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Dr. Michael Weise (BBH): »Neue SMGW-Anforderungen sind Kostentreiber«

MsbG - Warten auf die Zertifizierung von Smart Meter Gatewasy - kein Licht am Ende des Tunnels
Noch kein Licht am Ende des Tunnels bei der Zertifizierung der Smart Meter Gateways für intelligente Messsysteme. Das Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik hat weitere sicherheitsrelevante Aspekte wie den Geräteauslieferungsprozess als Prüf- und Zertifizierungsgegenstand entdeckt (Bild: Engin_Akyurt Pixabay).

»Halte MsbG-Nachjustierungen für zwingend erforderlich«

Als »ärgerlich« für Hersteller und Anwender bezeichnet Rechtsanwalt Dr. Michael Weise von der Kanzlei Becker Büttner Held (BBH) im energie.blog-Interview die Verzögerungen bei der Zertifizierung der Smart Meter Gateways (SMGW). Für das Vorgehen des Bundesamtes für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI), das nun auch Sicherheitsanforderungen an den Auslieferungsprozess stellt, äußert Weise gleichwohl Verständnis, warnt aber vor zusätzlichem Aufwand. Er habe »erhebliche Zweifel, ob diese Kosten zur Gewährleistung eines sicheren Auslieferungsprozesses in der Kosten-Nutzen-Analyse berücksichtigt wurden«. Weise plädiert für Nachjustierungen des Messstellenbetriebsgesetzes (MsbG). Die Rechtsfolgen, die das MsbG an die Feststellung der Marktverfügbarkeit knüpft, seien erheblich. Die Feststellung müsse den Charakter eines Verwaltungsaktes haben und Rechtsschutz ermöglichen. Außerdem mahnt der Jurist eine bessere Koordination in der Zusammenarbeit der zuständigen Behörden an.

Dr. Michael Weise, BBH

energie.blog: Wie bewerten Sie es, dass sich die Ausstellung von BSI-Zertifikaten für Smart Meter Gateways (SMGW) und damit der Start des Rollouts intelligenter Messsysteme weiter verzögern?

Weise: Die Verzögerung ist – vorsichtig gesagt – ärgerlich, und zwar sowohl für die Hersteller- als auch die Anwenderseite. Dabei fällt es schwer, hier einen »Schuldigen« auszumachen. Ich denke, es ist – wie so häufig im Leben – nicht monokausal zu erklären. Meiner Ansicht nach sind die Verzögerungen das Ergebnis einer unglücklichen Kombination aus 1.) einer erheblichen Anzahl von betroffenen Institutionen, Behörden und Interessen (BSI, PTB, BNetzA usw…), 2.) der fehlenden Synchronisation von technischen Entwicklungen und gesetzlichen Vorgaben und 3.) einer fehlenden (echten) »Projektsteuerung«. Der Smart Meter Rollout ist eine nicht nur technisch, sondern auch administrativ, prozessual und organisatorisch enorme Herausforderung. Betroffene Unternehmen gehen das Thema daher in der Regel in Projektform an – warum macht man das nicht auch auf der normativen Seite?

»Was kommt noch? Kastenwagen, die zu Geldtransportern umgebaut werden müssen?«

energie.blog: Das BSI nimmt neuerdings auch Randbedingungen wie die Auslieferungsprozesse der SMGW unter die Lupe. Schießt die Bundesbehörde damit über das Ziel hinaus? Wo wäre eine vernünftige Grenze?

Weise: Aus der Perspektive des BSI ist es konsequent, auch Sicherheitsanforderungen an den Auslieferungsprozess zu stellen. Man kann deshalb nicht pauschal sagen, dass das BSI damit »über das Ziel hinausschießt«. Wenn die Prämisse lautet, dass von der Herstellung des Smart-Meter-Gateway bis zum Einbau beim Anschlussnutzer ein durchgängiges Niveau an Sicherheit (im Sinne eines Schutzes vor manipulativen Eingriffen) gewährleistet sein muss, ist der Scope sachlich nachvollziehbar. Klar ist aber auch, dass dies zu einer weiteren Kostenbelastung für den Rollout führen wird. Was wird kommen?  Baumaßnahmen zur Ertüchtigung des Zählerlagers? Anschaffung von speziellen »Gateway-Boxen« (die mit Handschellen am Handgelenk des Zählermeisters befestigt sind)? Kastenwagen, die zu »Geldtransportern« umgebaut werden müssen?  Ich übertreibe hier (hoffentlich). Aus Sicht der einbau- und rollout-verpflichteten grundzuständigen Messstellenbetreiber sind diese (neuen) Anforderungen aber weitere Kostentreiber. Ich hoffe daher auf ein vernünftiges Augenmaß  des BSI und der weiteren Beteiligten, die diese  Sicherheitsanforderungen entwickeln. Ich habe im Übrigen erhebliche Zweifel, ob diese Kosten zur Gewährleistung eines sicheren Auslieferungsprozesses in der Kosten-Nutzen-Analyse (und der Festlegung der Preisobergrenzen) berücksichtigt wurden. Es ist aus meiner Sicht dringend geboten, die Preisobergrenzen zur hinterfragen. Ich vermute, man hat die Komplexität des gesamten Themas Smart Metering (v.a. mit seinen prozessualen Auswirkungen) unterschätzt – wir sind heute in einer anderen Welt als in 2013 (KNA) oder 2016 (MsbG). Ich halte Nachjustierungen des MsbG für zwingend erforderlich.

»Paragraph 30 MsbG ist in der Tat nicht unproblematisch«

energie.blog: Ist Paragraph 30 des Messstellenbetriebsgesetzes (MsbG) zu Ende gedacht? Denn es wird drei Unternehmen geben, die anfangs ggf. für längere Zeit allein auf dem Markt agieren können, während den anderen bis auf Weiteres die Hände gebunden sind. Wie wirkt sich der uneinheitliche Startzeitpunkt auf den Markterfolg der Hersteller aus?

