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Ist die EnWG-Novelle eine Überholspur für Wasserstoffnetze oder zu kurz gegriffen?

Wasserstoffnetze
Die Bundesregierung hat mit der EnWG-Novelle die rechtlichen Vorgaben für den Aufbau und Betrieb von Wasserstoffnetzen vorgestellt. (Bild: audioundwerbung / iStock)

Wasserstoffnetze: Gesetzentwurf erzeugt gegensätzliche Reaktionen

Heute hat die Bundesregierung eine Novellierung des Energiewirtschaftsgesetzes (EnWG) beschlossen. Ziel des Gesetzentwurfes ist es, dass Marktakteure kosteneffizient und schnell Wasserstoffnetze entwicken können. Kern des EnWG-Entwurfs ist ein freiwilliger Regulierungsrahmen. Betreiber von Wasserstoffnetzen haben eine Wahlmöglichkeit, sich einer Regulierung zu unterwerfen. Die Kosten von Wasserstoff- und Erdgasnetzen müssen getrennt werden. Es gilt ein Querfinanzierungsverbot. Die Bunderegierung will so den für die Energiewende notwendigen Hochlauf des Wasserstoffmarktes beschleunigen. Gelingt dies?

> Sebastian Bleschke, Initiative Erdgasspeicher e.V.:
„Mit dem heutigen Beschluss will die Bundesregierung eine Überholspur für Wasserstoffnetze schaffen. Während der Bau von Erdgasnetzen über einen Szenariorahmen und Netzentwicklungspläne in langwierigen Prozessen und nach harten Kriterien aufwendig geplant, beantragt und genehmigt werden muss, sieht die beschlossene EnWG-Novelle eine ad-hoc-Bedarfsprüfung durch die Bundesnetzagentur innerhalb von vier Monaten vor. Entscheidet sich ein Wasserstoffnetzbetreiber gegen die freiwillige Regulierung, dann kann er sogar ganz ohne Bedarfsprüfung und damit ohne Zeitverzug Wasserstoffnetze bauen. Nicht nur für die Verbindung von Angebot und Nachfrage, sondern auch für den Anschluss von Wasserstoffspeichern ist das wichtig. Das ist also eine großartige Nachricht für all diejenigen, die ernsthaft an einem schnellen Hochlauf des Wasserstoffmarktes arbeiten.
Mit der strikten Trennung zwischen den Erdgas- und Wasserstoffnetzen stellt der Entwurf zudem effiziente Kosten sicher. Sinkt der Erdgasabsatz in der Zukunft, würden die Kosten der Erdgasnetze den Hochlauf des Wasserstoffmarktes erheblich belasten. Das wäre nicht nur im Hinblick auf die Erreichung der Klimaziele problematisch, sondern entlässt die Erdgasnetzbetreiber aus der Pflicht, sich mit der abnehmenden Nutzung von Erdgasnetzen ernsthaft auseinanderzusetzen.
Im nächsten Schritt sind unter anderem Vorschriften zur rechtlichen Implementierung eines Netzentwicklungsplans Wasserstoff zu erarbeiten. Wir empfehlen, die Vorschriften so auszugestalten, dass Netz- und Speicherbetreiber Infrastrukturen aus einem Guss entwickeln.“

> Michael Riechel, DVGW:
„Es ist gut und wichtig, dass sich die Bundesregierung des Themas Wasserstoffnetze angenommen hat und, wie in der Nationalen Wasserstoffstrategie angekündigt, einen gesetzlichen Rahmen für die Regulierung der wichtigen Infrastrukturen schafft. Leider wird der erforderliche Infrastrukturaufbau allerdings zu langsam angegangen. Zur Erreichung der Klimaneutralität muss das Gasnetz mittelfristigen der Lage sein, klimaneutrale Gase in großem Umfang zu transportieren und zu verteilen. Dies wird nach heutigem Kenntnisstand vor allem Wasserstoff sein. Diese Transformation der Gasnetze muss bereits heute begonnen werden. Statt dies zu unterstützen, regelt der vorliegende Gesetzentwurf lediglich die Finanzierung von einzelnen reinen Wasserstoffleitungen. Eine durchgängige Gesamtstrategie zur Transformation der Gasnetze liegt vor, nun muss die Infrastruktur zuerst ertüchtigt werden, um nicht den gleichen Fehler wie beim Strom zu machen, wo der Netzausbau die Erzeugung ausbremst. Ein verursachungsgerechter Ansatz sollte jedoch auch zukünftige Nutzergruppen, die von klimaneutralem Wasserstoff profitieren, frühzeitig inkludieren. Wir erleben auch angesichts der aktuellen Kältewelle, wie notwendig eine robuste und nicht nur eindimensionale Energieversorgung in Deutschland ist. Der Einsatz von Wasserstoff auch im Wärmemarkt ist daher unverzichtbar. Auch die NWS sieht den Einsatz von Wasserstoff in allen Sektoren vor. Dieser Ansatz ist zu stärken und daher anzuerkennen, dass die bestehende Gasregulierung für den Hochlauf von Wasserstoff besser als eine separate Regulierung geeignet ist und hierfür hinreichend Vorteile bietet.“

