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Gasanlagen in der Industrie sind vielfach in einem mangelhaften Zustand

Gasanlagen
Betriebliche Gasanlagen sollten regelmäßig überprüft und von Fachpersonal gewartet werden, raten die Experten der swb Services AG & Co. KG. Ebenso wichtig ist die Dokumentation wichtiger Prozessparameter. (Bild: swb Services)

Per Quick-Check lassen sich Handlungs- und Optimierungsbedarf bei betrieblichen Gasanlagen schnell feststellen

Erdgas ist ein besonders anwendungseffizienter und emissionsarmer Energieträger für die Industrie. Die Nutzung dieser Anwendungsvorteile muss aber Hand in Hand gehen mit einem hohen Sicherheitsstandard der betrieblichen Gasversorgung. Dies liegt in der Regel im Verantwortungsbereich des Betriebsleiters. Durch den sicherheitsbewussten Umgang mit Gasleitungen und den Gasversorgungseinrichtungen an Thermoprozessanlagen, regelmäßige Überprüfungen und frühzeitige Mängelbehebung werden Aufwand und Risiken minimiert. Um alle sicherheitsrelevanten Anforderungen gezielt zu erfüllen, brauchen Sie nicht nur genaue Kenntnisse Ihrer betrieblichen Situation, sondern auch tiefgehende Kenntnisse über den aktuellen Sicherheitslevel Ihrer Gasanlagen und Gasanwendungen.

Oftmals sind sich Betreiber von Gasanlagen auf Werkgelände nicht sicher, in welchem Zustand ihre Gasanlagen und Gasverbraucher sind bzw. ob alle notwendigen Vorschriften und Regelungen an diese auch erfüllt werden. Erdgasanlagen und Erdgasanwendungen befinden sich in der Regel ab dem Anschlusspunkt ihres vorgelagerten Netzbetreibers, in ihrem Eigentum. Hieraus ergibt sich, dass sie als Betreiber dieser Anlagen für deren Betriebssicherheit und Regelwerkskonformität verantwortlich sind.

Welcher Rechtsrahmen ist zu beachten?

Im Rahmen ihrer Verantwortung obliegt ihnen die Einhaltung der relevanten Gesetze, Verordnungen, technischen Vorschriften und allgemein anerkannten Regelwerke. Diese dienen in erster Linie dem Schutz von Menschen, von Sach- und Produktionsgütern sowie der Umwelt.

Die Einhaltung dieser Vorgaben dient sowohl Ihrer Rechtssicherheit als auch Ihrer Haftungssicherheit bei etwaigen Schadenersatzansprüchen (Organisationssicherheit). Denn nur Anlagen, deren Planung, Errichtung, Betrieb und Instandhaltung gemäß den allgemein anerkannten Regeln der Technik erfolgt, erfüllen die rechtlich geforderte Betreibersorgfalt.

Aus betrieblicher Sicht wird durch die Einhaltung der Vorgaben des technischen Regelwerks eine Erhöhung der Funktionssicherheit und damit verbunden der Verfügbarkeit ihrer Erdgasanlagen und Erdgasanwendungen sichergestellt. Dies dient wiederum ihrer Produktionssicherheit und damit verbunden ihrer eigentlichen Kernaufgabe.

Welche Gesetze und Regelwerke sind anzuwenden?

Erdgasanlagen sind im Sinne des Energiewirtschaftsgesetzes (EnWG) bis zur letzten Absperreinrichtung vor der Verbrauchsanlage als Energieanlagen zu betrachten. Daraus resultiert, dass gemäß dem EnWG das DVGW-Regelwerk das für diesen Bereich einzuhaltende technische Regelwerk darstellt. Für Erdgasanwendungen gelten hingegen im Wesentlichen das Produktsicherheitsgesetz (ProdSG) mit seinen Verordnungen sowie die Betriebssicherheitsverordnung (BetrSichV).

Der anzuwendende Geltungsbereich (Abbildung 2) ist im EnWG unter § 3, Nr. 15 beschrieben und erstreckt sich auf Gasanlagen bis einschließlich der letzten Absperreinrichtung vor der Gasverbrauchseinrichtung. Die Anwendung und Einhaltung der allgemein anerkannten Regeln der Technik werden in § 49 Absatz 2 des EnWG gefordert. Wobei das EnWG von der Vermutungsregel ausgeht, dass die allgemein anerkannten Regeln der Technik eingehalten werden, wenn das DVGW-Regelwerk angewendet wird.

Zum Schutz der Beschäftigten bei der Arbeit sind auch für Energieanlagen die Anforderungen des Arbeitsschutzgesetzes und seiner Verordnungen zu beachten. Erläuterungen hierzu können den Vorschiften und Regelwerken der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung (DGUV) entnommen werden.

