„Leider gibt es noch Punkte , die sehr hinderlich im Wasserstoff-Hochlauf sind“
Am 5.-7. September 2023 findet im Oldenburger Schloss die Wasserstoff-Konferenz beyondgas2023 statt. Der Zeitpunkt für den fachlichen Austausch könnte besser nicht sein, denn unter dem Druck veränderter globaler Rahmenbedingungen für die Energieversorgung hierzulande hat sich die deutsche Politik bewegt. Mit der Fortschreibung der Nationalen Wasserstoffstrategie gibt die Bundesregierung dem Wasserstoff als Zukunftsenergieträge eine rechtliche Basis, die ihrer Bedeutung gerecht wird. Oder nicht? Darüber wird in Oldenburg trefflich gestritten werden. energie.blog wollte vorab eine fundierte Meinung einholen und fragte Branchenkenner Dr. Peter Rügge, Geschäftsführer der beyondgas AG & Co. KG und Mitorganisator der Konferenz: Wo steht der Wasserstoff-Hochlauf?
e.b: Vor kurzem hat das Bundeskabinett die Fortschreibung der Nationalen Wasserstoffstrategie (NWS) beschlossen. Aus der Fachwelt gab es Lob und Kritik. Wie fällt Ihre Einschätzung aus?
Rügge: Die NWS trägt in Teilen dem gestiegenen Ambitionsniveau auf dem Weg zur Klimaneutralität. Eine Importstrategie, deutlich erhöhte Erzeugung im Inland sowie eine geänderte Farbenlehre helfen die Angebotssituation von Wasserstoff zu erweitern. Die größere Technologieoffenheit stützt dieses. Spannend bleibt die weitere Entwicklung im Wärmebereich in Zusammenhang mit der kommunalen Wärmeplanung hätte aus meiner Sicht deutlich konkretisierter sein müssen.
Die Impulse für die Transport- und Verteilnetz-Infrastruktur sind gut, ich meine aber, dass hier deutlich mehr Ehrgeiz besser gewesen wäre.
e.b: Wann rechnen Sie mit der Verabschiedung des geplanten Wasserstoffbeschleunigungsgesetzes? Welche inhaltlichen Erwartungen verknüpfen Sie damit?
Rügge: Aktuell wird im Rahmen der vom BMBF geförderten Wasserstoffleitprojekte untersucht, wie Beschleunigungsmaßnahmen aussehen könnten. Die Untersuchung sollte ja noch vor der Sommerpause an das BMWK adressiert werden und als Grundlage für das noch dieses Jahr geplante Wasserstoffbeschleunigungsgesetz fungieren. Mögliche Beschleunigungsmaßnahmen im Wasserstoffbeschleunigungsgesetz könnten denen des LNG-Beschleunigungsgesetzes ähneln.
„Ein wichtiges Thema ist der Wasserstoffpreis“
e.b: Vor einem Jahr wurde die Politik auf der beyondgas-Konferenz in vielen Vortrags- und Diskussionsbeiträgen hart kritisiert. Sind wir ein Jahr später sehr viel weiter? Wo steht der Wasserstoff-Hochlauf aktuell?
Rügge: Die Kritik in den vielen Beiträgen auf beyondgas2022 war natürlich gerechtfertigt. Mit den Änderungen im EnWG, der Aktualisierung der NWS und den potenziell im Herbst kommenden weiteren gesetzlichen Vorgaben werden Teile dieser Kritik erledigt – aber auch nicht alle. Leider ist es so, dass es noch Punkte gibt, die sehr hinderlich im Wasserstoff-Hochlauf sind und die ökonomischen Mechanismen herausfordern, teilweise zumindest aus heutiger Sicht mit der aktualisierten Version der NWS konträr laufen. Ein wirklich wichtiges Thema ist der Wasserstoffpreis und kursierende Indizes: Derzeit sind Elektrolyseur-basierte H2-Preise im Bereich von 270 Euro/MWh angesiedelt. Dies hat eine massive Folgewirkung auf die Marktpenetration von Wasserstoff – im Sinne der Substitutionskonkurrenz von z.B. Erdgas und dem dortigen Großhandelspreis plus CO2-Zertifikatspreis je MWh. Themen wie diese müssen konsequent betrachtet werden und bergen auch in verschiedenen Bereichen erhebliche Risiken.
