CLS-Anwendungen: „Abwarten ist keine Alternative. Im Gegenteil, die Zeit drängt.“
Mit dem Gesetz zum Neustart der Digitalisierung der Energiewende (GNDEW) ist der Knoten für den Rollout intelligenter Messsysteme geplatzt. Das damit verbundene Thema Steuern und Schalten lokaler Erzeugungs- und Verbrauchsanlagen rückt in den Fokus – und damit Begriffe wie „aktiver EMT“ und „CLS-Management“. Was treibt aktuell die Branche um? Wie sollten sich Stadtwerke, Netzbetreiber und Messstellenbetreiber aufstellen, um den Zug Richtung Zukunft nicht zu verpassen? energie.blog sprach mit Joachim Kopp, Geschäftsführer der Firma aktiver EMT GmbH, der – wie der Firmenname verrät – bestens mit dem Thema vertraut ist.
e.b: Herr Kopp, die aktiver EMT GmbH hat sich den Namen der neu eingeführten Marktrolle im Energiemarkt gegeben, des aktiven externen Marktteilnehmers. Wie erklärt sich das?
Kopp: Als der Gesetzgeben die Marktrolle aEMT etablierte, war uns bereits klar, welche Bedeutung sie für die Energiewende haben und welche unternehmerischen Chancen sie bieten würde. Denn in der Minol-Zenner-Gruppe hatten wir uns bereits vorher mit dem Schalten von EEG- und KWKG-Anlagen sowie Internet of Things-Anwendungen beschäftigt. Daher haben wir rasch reagiert und die aktiver EMT GmbH gegründet. Der Name benennt unsere Tätigkeit. Das erleichtert die Kommunikation im Vertrieb: Wir müssen weniger erklären.
Steuern von Systemen hinter dem Smart Meter Gateway
e.b: Okay, dennoch: Was ist die Aufgabe des aEMT?
Kopp: Beim Smart Meter Gateway, der Kommunikationseinheit des intelligenten Messsystems, wurde eine zertifizierte Instanz geschaffen, die Geräte, Zertifikate, Firmware, Updates usw. exklusiv verwalten darf, nämlich den Gateway Administrator. Mit dem aEMT gibt es eine ebenfalls zertifizierte Rolle, welche die Geräte hinter der Controllable Local Systems-Schnittstelle des Smart Meter Gateways verwaltet und betreibt. Die Geräte hinter dem SMGW sind Steuereinheiten, Submetereinheiten bzw. HAN-Kommunikationsadapter-Einheit). Die Anbindung der CLS-Geräte erfolgt über das SMGW und seinen CLS-Kanal in das Backendsystem des aktiven EMT. Über die Steuereinheit können EEG- und KWKG-Anlagen wie zum Beispiel Photovoltaikanlagen und Windkraftanlagen, aber auch §14a EnWG-Anlagen wie zum Beispiel Wärmepumpen, Stromspeicher und Ladeinfrastruktur gesteuert werden.
Künftig müssen Millionen Anlagen via CLS steuerbar sein
e.b: Ist das aEMT-Anwendungsspektrum damit vollumfänglich beschrieben?
Kopp: Insgesamt geht es um fünf Anwendungsfälle, bei denen der aktive EMT involviert ist: Schalten und Steuern von EEG- und KWKG-Anlagen, §14a EnWG-Anlagen, Betrieb von Ladeinfrastrukturen, Integration von Energiemanagement-Systemen sowie das Administrieren und Auslesen von Submetering-Geräten wie z.B. elektronische Wärmemengenzähler. Die große Bedeutung CLS-basierter Anwendungsfälle für die Digitalisierung der Energiewende liegt auf der Hand: In Zukunft müssen Millionen von Anlagen über die CLS-Schnittstelle steuerbar sein. Dies muss system- und marktrollenübergreifend funktionieren und zudem massenprozesstauglich sein. Daher ist ein hochautomatisiertes und medienbruchfreies Datenmanagement erforderlich. Dabei wachsen die noch junge Internet of Things-Welt und klassische IT-Anwendungen der Versorgungswirtschaft zusammen.
e.b: Die aktiver EMT GmbH tritt dabei als Dienstleister auf. Warum üben z.B. Messstellenbetreiber die aEMT-Rolle nicht selbst aus?
Kopp: Die aEMT-Marktrolle kann nur nach einer Zertifizierung wahrgenommen werden. Die Zertifizierung und die regelmäßigen Audits stellen eine Hürde mit erheblichem Aufwand und Ressourceneinsatz dar. Für Unternehmen, die als aEMT auftreten wollen, ist es viel einfacher und entspannter, uns als Dienstleister einzuschalten. Wir fungieren als regelkonform aufgestelltes Bindeglied und als Datendrehscheibe.
Brauchen schnell Umsetzung der Zusatzleistungen nach GNDEW
e.b: Wie ist es um den rechtlichen Rahmen für die aEMT-Anwendungen aktuell bestellt? Wo gibt es ggf. noch Baustellen?