Gasanlagen

Rechtlicher Rahmen für Erdgasanlagen und Erdgasanwendungen. (Bild: swb Services)

Wie sind Gasverbrauchseinrichtungen und Gasverwendungen definiert?

Unter Gasverbrauchseinrichtungen sind z. B. Thermoprozessanlagen und Kesselanlagen zu verstehen. Diese unterliegen nicht den Regelungen des DVGW. Es gelten die EU-Produktrichtlinien (z. B. EG-Maschinenrichtlinie) wobei hinsichtlich des Inverkehrbringens die Vorgaben des ProdSG und der Maschinenverordnung (9. Produktsicherheitsverordnung) zu beachten sind. In Bezug auf die Verwendung gilt das Arbeitsschutzgesetz (ArbSchG) und die BetrSichV mit den begleitenden Technischen Regeln für Betriebssicherheit (TRBS).

Die Normenreihe DIN EN 746 ist unter der EG-Maschinenrichtlinie mandatiert und legt Sicherheitsanforderungen für industrielle Thermoprozessanlagen fest. Für gasbefeuerte Industrieöfen ist Teil 2 der Norm besonders wichtig.

Kesselanlagen in Industriebetrieben, die der Erzeugung von Prozesswärme und Prozessdampf dienen, sind überwachungsbedürftige Anlagen im Sinne des ProdSG. Dieses Gesetz regelt die Produktanforderungen. Für das Bereitstellen auf dem Markt sind in der Regel die unter dem ProdSG veröffentlichten Maschinenverordnung (9. ProdSV) oder die Druckgeräteverordnung (14. ProdSV) einzuhalten. Die Anforderungen an den Betrieb und die Überwachung regelt die BetrSichV. Prüfungen für einen sicheren Betrieb sind generell von einer zugelassenen Überwachungsstelle (ZÜS) durchzuführen.

Was können Betreiber von Gasanlagen für ihre haftungsrechtliche Entlastung tun?

Zum Einstieg in diese komplexe Thematik wurde von Fachautoren aus dem Anlagen- und Rohrleitungsbau, aus der Gaswirtschaft, von Genehmigungsbehörden und Fachverbänden der sog. „Quick-Check Industrie“ entwickelt, um den Betreiber hinsichtlich seiner Betreiberpflichten zu informieren.

Der Quick-Check soll dem Betreiber von Industriegasanlagen die Möglichkeit bieten, schnell und unkompliziert sein Sicherheitsniveau der betrieblichen Gasverwendung zu testen, um zunächst selbst seinen Handlung- und Optimierungsbedarf zu identifizieren.

Der Quick-Check deckt den kompletten Weg des Erdgases von der Übergabestation über das interne Gasleitungsnetz bis zu den industriellen Verbrauchseinrichtungen ab (Abbildung). Unter Erdgasanlagen versteht man neben erd- und freiverlegten Gasleitungen auf dem Werksgelände auch Anlagen zur Gasdruckregelung, -messung und -odorierung. Diese sind den Gasanwendungen vorgeschaltet, wie z.B. Thermoprozessanlagen, Kesselanlagen, Gasturbinen oder Anlagen zur Beheizung von Werk- und Lagerhallen.

 

Gasanlagen

Beim Quick-Check sind sechs Fragebereiche relevant: 1. Gas-Druckregel- und Messanlagen 2. Gasleitungen auf dem Werksgelände 3. Thermoprozessanlagen 4. Kesselanlagen 5. Arbeitsschutz 6. Betrieb von elektrischen Anlagen. (Bild: swb Services)

Beispiel für desolaten Leitungszustand. (Bild: swb Services)

Jeder Bereich gliedert sich in Themen wie Allgemeines, Dokumentation, Organisation, Qualifikation und technische Ausrüstung. Zu jedem Themengebiet werden ca. 20-30 zum Teil detaillierte sicherheitsrelevante Fragen gestellt. Die Fragen beziehen sich auf Planung und Bau bis hin zu Betrieb und Instandhaltung. So werden alle relevanten Rahmenbedingungen, wie Prozessabläufe, organisatorische Maßnahmen, Qualifikation der Mitarbeiter und technische Daten wie z.B.: Bauart, Werkstoffe, Wartungszustand, Leitungsführung, Kennzeichnung sowie Sicherheits- und Regeltechnik bis hin zum Arbeitsschutz hinterfragt. Die Antworten werden an Hand eines Punktesystems bewertet und ggf.  mit Warnhinweisen zu kritischen Antworten versehen. Jedes Themengebiet kann individuell und anonym behandelt werden. In der Auswertung wird der Status der Bewertung in Form einer Ampel angezeigt. Somit wird das aktuelle Sicherheitsniveau festgestellt. Die Auswertung, inklusive der Handlungsempfehlungen, bekommt der Betreiber direkt nach der Beantwortung der Fragen. Für jeden Bereich steht Ihnen eine eigene Sicherheitsabfrage zur Verfügung, sodass Sie fachkundige Mitarbeiter hinzuziehen und die Bereiche differenziert prüfen können.