> Dr. Thomas Gößmann, FNB Gas e.V.:
„Gut, dass die Bundesregierung die Dringlichkeit der Anpassung des regulatorischen Rahmens erkannt hat. Wir bedauern allerdings, dass die Bundesregierung nicht dem Bundesrat sowie der breiten Mehrheit der Branche und der Industrie gefolgt ist, sondern in ihrem Gesetzesentwurf eine strikte Trennung von Erdgas und Wasserstoff für die Übergangsregulierung vorsieht. Die FNB bleiben überzeugt, dass langfristig nur eine regulatorische, finanzielle und netzplanerische Einheit aus Wasserstoffnetz und Erdgasnetz volkswirtschaftlich sinnvoll ist. Ziel muss sein, dass sich das eine Netz aus dem anderen heraus entwickeln kann. Der Gaskunde von heute ist der Wasserstoffkunde von morgen. Das gilt nicht nur für die Industrie, sondern im nächsten Schritt auch für den Wärmemarkt. Der Kabinettsbeschluss lässt die zentrale Frage der Finanzierung ungeklärt und schafft damit nicht die nötige Investitionssicherheit für den Aufbau der Transportinfrastruktur für Wasserstoff. Selbst das Wasserstoff-Startnetz 2030 wäre vor dem Hintergrund der Ambitionen der Nationalen Wasserstoffstrategie schon unterdimensioniert*. Mit diesem Kabinettsbeschluss kann es bestenfalls in kleinen Teilen realisiert werden.“

> Bundesverband Neue Energiewirtschaft (bne):
„Bei der Umsetzung der EU-Elektrizitätsbinnenmarktrichtlinie und Einführung einer Regulierung für reine Wasserstoffnetze macht die Bundesregierung vieles richtig: Durch die vorgeschlagenen Änderungen im Energiewirtschaftsgesetz (EnWG) würden die Netzentgeltregulierung transparenter, der Strommarkt für Aggregatoren geöffnet, die Nutzung von Flexibilitäten der Verbraucher erleichtert und der Finanzierung des Wasserstoffnetzausbaus aus einem Topf mit den Gasnetzentgelten eine Absage erteilt. Doch der heute vom Kabinett der Bundesregierung beschlossene Gesetzentwurf enthält Lockerungen und Lücken, durch diese werden Quersubvention riskiert und die Investitionssicherheit untergraben. “, erklärt Robert Busch, Geschäftsführer des Bundesverbands Neue Energiewirtschaft (bne). Nur ein Teil, der bisher mit fossilem Erdgas betriebenen Energieanwendungen wird in der Zukunft (grünen) Wasserstoff nutzen. Daher wird der Wasserstoffmarkt nicht einfach eine Fortführung des Gasmarktes sein. Anstatt erneut deutsche Sonderwege zu gehen, sollten beim Aufbau des Wasserstoffnetzes alte Fehler aus der Öffnung des Energiemarktes nicht wiederholt werden, mahnt der bne und bne-Geschäftsführer Robert Busch fordert Verbesserungen für die Regulierung des Wasserstoffmarkts: „Der Wasserstoffnetzbetrieb ist von den marktlichen Aktivitäten vollständig zu entflechten, zwischen Wasserstoff- und Gasnetzen ist klar zu trennen und der regulierte Netzzugang einzuführen. Nur so kann sich ein funktionierender Wasserstoffmarkt entwickeln. Der jetzt im Entwurf vorgesehene verhandelte Netzzugang führt dagegen wieder in eine Sackgasse.“ Zudem ist bei der Umwidmung von Gasleitungen für den Wasserstofftransport sicherzustellen, dass das Wasserstoffnetz nicht auf Kosten der Gaskunden aufgebaut wird (direkt über steigende Netzentgelte durch anfallenden Gasnetzausbau oder indirekt durch Beschränkung des Angebots fester freier Transportkapazitäten). Eine solche Quersubvention lehnt der bne entschieden ab. Die Kosten für das Wasserstoffnetz sollten von den Nutzern dieses Netzes über die Wasserstoff-Netzentgelte finanziert werden.
Grundsätzlich begrüßt der bne die Transparenzvorgaben, die aus den Verordnungen herausgenommen und jetzt im Gesetz geregelt werden sollen, wenngleich die ursprüngliche Regelung besser war und im Gesetzgebungsverfahren wieder aufgegriffen werden sollte. Der bne setzt darauf, dass endlich die notwendige Transparenz bei allen Netzbetreibern erreicht und Veröffentlichung der Daten in Zukunft rechtssicher erfolgen wird.
Gelungen und zielführend bewertet Robert Busch die Einführung von Planungsregionen im Rahmen der Netzausbauplanung: „Damit ließe sich endlich eine effiziente Netzbetreiberübergreifende Planung erreichen. Leider wir dieser gute Ansatz durch die auch hier verfehlte „De-Minimis“-Regelung im Keim erstickt. Denn dadurch werden über 90 % der Netzbetreiber gleich wieder ausgenommen – und zwar gerade jene, auf die es eigentlich ankommt.“
Schlecht gelöst ist die Umsetzung der Regelungen zur marktgestützten Beschaffung von Flexibilitätsdienstleistungen durch die Netzbetreiber, da diese Möglichkeit nicht klar genug priorisiert wird. Auch die Umsetzung der weitreichenden Vorgaben zu aktiven Kunden in der EU-Richtlinie ist unvollständig und verhindert somit, dass Batteriespeicher ihr ganzes Potenzial im Energiemarkt anbieten können.“

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