Karnevalsknigge für Führungskräfte: Fünf-Punkte-Plan für die fünfte Jahreszeit
Die »fünfte Jahreszeit« steht kurz vor ihrem Höhepunkt. Zwar mögen einige Jecken glauben, dass in der Zeit zwischen Weiberfastnacht und Aschermittwoch die Regeln des Arbeitsverhältnisses (und manchmal nicht nur diese) außer Kraft gesetzt seien. Das diesjährige Düsseldorfer Karnevalsmotto »Gemeinsam Jeck« sollten Arbeitnehmer und Führungskräfte allerdings nicht wörtlich nehmen. Eine Narrenfreiheit während der tollen Tage gibt es auch im Büro nicht. Oliver Flesch, Fachanwalt für Arbeitsrecht beim DFK – Verband für Fach- und Führungskräfte, gibt dazu wichtige Hinweise.
Urlaub
Die klassischen Karnevalstage sind ganz normale Arbeitstage und keine gesetzlichen Feiertage. Dies bedeutet: Wer feiern will, muss Urlaub nehmen. Eine Selbstbeurlaubung kennt das deutsche Urlaubsrecht nicht. Wer dies missachtet und ohne Zustimmung des Arbeitgebers seinen Arbeitsplatz verlässt, zu Hause bleibt oder grundlos »krank feiert, muss mit einer Abmahnung oder sogar mit einer Kündigung rechnen. Ein erkrankter Arbeitnehmer im Krankengeldbezug kann sich auch nicht darauf berufen, dass die Praxis seines behandelnden Arztes am Rosenmontag geschlossen und es ihm deswegen nicht möglich sei, seine Arbeitsunfähigkeit nahtlos zu belegen«, so Fachanwalt Flesch. Nach dem Sozialgericht Koblenz (S 11 KR 128/17 ER) muss der erkrankte Arbeitnehmer in einem solchen Fall sich an einen Vertretungsarzt oder notfalls an ein Krankenhaus wenden, um eine wirksame Verlängerung seiner Arbeitsunfähigkeit zu erhalten.
Einige Unternehmen gewähren ihren Arbeitnehmern z.B. am Rosenmontag einen freien Tag. In der Regel handelt es sich dabei um eine freiwillige Leistung des Arbeitgebers. Wenn jedoch der Arbeitgeber in der Vergangenheit solche Tage regelmäßig von der Arbeitspflicht ausgenommen und nicht klargestellt hat, dass er dies freiwillig tut, kann nach den Grundsätzen der so genannten betrieblichen Übung auch für die Zukunft ein Anspruch auf den freien Tag für die Arbeitnehmer entstehen.
Arbeitgeber, die das vermeiden wollen, werden z.B. folgende Formulierung wählen: »In diesem Jahr haben wir uns dazu entschieden, den Betrieb an Rosenmontag (eventuell mit zeitlicher Einschränkung ab 12:00 Uhr) zu schließen. Für das kommende Jahr behalten wir uns eine andere Entscheidung ausdrücklich vor.«
Kostüme am Arbeitsplatz und auf dem Weg zur Arbeit
Auch wenn an den »tollen Tagen« die Zahl der »Superhelden« im Büro steigt, gibt es keinen generellen Anspruch auf Verkleidung zu Karneval.
Das Bundesarbeitsgericht hatte in einer allgemeinen Entscheidung zu Bekleidungsvorschriften („Kopftuch-Fall“) bereits ausgeführt, dass ein Arbeitgeber von seinen Arbeitnehmern mit Kundenkontakt erwarten kann, sich dem Charakter des Handelsgeschäfts und dessen Kundenstamm entsprechend branchenüblich zu kleiden. Eine solche Pflicht kann durch eine Weisung des Arbeitgebers begründet werden oder sich aus einer vertraglichen Rücksichtnahmepflicht ergeben. »So möchte«“, warnt Flesch, »ein Bankkunde über seine Geldanlage sicher nicht von einem Piraten oder Biene Maja beraten werden. Etwaige Verkleidungen sollten vorher zwischen Unternehmensleitung und Mitarbeitern abgestimmt werden. Ist in dem Betrieb Schutzkleidung vorgeschrieben, kann diese auch nicht mit dem Clownskostüm getauscht werden.«
Auch auf dem Weg zur Arbeit mit dem Auto sollte auf ausladende Kostüme verzichtet werden, um nicht die Sicht und die Bewegungsfreiheit einzuschränken und hier Bußgelder zu riskieren.
