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„Die Energiewende ist keine Liebhaberei, sondern purer Sachzwang“

Energiewende
Frank Knauer plädiert für die Energiewende: „Die Sonne scheint bekanntermaßen zum Nulltarif. Genauso wie der Wind zum Nulltarif weht." (Bild: Erich Westendarp / Pixabay)

Aktuelle Verwerfungen am Energiemarkt als Augenöffner: Es schlägt die Stunde der Energiewende und des Ökostroms

Von Frank Knauer, Bevollmächtigter der Generalversammlung bei der Cehatrol Technology eG

Energiewende

Frank Knauer

Die Strompreise sind derzeit auf einer steilen Bergfahrt, wie sie die Verbraucher hierzulande noch nicht erlebt haben. Schon vor der Eskalation in der Ukraine und der damit einhergehenden wirtschaftlichen sowie politischen Isolation Russlands waren die Energiemärkte enorm aufgeheizt. Grund waren stark gestiegene Rohstoffpreise (die sich jetzt abermals zuspitzen werden) sowie steigende Netznutzungsentgelte, die jeweils auf die Verbraucher umgelegt wurden. Im Verlauf von 2022 wurde bereits vor dem russischen Einmarsch in der Ukraine mit Kostensteigerungen von über 50 % gerechnet! Dass diese nun noch dramatischer ausfallen mögen, ist nahezu sicher. Nur ein Gutes hat die derzeit prekäre Situation: Eine längst überfällige Abkehr von der Abhängigkeit von russischen Rohstoffen wird nun per Dekret gefordert und die Energiewende forciert.

Der perfekte Sturm

Geht man nun auf Ursachenforschung, wie die eskalierenden Strompreise im Einzelnen zustande kommen, fallen viele unterschiedliche Schlagwörter. „Energiekrise! Energiewende! Übereilter Atomausstieg!“, um nur einige zu nennen. Daran zeigt sich bereits, dass die gegenwärtige Konstellation viele Vorbedingungen und Begleiterscheinungen hat. Sie ist ein nahezu „perfekter“ Sturm aus Faktoren, die allesamt preissteigernd wirken. Und dieser fegt nun, deutlich spürbar, über die Märkte hinweg.

Das wirft natürlich die Frage auf, ob diese Preis-Rallye von Anfang an unvermeidbar war. In Teilen mag dies zutreffen. Eine Energiewende kann und wird es zum Dumping-Preis niemals geben können. Und die Rohstoffpreise fingen schon vor dem eskalierenden Ukraine-Konflikt an, deutlich anzuziehen. Ob und inwiefern dabei außenpolitisches Kalkül aus Russland bereits eine Rolle gespielt haben mag, sei dahingestellt. Doch eine Preissteigerung war in diesem Bereich ohnehin zu erwarten, da Gas auf dem Weg zur nachhaltigen Energie als wichtige Brückentechnologie gilt. Energiegewinnung aus Gas ist bestens erprobt, entsprechend optimiert und produziert nur etwa halb so viele Emissionen wie die Energiegewinnung aus Kohle oder Erdöl. Allein schon dadurch war eine hohe Nachfrage gewiss.

Das Ende der Strom-Discounter?

Dass nun steil ansteigende Energiepreise besonders abrupt bei einem Teil der Bevölkerung ankommen, liegt nicht unerheblich daran, dass viele von ihnen sich bislang günstig bei sogenannten Strom-Discountern eindeckten. Deren Geschäftsmodell stützt sich darauf, ihren Kunden eine besonders günstige Preisbindung vertraglich zuzusichern und Strom immer sehr kurzfristig an den Märkten zu kaufen. Damit konnten sich die Strom-Discounter in einer eigenen Nische am Markt positionieren, die über den Preiskampf kam. Allerdings hatte die Sache einen Haken: Die Margen waren so gering und die tiefen Preiszusicherungen an ihre Endkunden so rigide, dass diese Anbieter kaum Spielraum hatten, wenn die Preise einmal durch die Bank ansteigen und hoch bleiben würden. Und genau das ist passiert! Mit dramatischen Auswirkungen.

