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IASS-Studie: Breite Unterstützung für die Energiewende – aber Unzufriedenheit über die Politik der Bundesregierung

Energiewende
Haben die Fridays for Future-Demonstrationen Auswirkungen auf die Meinungsbildung der Deutschen zur Energiewende? Das IASS-Nachhaltigkeitsbarometer lässt dies offen, konstatiert aber eine zunehmende Unzufriedenheit der Menschen in Deutschland mit der Energiewendepolitik der Bundesregierung. (Bild: NiklasPntk /PIxabay)

Soziales Nachhaltigkeitsbarometer 2019 des Institute for Advanced Sustainability Studies e.V. (IASS)

Die Diskrepanz zwischen allgemeiner Zustimmung zur Energiewende und Bewertung der Umsetzung nimmt im Jahresvergleich weiter zu: Acht von zehn Menschen in Deutschland unterstützen die Idee der Energiewende als Gemeinschaftswerk und den Ausbau der erneuerbaren Energien. Mehr als zwei Drittel sind jedoch mit der Energiewendepolitik der Bundesregierung unzufrieden.

Das dritte Soziale Nachhaltigkeitsbarometer der Energiewende (Erhebungen in über 6500 Haushalten in 2017, 2018 und 2019) zeigt: Die überwiegende Mehrheit der in Deutschland lebenden Bevölkerung unterstützt die zentralen politischen Ziele der Energiewende. Die Kritik an der Umsetzung nimmt jedoch im Vergleich zu 2018 erneut zu. Deutlich mehr Menschen als vor zwei Jahren bezeichnen die Energiewende als teuer (78 % aller Befragten; plus 3 Prozentpunkte), chaotisch (66 %; plus 6 Prozentpunkte), ungerecht (56 %; plus 5 Prozentpunkte) sowie elitär (51 %; plus 4 Prozentpunkte).

„Zunehmend geringeres Vertrauen der Menschen zu den politischen Akteuren“

„Dass die Diskrepanz zwischen der allgemeinen Zustimmung zu den Zielen der Energiewende einerseits und der Bewertung der Umsetzung andererseits so deutlich ist und über die Jahre sogar noch zunimmt, ist höchst überraschend“, sagt Professor Ortwin Renn, wissenschaftlicher Direktor am Institut für Transformative Nachhaltigkeitsforschung (IASS) in Potsdam. „Denn Vergleichbares erleben wir bei Befragungen sehr selten. Wir können uns dies nur so erklären, dass die Menschen zu den politischen Akteuren zunehmend geringeres Vertrauen haben.“

Auffällig ist, wie gering die Menschen ihre eigenen Mitwirkungsmöglichkeiten einschätzen. Nur jeder Fünfte erkennt die Möglichkeit, bei der Energiewende Einfluss zu nehmen und mitzusprechen.

„Gemeinschaftswerk Energiewende droht zu leerem Versprechen zu werden“

„Weil das so ist, droht das viel beschworene Gemeinschaftswerk Energiewende zu einem leeren Versprechen zu werden,“ sagt Stephan Muschick, Geschäftsführer der innogy Stiftung für Energie und Gesellschaft“. „Die Politik wäre gut beraten, hier umzulenken, und die Energiewende wieder zu einem Projekt zu machen, zu dem sich die Menschen zum Mitmachen eingeladen fühlen.“

Das Soziale Nachhaltigkeitsbarometer zeigt aber auch, dass die Menschen mehrheitlich mehr Windenergie an Land wollen, fast zwei Drittel unterstützen den Kohleausstieg, und mehr als die Hälfte der Befragten ist prinzipiell bereit, für den Klimaschutz höhere Energiekosten zu tragen. Allerdings vertreten die Menschen klare Ansichten darüber, wie die Mehreinnahmen aus einem CO2-Preis zu verwenden seien. 60 % lehnen es ab, dass die Mittel in den Bundeshaushalt fließen, aber auch eine Rückzahlung an die Bürgerinnen und Bürger wird skeptisch gesehen. Die deutliche Mehrheit spricht sich dafür aus, dass die Einnahmen für Investitionen in ein klimafreundliches Verkehrssystem und den Ausbau von erneuerbaren Energien investiert werden.

„Herbe Kritik der Menschen absolut nachvollziehbar“

„Dies ist nur eines von mehreren Indizien dafür, dass viele politische Entscheidungen der Energiewende nicht den Präferenzen der Menschen entsprechen. Hier liegt wohl auch ein wichtiger Grund für die große Unzufriedenheit der Menschen mit der Energiewendepolitik der Bundesregierung. Wenn mehr als 80 % der Menschen einen Ausbau von Solardachanlagen wünschen, die Große Koalition aber aufgrund von parteipolitischen Erwägungen die Sonnenenergie weiter begrenzt, dann ist die herbe Kritik der Menschen absolut nachvollziehbar“, kommentiert René Mono, Vorstand der 100 prozent erneuerbar stiftung.

Insgesamt zeigen die Ergebnisse, dass die Menschen in Deutschland einen differenzierten Blick auf Energiewende haben. Ingo Wolf, Autor der Studie und Senior wissenschaftlicher Mitarbeiter am IASS, fasst zusammen: „Sie sind mehrheitlich bereit, Mehrkosten zu tragen und Maßnahmen zu akzeptieren, die einen effektiven Beitrag zur Emissionsminderung und einem nachhaltigen Klimaschutz leisten. Gleichzeitig erwarten sie von den politischen Akteuren ein rasches, zielgerichtetes und sozial gerechtes Vorgehen sowie bessere Möglichkeiten der Mitsprache und Teilhabe an energiepolitischen Entscheidungen. Diese Erwartungen werden jedoch bislang noch nicht ausreichend erfüllt und tragen wesentlich zur aktuellen Unzufriedenheit in der Bevölkerung bei.“

Interaktives Online-Barometer mit Umfragedaten aller drei Studien

Wie sich die unterschiedlichen Umfragewerte „lesen“ lassen, kann sich jeder selbst an seinem PC oder Laptop über ein interaktives Onlinetool anschauen (Deeplink: https://www.iass-potsdam.de/de/barometer/data-explorer/). Wer hat in welcher Region Deutschlands beispielsweise vor, in den nächsten zwei Jahren entweder alleine oder gemeinsam mit anderen in eine eigene Solar- oder Windanlage zu investieren? Dies und viele andere Fragen kann an einer interaktiven Karte für verschiedene Haushaltsgrößen überprüft werden.

Kontakt:
Matthias Tang
Presse & Kommunikation
Tel. +49 (0)331 288 22-340
E-Mail matthias.tang@iass-potsdam.de

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