Haben LNG-Terminals eine klimaneutrale Zukunft?
Mit dieser Frage befasst sich eine Studie des Fraunhofer ISI im Auftrag der European Climate Foundation (ECF). LNG-Terminals müssen für eine spätere Nutzung mit erneuerbaren Energieträgern umgerüstet werden. Doch die spätere Umrüstung ist mit großen Unsicherheiten behaftet.
Der russische Angriff auf die Ukraine hat neue Fragen nach der Energiesicherheit Europas aufgeworfen, weil die meisten EU-Mitgliedstaaten weiter stark von russischem Erdgas und Erdöl abhängig sind. Infolgedessen sind diese Staaten auf der Suche nach alternativen Gasquellen wie Flüssigerdgas (liquefied natural gas, LNG). Dieses wird aus Ländern wie den USA, Kanada oder Katar per Schiff importiert.
Der temporäre Einsatz schwimmender Speicher- und Regasifizierungseinheiten (Floating Storage and Regasification Units, FSRU) ist eine flexible Möglichkeit, einen kurzfristigen Gasmangel zu vermeiden. Der Bau fester LNG-Terminals an Land mit einer voraussichtlichen Lebensdauer bis in die 2040er Jahre hinein wirft allerdings die Frage nach Fehlinvestitionen und eines fossilen Lock-Ins auf, da LNG nicht klimaneutral ist.
Fraunhofer ISI-Studie untersucht technische Machbarkeit der Umrüstung von LNG-Terminals
Eine mögliche Lösung für die langfristige Nutzung der Onshore-Terminals an Land besteht in der Umrüstung ihrer Komponenten auf potenziell klimaneutrale Energieträger wie flüssigen Wasserstoff oder flüssiges Ammoniak. Deren physikalische Eigenschaften bringen jedoch bestimmte technische Herausforderungen mit sich. Das Know-how über die Umrüstungskosten von LNG-Terminals ist ebenfalls begrenzt.
Vor diesem Hintergrund beleuchtet die Studie des Fraunhofer ISI »Conversion of LNG Terminals for Liquid Hydrogen or Ammonia« die technische Machbarkeit der Umrüstung von LNG-Terminals unter wirtschaftlichen Aspekten mittels einer Literaturrecherche, die durch ein Dutzend Interviews mit Experten aus Wissenschaft und Industrie ergänzt wurde.
Umrüstung der LNG-Terminals ist bereits bei der Planung zu berücksichtigen
Sowohl Ammoniak als auch flüssiger Wasserstoff stellen die Terminalinfrastruktur vor technische Herausforderungen. Ammoniak hat eine günstigere Siedetemperatur als LNG und daher geringere Anforderungen an die thermische Isolation, ist aber korrosiv und giftig. Flüssiger Wasserstoff hingegen hat einen noch niedrigeren Siedepunkt als LNG, kann Materialversprödung verursachen und geht aufgrund des Explosionsrisikos mit hohen Sicherheitsanforderungen einher.
LNG-Terminals bestehen aus mehreren Komponenten wie einem Lagertank, Kompressoren und Pumpen. Der Speichertank ist mit Abstand das teuerste Bauteil. Um hohe Neuinvestitionen zu vermeiden, sollte die Umstellung auf Ammoniak oder flüssigen Wasserstoff bereits bei der Planung der Terminals berücksichtigt werden, beispielsweise durch den Einsatz spezieller Edelstähle.
Laut Schätzungen lassen sich von den Investitionskosten, die für den Bau des LNG-Terminals ursprünglich anfielen, etwa 70 Prozent bei der Umrüstung in ein Ammoniak-Terminal übertragen. Bei flüssigem Wasserstoff ist neben der Materialkompatibilität eine zusätzliche thermische Isolierung des Tanks erforderlich oder es muss ein höherer Boil-off in Kauf genommen werden.
Die wirtschaftlichen Auswirkungen sind schwieriger abzuschätzen, da es an Erfahrungen mit Infrastrukturen im industriellen Großmaßstab fehlt. Durch die hohen Kosten des LNG-Tanks ist jedoch davon auszugehen, dass sich etwa 50 Prozent der ursprünglich in das LNG-Terminal investierten Kosten übertragen lassen. Dazu ist beim Bau des Tanks die Materialverträglichkeit zu berücksichtigen.
Wechsel zwischen Energieträgern erfordern erhebliche Anpassungen der LNG-Infrastruktur
Auch wenn die LNG-Infrastruktur manchmal im Hinblick auf die künftige Verwendung von Ammoniak oder Wasserstoff als » ready/bereit« gilt, erfordert die Umstellung dennoch erhebliche technische Anpassungen und zieht zum Teil erhebliche Kosten nach sich. Es ist nicht ohne Anpassungen möglich, die entsprechenden Terminalkomponenten gleichzeitig mit verschiedenen Energieträgern zu betreiben oder flexibel von einem zum anderen zu wechseln.
Im Falle von Flüssigwasserstoff führen das Fehlen praktischer Anwendungen im großindustriellen Maßstab und die geringe oder fehlende Nachfrage bzw. der fehlende Markt für Flüssigwasserstoff zu weiteren Unwägbarkeiten.
Matia Riemer, Ko-Autorin der Studie, unterstreicht die Ungewissheit bei der Frage, ob sich die LNG-Importterminals weiterhin in klimaneutralen Energiesystemen einsetzen lassen: »Derzeit ist unklar, ob die Terminals mit ihren hohen Investitionskosten in Zukunft weiter nutzbar sind. Um dieses Risiko gering zu halten, sollte bereits in der Planungsphase der LNG-Terminals ein Konzept für deren Umstellung auf andere Energieträger erstellt und bei der Material- und Standortwahl berücksichtigt werden.«
Umrüstung von LNG-Terminals hängt auch von Standort und Infrastruktur ab
Dr. Florian Schreiner, der das Projekt am Fraunhofer ISI koordiniert hat, erklärt: »Die Frage nach der Machbarkeit der Umrüstung von LNG-Terminals auf Flüssigwasserstoff- oder Ammoniak-Terminals hängt von vielen Faktoren ab. Zum einen ist die künftige Nachfrage nach beiden Energieträgern ungewiss und wir benötigen verlässlichere Bedarfsprognosen, um die Planungssicherheit zu verbessern. Darüber hinaus hängt die Machbarkeit auch von individuellen Merkmalen der Terminals und ihren Standorten ab. So können zum Beispiel Industrieparks in der Nähe zum Austausch wertvoller „Energieabfallströme“ beitragen oder bieten Verteilinfrastrukturen wie Pipelines, was ein wichtiges Kriterium sein kann«.
Die Infrastruktur wird über Jahrzehnte genutzt und spielt eine wichtige Rolle im Rahmen des Umbaus des Energiesystems hin zu einer klimaneutralen Zukunft. Das Zusammenbringen von Industrie, Infrastrukturentwicklern, Wissenschaft, Politik und anderen Stakeholdern ist daher unabdingbar. Nur so lässt sich eine langfristige Festlegung auf die fossile Infrastruktur vermeiden und die Planungssicherheit für Investoren verbessern.
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