Hörhammer, Bereichsleiter Produktentwicklung und Vertrieb bei der > VOLTARIS GmbH.
e.b: Herr Hörhammer, wo steht Ihr Unternehmen in der iMSys-Rollout-Vorbereitung? Wann geht es operativ los?
Hörhammer: Der Feldtest zur Einführung der iMSys innerhalb unserer Anwendergemeinschaft ist im Januar gestartet. VOLTARIS übernimmt für die Stadtwerke-Partner dabei bei den ersten iMSys Einbauten, die Gerätebeschaffung, die Umsetzung der sicheren Lieferkette der Smart Meter Gateways, die Montage und die Inbetriebnahme der iMSys. Parallel werden die Montagefachkräfte und Mitarbeiter im Lager- und Logistikbereich der Stadtwerke-Partner intensiv zu „berechtigten Personen für die sichere Lieferkette“ und zu den Montageprozessen geschult. Der Feldtest geht sukzessive in den operativen Rollout über. In Kürze weitere 100 iMSys für die Pfalzwerke Netz AG unter Einhaltung aller Standardprozesse ausgerollt.
„Leistungen innerhalb der POG zu realisieren, ist ein gewaltiger Kraftakt“
e.b: Wie schätzt man bei VOLTARIS grundsätzlich die POG-Situation ein?
Hörhammer: Die Leistungen innerhalb der POG zu realisieren, ist ein gewaltiger Kraftakt für die grundzuständigen MSB. Insbesondere durch die Anforderungen an die Sichere Lieferkette kommen Kosten auf die Stadtwerke zu, die in deren Wirtschaftlichkeitsbetrachtung zum Rollout so nicht vorgesehen waren.
e.b: Welche organisatorischen Maßnahmen ergreifen Sie, um die iMSys möglichst kosteneffizient ausrollen zu können? Reicht das aus, um wirtschaftlich arbeiten zu können?
Hörhammer: Wir arbeiten innerhalb unserer ‚Anwendergemeinschaft Messsystem‘ mit 35 EVU und Netzbetreibern strukturiert bei der Gestaltung des intelligenten Messstellenbetriebs zusammen. Konkret geht es dabei um die Optimierung der operativen Rollout-Prozesse, Einkaufsvorteile, gemeinsame Schnittstellenprojekte und umfassende SiLKe-Schulungen, die wir für alle Mitglieder mit eigenem Personal durchführen. In diesem starken Netzwerk werden wir künftig mehr als 1,2 Millionen Zählpunkte im intelligenten Messstellenbetrieb und mehr als 150.000 iMSys betreuen. Durch diese Skalen- und Synergieeffekte können wir die Wirtschaftlichkeit sicherstellen.
e.b: Muss/Sollte der Gesetzgeber in Sachen POG nachbessern oder andere Maßnahmen ergreifen?
Hörhammer: Wichtig aus unserer Sicht ist es, dass der Rollout nun zügig startet und Skaleneffekte genutzt werden können. Dazu ist es notwendig, dass Technik und Regularien zügig den Umbau weiterer Fallgruppen und die Einbindung von Mehrwertdiensten ermöglichen. Die Digitalisierung der Energiewende wird nur gelingen, wenn möglichst viele Anwendungsfälle – auch die Einbindung von dezentralen Erzeugungsanlagen, Elektromobilität und die intelligente Netzsteuerung – umgesetzt werden. Denn erst diese Funktionalitäten bringen den versprochenen Nutzen für die Energiewirtschaft und den Verbraucher.
„Neben dem grundzuständigen MSB auch den wettbewerblichen ausprägen!“
e.b: Ihre Forderung/Botschaft an Politik/Markt?
Hörhammer: Unsere Botschaft: Zusätzlich zum grundzuständigen MSB auch den wettbewerblichen MSB ausprägen und – in Zusammenarbeit mit kompetenten Dienstleistern – attraktive Zusatzleistungen anbieten: Mehrwertdienste einschließlich Energielieferung – und das ohne Bindung an die POG und auch außerhalb des lokalen Netzes. Spätestens wenn ab dem Jahr 2021 Wahlfreiheit beim Messstellenbetrieb besteht, wird sich der Markt für Messdienstleistungen grundlegend verändern. Insbesondere im Bereich Submetering wird es völlig neue Potenziale auszuschöpfen geben. Wer sich bis dahin nicht frühzeitig als wettbewerblicher MSB positioniert hat, läuft Gefahr, das Feld den großen Messdienstleistern zu überlassen, die bereits jetzt um den Messstellenbetrieb konkurrieren. Die Datenbereitstellung für die Energiekostenabrechnung von größeren Liegenschaften ist ein sehr attraktiver Markt, der aktuell von wenigen Anbietern dominiert wird.
e.b: Herr Hörhammer, vielen Dank für die aufschlussreichen Infos!
Das Interview wurde schriftlich durchgeführt.
Hier geht es zum Parallelinterview mit Martin Pister, Thüga SmartService