Digitalisierung der Wärmenetze steckt noch in den Kinderschuhen
Was die Strombranche kann, geht auch bei der Wärme: dezentralisierte Erzeugung und digitalisiertes Bereitstellen von Energie. „Im Wärmesektor ist das noch nicht so verbreitet“, sagt Dr. Jürgen Roes vom Lehrstuhl Energietechnik (LET) der Universität Duisburg-Essen (UDE). Der LET hat mit zwei regionalen Projektpartnern die Digitalisierung der Wärmenetze in Deutschland untersucht.
Befragt wurden 46 Fernwärmeversorger aus dreizehn Bundesländern. Über die Hälfte sieht die Wärmeverluste im Netzbetrieb als größtes Problem, viele klagen über undichte Stellen oder Probleme in der Hydraulik und beim Druck. „Vieles könnte über den Einsatz von Software schneller behoben werden“, so Jürgen Roes.
Von nur wenigen Wärmenetzen gibt es einen digitalen Zwilling
In Ansätzen verfolgen knapp 80 % der befragten Unternehmen den digitalen Weg. Sie bilden ihr Netz mit Software-Tools nach. „Allerdings simulieren etwa nur zwölf von ihnen regelmäßig den Netzbetrieb, eine nicht zu unterschätzende Zahl gar nicht“, sagt Roes. Die Simulation mit einem „Digital Twin“ (Digitaler Zwilling) mache den Zustand jedoch verständlicher. Damit lassen sich unter anderem Wärme- und Druckverluste abbilden und der Netzbetrieb optimieren.
In Deutschland setzen große Netzbetreiber inzwischen vermehrt auf erneuerbare Energien. „Das ist eine Herausforderung, denn sie können nicht immer regelmäßig eingespeist werden“, sagt Lehrstuhlmitarbeiter Dr. Nicolas Witte-Humperdinck. Wenn beispielsweise die Sonne nicht scheint, lieferten auch Solarthermieanlagen keine Wärme. „Damit kommt es zu unvermeidbaren saisonalen Schwankungen in der erneuerbaren Erzeugung. Wie sie sich auf die Effizienz auswirken, kann etwa durch die Betriebssimulationen abgebildet werden.“
Transparenz hilft der Wirtschaftlichkeit auf die Sprünge
Die Bereitschaft, in die Digitalisierung der Wärmenetze zu investieren, hängt besonders davon ab, was die Versorger über den Netzzustand wissen möchten. „Die Investitionsbereitschaft ist vor allem bei Unternehmen hoch, die insgesamt digitaler aufgestellt sind“, sagt Witte-Humperdinck. Dabei sei es auch betriebswirtschaftlich wichtig, mehr vom eigenen Wärmenetz zu kennen. „Je mehr Messstellen es im Netz gibt, desto kürzer sind die benötigten Wartungs- oder Reaktionszeiten bei Ausfällen und desto zufriedener die Kundschaft.“