Bereits zum Jahreswechsel waren über 40 Strom-Discounter insolvent oder haben zumindest kategorisch Kundenverträge gekündigt, weil die von ihnen zugesicherten, günstigen Tarife schlicht nicht mehr am Markt realisierbar waren. Das Perfide dabei: Für die Strom-Discounter war dieser Rückzug auf ganzer Front nur recht und billig, denn die Grundversorger sind von Rechtswegen dazu verpflichtet, Kunden von „unpässlichen“ Versorgern aufzufangen. Jeder in Deutschland hat ein Recht auf Strom! Und die Grundversorger sind die Torwächter.

Folglich wurden etliche lokale Grundversorger mit zum Teil Tausenden von Kunden aus Discounter-Verträgen überschüttet, für die sie nun ein akzeptables Tarifangebot übers Knie brechen mussten. Nicht selten in Form von Verlustgeschäften, da sie den Strom ad hoc teurer einkaufen mussten, als es ihre eigenen Tarife eigentlich zulassen. Aber der Versorgungsauftrag verpflichtet sie zu Verlustgeschäften. Ein Ansinnen seitens vieler Grundversorger, Neukunden teurere Tarif anbieten zu können, wurde gerichtlich abgeschmettert, da es als nicht vereinbar mit dem fundamentalen Versorgungsauftrag der Grundversorger gilt.

Vorsicht vor Opportunisten!

Der gegenwärtig derart aufgeheizte Energiemarkt wird noch heißer laufen und wahrscheinlich auf Jahre hinweg teuer bleiben. Eine Situation, bei der es scheinbar nur sehr wenige Gewinner geben wird. Auch wenn viele der Marktkräfte, die hier wirken, nur folgerichtig sind. Doch Gelegenheit macht bekanntlich Diebe. Und so haben manche Stromanbieter übergebührlich zugeschlagen oder anderweitig fragwürdige Geschäfte gemacht. So muss sich der Discounter Stromio nun verantworten, Kunden massenhaft gekündigt zu haben, nur um sich hernach umzudrehen und eigene Stromkapazitäten zu Höchstpreisen auf den Markt zu werfen. Raus aus der Verantwortung und rein in den maximalen Profit! Ein Geschäftsgebaren, bei dem vor allem die Grundversorger mit den Zähnen knirschen, da sie die Suppe auslöffeln müssen und nun regulatorische Schwächen im Umgang mit den Discountern beklagen.

Doch sind nicht nur die Discounter, mit ihrem fragwürdigen Geschäftsmodell und ihren regulatorischen Nischen, zu Recht auf der Anklagebank. Manche „reguläre“ Stromanbieter, darunter pikanterweise auch der eine oder andere Grundversorger, haben Preiserhöhungen ausgerufen, bei denen den Gerichten jedes Verständnis fehlte. Satte 245 % Preiszuschlag für Neukunden wollte der Frankfurter Stromanbieter „Mainova“ forcieren! Dem wurde nun gerichtlich ein Riegel vorgeschoben. Auch Mainova ist ein Grundversorger, der binnen kürzester Zeit mit Tausenden von Neukunden aus geplatzten Discounter-Verträgen überrannt wurde. Das lässt tief blicken, wie teuer derzeit die Situation an den Rohstoffmärkten beschaffen ist. Und die Discounter, mit ihrem Geschäftsgebaren „auf Sicht“, haben großen Anteil daran, dass nun alle eiskalt getroffen werden. Denn leider können sich nur die Discounter selbst recht leicht aus der Verantwortung ziehen. Die Illusion vom Billigstrom, sie ist dahin! Die Scherben kehren jedoch andere auf.