Beispiel: Bewertetes Sicherheitsniveau 33% richtig beantwortet. (Bild: swb Services)

Die nach dem Test einsehbare Auswertung liefert schon erste Antworten auf mögliche Defizite. Durch den ausgewerteten Quick-Check und den entsprechenden Warnhinweisen werden Risikofaktoren erkannt. Auf Grundlage der Ergebnisse können dann Maßnahmen zur Sicherheitsoptimierung ergriffen werden. Dazu bieten sich zahlreiche Unternehmen und Fachbetriebe aus der Gaswirtschaft an. Hier sollte man allerdings besonderen Wert auf die Qualifikation der Betriebe legen. Die Maßnahmen beziehen sich beispielsweise auf die Organisation der Zuständigkeiten, die Dokumentation, Erstellung von Gefährdungsbeurteilungen, Betrachtung und Bewertung baulicher/technischer Mängel, wiederkehrende Prüfungen wie z.B Dichtheitsprüfungen an Gasleitungen, Leitungsortung, Qualifikation, Mitarbeiterschulungen usw. Also eine Vielzahl an Themen die bearbeitet werden müssen. Hier wird schnell deutlich, dass hauseigene Ressourcen bezüglich der Umsetzbarkeit schnell an ihre Grenzen geraten.

Dichtheitsprüfung an einer Flanschverbindung, (Bild: Sewerin)

Der Sicherheitsleitfaden

Im Umgang mit Erdgasanlagen und -anwendungen müssen diverse rechtliche Vorgaben und technische Regeln eingehalten werden, von Planung und Bau bis hin zu Betrieb und Instandhaltung. Nur so kann zu jedem Zeitpunkt die Sicherheit von Mitarbeitern und Betrieb sichergestellt werden.

Ab dem Anschlusspunkt Ihres vorgelagerten Netzbetreibers befinden sich Gasleitungen, Gasanlagen und -anwendungen in der Regel in Eigentum des Betreibers und der ist letztendlich für die Sicherheit und den regelwerkskonformen Betrieb verantwortlich.

Aufgrund der Komplexität der Themen vom Gaszähler bis zum Abgaskamin wurde daher ein umfassendes Informations- und Servicetool auf eine online – Plattform gestellt, die nicht nur Grundwissen sondern tiefgreifendes Fachwissen zu allen Bereichen der Erdgasversorgung und -verwendung zur Verfügung stellt – den „swb-Sicherheitsleitfaden“. Der modulare Aufbau des Sicherheitsleitfadens ermöglicht eine gezielte Informationsbeschaffung zu den o.g. Themenbereichen des Quick-Checks. Diesen Praxisbereichen ist zusätzlich übergeordneter Bereich übergeordnet worden – der „Rechtliche Rahmen“ Hier sind insbesondere die Betreiberpflichten und die die rechtlichen Rahmenbedingungen umfassend dargelegt.

Die betriebliche Gasversorgung bringt viele Anforderungen für Unternehmen mit sich. Anlagen und Anwendungen müssen nach aktuellen Vorschriften betrieben werden. Dabei kann der beschriebene Leitfaden zur sicheren Gasversorgung eine wertvolle Orientierungshilfe für den Alltag im täglichen Betriebsablauf sein. Letztendlich bedeutet eine sichere Gasversorgung auch eine Sicherung der Produktion.

Der Leitfaden bietet Ihnen eine große Menge an sicherheitstechnischem Know-how mit fachlich fundierten und praxisgerechten Informationen. Experten aus der Gaswirtschaft sowie von einschlägigen Fachfirmen und Verbänden entwickelten ein praxisnahes tool, dass regelmäßig überprüft und aktualisiert wird. So werden alle relevanten Inhalte zentral wie in einem Nachschlagewerk zusammengefasst. Damit ist es ein zentrales Element zur Sicherung von Betriebsabläufen in einer schnell sich ändernden Welt.

Autoren:

Mark Weigel
swb Services AG & Co. KG

Andreas Guntermann
swb Gasumstellung GmbH

Theodor-Heuss-Allee 20
28215 Bremen

www.swb.de

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