Karnevalsbräuche / Fotos
»Vorsicht ist außerdem bei manch typischem Karnevalsbrauchgeboten«, erinnert der Fachanwalt. So ist etwa das Abschneiden der Krawatte eines Arbeitnehmers durch eine Kollegin nur dann erlaubt, wenn das »Opfer« einverstanden ist. Zwar kann sich ein solches Einverständnis aus den Umständen ergeben. Jedoch existieren bereits gerichtliche Entscheidungen, in denen Karnevalisten wegen des Abschneidens einer Krawatte zur Zahlung von Schadenersatz verurteilt wurden oder Abmahnungen riskieren. »Trotzdem sollte man als Mann«, sagt Flesch mit einem Augenzwinkern, »an Weiberfastnacht besser nicht seine Lieblingskrawatte tragen.«
Auch das Hören von Karnevalsmusik gegen die ausdrückliche Anweisung des Vorgesetzten sollte vermieden werden. Falls man Fotos von verkleideten Arbeitnehmern z.B. auf der Firmenhomepage oder Social Media Plattformen veröffentlichen möchte, ist dies nach dem Kunsturhebergesetz (§ 22 KUrhG) nur zulässig, soweit eine Zustimmung des/der Abgebildeten vorliegt. Diese Zustimmung kann nach der Datenschutzgrundverordnung (§ 7 Absatz 3 DSGVO) vom Abgebildeten neuerdings jederzeit widerrufen werden.
Alkohol am Arbeitsplatz
Hinsichtlich des Alkoholkonsums ist zu beachten, dass alle Arbeitnehmer die Pflicht haben, ihre Leistungsfähigkeit und Sicherheit am Arbeitsplatz nicht durch den Alkoholkonsum zu beeinträchtigen. Sie unterliegen der arbeitsvertraglichen Nebenpflicht, einen arbeitsfähigen Zustand aufrecht zu erhalten. Ob während der Arbeitszeit Alkohol getrunken werden darf, legt der Chef / die Chefin fest. Viele Arbeitgeber üben Ihr Direktionsrecht (§ 106 GewO) dahingehend aus, dass sie absolute Alkoholverbote aussprechen. Ansonsten ist ein »Anstoßen« zum Karnevalsauftakt nicht genehmigungspflichtig – es sei denn sicherheitsrelevante Bereiche sind betroffen.
Bützje und anzügliche Witze
In Karnevalshochburgen ist ein »Bützje« ein Küsschen von Frauen auf die Wange von Männern. Als Mann sollte man ein solches Bützje und das diesjährige Karnevalsmotto von Düsseldorf (»Gemeinsam Jeck!«) nicht fehlinterpretieren und sofort als Aufforderung zu »mehr« sehen. Die Betriebsfeier ist nicht geeignet, sich gehen zu lassen und sich haptische Eindrücke von Beobachtungen zu verschaffen. Gerade Führungskräfte sollten sich zurückhalten. Denn als sexuelle Belästigung sind nach § 3 des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes (AGG) z.B. alle unerwünschten sexuellen Handlungen, z.B. Begrabschen, Bemerkungen sexuellen Inhalts, anzügliche Witze, sexuell bestimmte körperliche Berührungen anzusehen. So hat das Bundesarbeitsgericht entschieden, dass eine sexuelle Belästigung nach § 3 AGG eine Verletzung vertraglicher Pflichten darstellt und als wichtiger Grund für eine außerordentliche Kündigung geeignet sein kann (abhängig von Umfang und Intensität). Vielen Arbeitgebern und Führungskräften ist nicht bewusst, dass sie bezüglich der Vermeidung von sexuellen Belästigungen nach gesetzlich verpflichtet sind, solche Verhaltensweisen von Beschäftigten zu unterbinden und zu sanktionieren (Abmahnung, Umsetzung, Versetzung, Kündigung). »Darauf«, so mahnt der Fachanwalt für Arbeitsrecht, »muss man als Chef/in achten. Das ist kein Kavaliersdelikt!«
Oliver Flesch fasst die Regeln für die tollen Tage so zusammen: »Karneval setzt das Arbeitsrecht nicht außer Kraft. Wenn Sie als Führungskraft jegliche Karnevalsaktivitäten unterbinden, kann dies die Mitarbeitermotivation beeinträchtigen. Sprechen sie daher etwaige Rahmenbedingungen vorher ab. Für alle Beschäftigten gilt, dass man Blackouts vermeiden und wissen sollte, wo die Stromverbindung zum Verstand wiederzufinden ist.«
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