Kopp: Mit dem bereits verabschiedeten GNDEW und dem in Kürze von der Bundesnetzagentur zu finalisierenden Paragraphen 14a des Energiewirtschaftsgesetzes werden die entscheidenden Weichen gestellt. Zur Zeit bestehen im Gesamtbild inklusive Universalbestellprozess und Marktkommunikation noch einige Herausforderungen. Hier brauchen wir möglichst schnell eine Umsetzung der Zusatzleistungen nach GNDEW, um diese standardisiert beauftragen und abrufen zu können, so dass z.B. Steuer- und Schalthandlungen tatsächlich zum 1. Januar 2025 bestellbar sind und über die Marktkommunikation umgesetzt werden können.
Jetzt Erfahrungen sammeln
e.b: Was tun in dieser Situation? Abwarten, bis die regelgebenden Instanzen geliefert haben?
Kopp: Abwarten ist in meinen Augen keine Alternative. Im Gegenteil, die Zeit drängt. Die Bundesnetzagentur wird den finalen Paragraphen 14a EnWG noch in diesem Quartal veröffentlichen, woraufhin er sehr wahrscheinlich am 1. Januar 2024 in Kraft treten wird. Und im aktuellen Entwurf steht, dass alle Anlagen größer 4,2 kW installierter Leistung – also praktisch jede Wärmepumpe, Klimaanlage und E-Ladestation – zukünftig über den CLS-Kanal eines intelligenten Messsystems steuerbar sein müssen. Im Gegenzug kann jeder Anlagenbetreiber zum 1.1.2024 unabhängig von der Größe des Netzbetreibers verlangen, dass er zukünftig nur noch reduziertes Netzentgelt für seine Anlage bezahlen muss. Deshalb ist es nötig, jetzt Erfahrungen zu sammeln, um am 1.1.2024 gesetzeskonform auf dieses Kundenverlangen eingehen zu können. Daher bietet die aktiver EMT ihren Kunden einen sehr leichten Einstieg in Form eines Bündelangebotes an, um Labor- und Feldtests durchführen zu können.
Gehärtete und skalierbare CLS-Lösung am Start
e.b: Sie sprachen an, dass Sie bereits über praktische Erfahrungen verfügen. Wie sehen diese aus, wenn doch die Regeln noch nicht finalisiert sind?
Kopp: Wir leben die aEMT-Prozesse heute schon so, wie das zukünftig gefordert sein wird. Sprich, die Daten werden in einer zertifizierten Rechenzentrumsumgebung verarbeitet und an die Kunden weitergeleitet. Auch haben wir intensive Submetering-Erfahrungen, nur dass die Daten heute größtenteils noch über LoRaWAN und Mobilfunk dorthin gelangen. Und das in großem Maßstab: Über unsere Plattform B.One Middleware werden bereits über 70.000 IoT-Gateways mit über 5,2 Mio. Zählern und Sensoren im Bereich Submetering ausgelesen. Andererseits schaltet unser Schwesterunternehmen Zenner Connect heute schon rund 1.400 EEG- und KWKG-Anlagen. Wir bringen somit eine gehärtete und skalierbare CLS-Lösung an den Start und verfügen bereits über viel Erfahrung und Expertise.
Gesamte Prozesskette End to End abbilden
e.b: Trotzdem reden wir hier ja über einen Paradigmenwechsel für die Versorgungswirtschaft. Die Komplexität der Prozesse steigt und steigt. Wie nehmen Sie Ihren Kunden die Angst davor?
Kopp: Indem wir ein Rundum-Sorglos-Paket schnüren. Als Teil der Minol-Zenner-Gruppe bietet die aktiver EMT GmbH auch das gesamte technische Equipment: vom Aufbau und Betrieb der LoRaWAN-Infrastruktur über CLS-fähige Indoor- und Outdoor-Gateways sowie das IoT-Gateway Hutschiene. Dieses Gerät fungiert zugleich als Steuer- und Submetereinheit und bietet außerdem die Funktion der HAN-Kommunikationsadaptereinheit. Hinzu kommt die Plattform für die regelkonforme Datenverarbeitung. Zusätzlich können Bestandszähler bzw. Hauptmessungen aller Sparten – drahtgebunden und drahtlos – integriert werden. Hierzu nutzt das IoT Gateway Hutschiene die CLS-Schnittstelle des Smart Meter Gateways als sichere Kommunikationsverbindung, um Daten jeglicher Art an den aktiven EMT weiterzuleiten. Somit können weitere Komponenten wie z.B. ein Energie-Management-System gesetzeskonform über den CLS-Kommunikationskanal des intelligenten Messsystems Daten übermitteln. Und schließlich arbeiten wir mit Partnern wie zum Beispiel Arvato Systems und Venios daran, die gesamten Prozesse End to End abzubilden.
e.b: Herr Kopp, vielen Dank für das Gespräch!