Weise: Paragraph 30 MsbG ist in der Tat nicht unproblematisch. Am Ende wird entscheidend sein, wie das BSI mit dieser »Kompetenz« umgeht und auf welcher Grundlage und mit welchem Inhalt es die »Marktverfügbarkeit« feststellt und veröffentlicht. Die Rechtsfolgen, die das MsbG an die Feststellung der Marktverfügbarkeit knüpft, sind erheblich! Es wird die Mindestrolloutquote für intelligente Messsysteme in Gang gesetzt  (45 Abs. 2 Nr. 1 MsbG), und der Einbau nicht zertifizierter Messsysteme ist ab dem Zeitpunkt der Marktverfügbarkeit verboten (§ 19 Abs. 5 MsbG). Aufgrund dieser (erheblichen) Regelungswirkung ist davon auszugehen, dass diese Feststellung den Charakter eines Verwaltungsaktes (im Sinne einer Allgemeinverfügung) hat – Rechtsschutz muss damit möglich sein. In welcher Form und in welcher Tiefe eine (gerichtliche) Überprüfbarkeit der Feststellung des BSI erfolgen kann, bedarf noch näherer Prüfung; hier müssen wir uns auch auf die Erklärung zur Marktverfügbarkeit gedulden. Es ist dem BSI in jedem Falle zu empfehlen, die Entscheidung zur Marktverfügbarkeit mit größter Sorgfalt zu treffen. Meines Erachtens müssen auch Produktionskapazitäten der Hersteller unter Berücksichtigung vorab bestehender Lieferverpflichtungen eine ganz maßgebliche Rolle spielen. Es darf nicht passieren, dass die Marktverfügbarkeit festgestellt ist, de facto aber Gateways nicht gekauft werden können, weil Produktionskapazitäten nicht ausreichend oder bereits reserviert sind (von »Großabnehmern«).

»Gründlichkeit hat Vorrang vor Herstellerinteressen«

energie.blog: Jeder der SMGW-Hersteller hat einen hohen sechs- wenn nicht gar siebenstelligen Euro-Betrag investiert, um die Geräte zu entwickeln, regelkonform auszugestalten und Produktionslinien aufzubauen. Es steht für die Anbieter also immens viel auf dem Spiel. Doch eine Bundesbehörde, die zumindest aus externer Warte wie eine Black Box agiert, entscheidet, wer früher loslegen darf und wer noch warten muss. Ist dieses Verfahren juristisch angreifbar oder nur gefühlt ungerecht?

Weise: Ich denke, hier überwiegt das Gefühl. Mit intelligenten Messsystemen schaffen wir eine empfindliche Infrastruktur; ein Höchstmaß an Sicherheit wird hier zurecht eingefordert. Insbesondere wenn wir perspektivisch darüber sprechen, dass Gateways auch Steuersignale empfangen und verarbeiten, ist das Thema heikel. »Deutsche Gründlichkeit“ hat daher m.E. grundsätzlich Vorrang vor (auch berechtigten) Herstellerinteressen. Den Herstellern war klar, dass sie Hardware für den Einsatz in regulierten Medien entwickeln und dass die Sicherheitsanforderungen hoch sind. Eine gewisse Leidensfähigkeit muss daher eingepreist sein. Aber die Hersteller dürfen erwarten, dass die Verfahren zur Überprüfung und Zertifizierung effizient durchgeführt werden und dass die zuständigen Behörden abgestimmt vorgehen – hier ist (gefühlt und aus der Ferne bewertet) noch Luft nach oben.

energie.blog: Sollte das BSI transparenter über den Stand des Zertifizierungsverfahrens informieren, statt sich auf die Position der Vertraulichkeit zurückzuziehen – siehe energie.blog-Interview?

Weise: Transparenz ist sicher wichtig, die hat aber auch Grenzen. Ich gehe davon aus, dass das BSI sorgfältig abwägt zwischen dem (Markt-)Interesse an Informationen und Transparenz und der notwendigen Vertraulichkeit, soweit es um Wettbewerbsrelevanz und Sicherheitsaspekte geht.

»Kauen seit 2009 auf dem Thema Smart Metering herum«

energie.blog: Sie haben das Ohr unmittelbar am Puls des Energiemarktes: Welches Echo registrieren Sie bei Stadtwerken und Messdienstleistern ob der Rollout-Verzögerung?

Weise: Es gibt aus meiner Sicht kein einheitliches Bild. Natürlich gibt es mittlerweile ein gewisses Frustpotential – das ist doch klar! Wir kauen in Deutschland schon seit ca. 2009 auf dem Thema Smart Metering herum, intensiv spätestens seit der EnWG-Novelle 2011. Das MsbG wiederum wird im September schon zwei Jahre alt. Da kommt man natürlich in Versuchung, Vergleiche zu ähnlichen »Digitalisierungs-Projekten« zu ziehen wie zur Maut und zur elektronischen Gesundheitskarte. Zugleich ist doch aber allen klar, dass sich die Energiewirtschaft einer Digitalisierung nicht entziehen kann und darf. Wenn wir einen erfolgreichen Rollout geschafft haben und sich neue Geschäftsmodelle auf dieser Basis entwickeln, blicken wir hoffentlich lachend auf diese holprigen Anfänge zurück.

energie.blog: Ihre Botschaft in der aktuellen Situation.

Weise: Wir schaffen das!

energie.blog: Vielen Dank für das Interview!

Die Fragen wurden schriftlich beantwortet.

Dr. Michael Weise
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Fax +49(0)711 722 47-499
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