Transparenzgrundsatz und Sonderkündigungsrecht

Jedoch sind Verbraucher gut beraten, sich nicht allein auf Gerichte und Co. zu verlassen. Denn Preissteigerungen werden nicht ausbleiben. Jedoch sollte die Höhe und Art dieser Steigerungen immer klar kommuniziert werden. Dazu verpflichtet der Transparenzgrundsatz. Doch leider sehen es viele Stromanbieter mit diesem nicht so eng. Und so wird so manche Preiserhöhung gerne mal von sehr viel Werbe-Sprech flankiert, da dieser routiniert von vielen Verbrauchern überflogen oder ganz ignoriert wird. Man sollte sich also nicht naiv darauf verlassen, dass alle Stromanbieter Preissteigerungen mit der gebotenen Transparenz kommunizieren. Denn hier hat die Vergangenheit bei manchen Akteuren leider anderes offenbart.

In jedem Fall haben Verbraucher ein Sonderkündigungsrecht, wenn Anbieter ihre Tarife erhöhen. Da ist es auch vollkommen unerheblich, wie diese gerechtfertigt werden. Das Sonderkündigungsrecht hat bei Preissteigerungen immer Gültigkeit! Daher wohl auch die Neigung vieler Stromanbieter, Preissteigerungen gerne mal durch die Blume zu kommunizieren. Und wer weiß? Vielleicht schlägt jetzt umso mehr die Stunde der Ökostromtarife! Denn diese waren im Vorfeld der nun eskalierenden Krise oftmals schon billiger als die Preise der örtlichen Grundversorger. Und gemessen an den außenpolitischen Barrieren, die sich nun für Russland als einen der größten Rohstoffexporteure auftun, wird sich diese Diskrepanz noch weiter zugunsten der Ökostromabnehmer verschieben. Denn diese sind von Rohstoffpreisentwicklungen weitgehend entkoppelt. Die Sonne scheint bekanntermaßen zum Nulltarif. Genauso wie der Wind zum Nulltarif weht!

Mag sein, dass all das Chaos an den Märkten, mit seinen Verwerfungen für Anbieter und Verbraucher, ein Gutes hat: Vielleicht hat jetzt auch der Letzte begriffen, dass die Energiewende keine Liebhaberei für den selbstversorgenden Alt Hippie mit Blockhütte ist. Die Energiewende ist vielmehr purer Sachzwang!

Die Cehatrol Technology eG
… beteiligt die Menschen an der nachhaltigen Erzeugung von erneuerbarer Energie, schafft nachhaltige Arbeitsplätze und stärkt damit die Partizipation der Bürgerinnen und Bürger innerhalb der Gesellschaft. Sie schafft zudem lokale Wertschöpfung und Arbeitsplätze vor Ort. Die Dezentralisierung und die Schaffung von dezentralen Wirtschaftskreisläufen in Dörfern und kleinen Gemeinden steht dabei im Fokus. Erfolge für jedermann unter dem Dach einer starken Gemeinschaft. In der Cehatrol Technology eG haben wir uns das Ziel gesetzt, die dezentrale und mitgliedereigene Energieversorgung international zu fördern, unsere Mitglieder an der Produktion zu beteiligen und langfristig mit grüner Energie aus den eigenen Anlagen zu versorgen. Unsere Vision ist es, eine der größten Gesellschaften in Hand der Belegschaft zu schaffen und Hilfe zur Selbsthilfe zu bieten. Genossenschaften zeigen, dass ihr Geschäftsmodell sich von den traditionellen Kapitalgesellschaften unterscheidet. Wir setzen auf Solidarität, demokratische Führung, die Beteiligung der Mitglieder sowie die Nähe zu Mitgliedern und Kunden und versuchen, vorrangig deren Interessen und nicht denen der Manager zu dienen. Wir sind ein global tätiges Technologieunternehmen. Durch Innovationen und kundenorientierte Lösungen erarbeiten wir uns eine Führungsposition im Segment Energieproduktion und fördern unsere Mitglieder mit Dienstleistungen zur Nutzung von genossenschaftlichem Eigentum.
www.cehatrol.com

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