Energiewirtschaft hat großen Schritt in Richtung H2-Umstellung getan
e.b: Welche Bedeutung hat das Thema Wasserstoff für Stadtwerke?
Rügge: Wasserstoff ist als Substitut für Erdgas zu betrachten und ermöglicht es den Stadtwerken, zum Erreichen der CO2-Ziele als Beitrag zum Klimaschutz enorm beizutragen. In nahezu allen Anwendungsbereichen von Erdgas kann Wasserstoff als Substitutions-Energieträger eingesetzt werden. Die Planung für die Umstellung im Wärmebereich soll nun auf kommunaler Ebene, in der Stadtwerke agieren, durch die „Kommunale Wärmeplanung“ angegangen werden. Insofern ist die Bedeutung sehr groß. Erste Stadtwerke haben bei uns bereits angefragt, ob wir sie in der Strukturierung von ersten H2-Vertriebsprodukten, z.B. im Sinne von bilanziellen Geschäften, beraten können. Weitere konkrete Umsetzungsbeispiele sind die vielen H2-Tankstellenprojekte, die sich in der Umsetzung befinden oder bereits umgesetzt wurden. Mit der H2Vort-Initiative und dem Gasnetzgebietstransformationsplan hat die kommunale Energiewirtschaft einen großen Schritt in Richtung Umstellung auf H2 getan. Zu allen Fragen informiert unser Kongress beyondgas2023 umfassend.
e.b: Wie nehmen Sie die aktuelle Stimmung in der Wasserstoff-Branche wahr? Stehen die Zeichen auf Aufbruch? Was bedeutet die aktuelle Situation für die beyondgas2023-Konferenz?
Rügge: Die aufkommende Dynamik verändert natürlich das Stimmungsbild. Dennoch bin ich etwas verhaltender, da noch einige Bausteine fehlen oder andere, bestehende noch verbessert werden müssen, um ein wirklich zufriedenstellendes Bild zu haben. Aktuell haben die Marktteilnehmer und Teilnehmer von beyondgas2023 ein ungehemmtes Informations- und Austauschbedürfnis zu allen Fragen des Wasserstoffmarktes – dem kommt die Veranstaltung auf jeden Fall nach.
„Zehn dänische Unternehmen freuen sich auf deutsche Partner“
e.b: Was ist gegenüber dem Vorjahr neu/anders bei der Neuauflage von beyondgas dieses Jahr? Warum lohnt sich die Teilnahme?
Rügge: Mit mehr als 65 Beiträgen zu unseren Fokusthemen H2-Politik, H2-Regulierung und 360-Grad-Perspektive auf den H2-Markt sowie dem wirklich tollen Partnerland Dänemark lohnt sich die Teilnahme auf jeden Fall. Das Motto von beyondgas2023 lautet: „Wege öffnen für die Wasserstoff-Ökonomie“ und bezieht sich darauf, dass wir diese grundlegenden Mechanismen besprechen und daran arbeiten müssen. Das ist noch ungeheuer viel Arbeit. Wir freuen uns mit den relevanten Stakeholdern die Wege von Wasserstoff in der Energiepolitik und der Regulierung anhand aktueller gesetzlicher Vorgaben diskutieren zu können. Für viele unserer Teilnehmer sind jedoch die vielen Fachvorträge entlang der H2-Wertschöpfungskette wichtig, da die Erkenntnisse daraus unmittelbare Relevanz für eigene Projekte haben. Außerdem freuen sich zehn dänische Unternehmen, deutsche Partner kennenzulernen und über den Austausch auch die dänisch-deutsche Zusammenarbeit, die beide Länder ja vereinbart haben, umzusetzen.
e.b: Herr Dr. Rügge, vielen Dank für das Gespräch!