„Es gibt auch Überlegungen, die Technik im später gefluteten Tagebau Hambach einzusetzen“
Mit „Stored Energy in the Sea“, kurz „StEnSea“, überträgt das Fraunhofer IEE das Prinzip des Pumpspeicherkraftwerks in die Tiefsee. Nach einem erfolgreichen Funktionstest im Bodensee startet nun die nächste Phase: ein Prototyp in 600 Metern Tiefe vor der US-Westküste. Senior Projekt Manager Dr. Bernhard Ernst erklärt im energie.blog-Interview, wie der Kugelspeicher funktioniert, welche Standorte dafür infrage kommen und warum sich das System flexibel skalieren lässt. Außerdem: Welche Faktoren sind ausschlaggebend, damit sich der Kugelspeicher sinnvoll nutzen lässt?
e.b: Herr Ernst, das Fraunhofer IEE hat einen Unterwasser-Energiespeicher entwickelt, der das Prinzip der Pumpspeicherkraftwerke auf den Meeresgrund überträgt. Was ist das Besondere an diesem Prinzip und wie funktioniert es?
Bernhard Ernst: Der kugelförmige Unterwasser-Energiespeicher „StEnSea“ basiert auf einem einfachen physikalischen Prinzip: Beim Entladen strömt Wasser in eine hohle Betonkugel, die in großer Tiefe auf dem Meeresgrund verankert ist. Dabei treibt es eine Turbine an, die Strom erzeugt. Zum Laden wird das Wasser mithilfe einer Pumpe wieder nach außen befördert – analog zur Funktionsweise eines klassischen Pumpspeicherkraftwerks, nur unter Wasser.
Besonders an dem Konzept ist vor allem die flexible Skalierbarkeit und die vergleichsweise kurze Bauzeit: Ein StEnSea-Park mit mehreren Speichereinheiten lässt sich innerhalb von ein bis zwei Jahren realisieren – deutlich schneller als konventionelle Pumpspeicherkraftwerke an Land. Zudem kann die Anlage jederzeit modular erweitert werden, sollte der Bedarf an Speicherkapazität steigen. Dank der Nutzung großer Wassertiefen lassen sich mit kompakten Baueinheiten beachtliche Energiemengen zwischenspeichern – ein Vorteil für küstennahe Regionen mit schwankender Stromerzeugung aus Wind- und Solarkraft.
Standort Los Angeles
Im Moment ist das Logistikkonzept die größte Herausforderung. Natürlich ist es technisch kein Problem, ein so großes und schweres Bauteil an Land oder im Wasser zu bewegen. Die Herausforderung ist hier, dies mit einem knappen Forschungsbudget und den gegebenen Bedingungen im Hafen von Los Angeles zu erreichen.
e.b: Sie haben im Bodensee getestet, inzwischen wird das Konzept im küstennahen Gebiet bei Los Angeles erprobt. Was sind die Herausforderungen bei diesem Standort, wie hoch wird die Leistung sein und wie ist der aktuelle Stand?
Bernhard Ernst: Zurzeit bereiten wir den Bau der Kugel und den Test vor. Das umfasst die Auslegung und den Bau der Pumpturbine, die Konstruktion und Berechnung der Kugel, das Logistikkonzept und die Genehmigungen zur Installation. Der Bau der Kugel ist für Anfang 2026 und der Test ab Sommer 2026 geplant.
Im Moment ist das Logistikkonzept die größte Herausforderung. Natürlich ist es technisch kein Problem, ein so großes und schweres Bauteil an Land oder im Wasser zu bewegen. Die Herausforderung ist hier, dies mit einem knappen Forschungsbudget und den gegebenen Bedingungen im Hafen von Los Angeles zu erreichen. Für einen einzelnen Prototyp ist es zum Beispiel nicht möglich, Anpassungen an der Infrastruktur zu tätigen.
e.b: Wie robust ist die Technologie hinsichtlich Wartung, Verschleiß und Lebensdauer – und welche Erfahrungen konnten Sie im Bodensee sammeln, die Sie nun auf den Praxistest in den USA übertragen?
Bernhard Ernst: Da der Test im Bodensee nur über 4 Wochen lief, konnten wir hier keine Erfahrungen zur Lebensdauer gewinnen. Es ging dabei nur darum, das Funktionsprinzip zu testen. Pumpen der verwendeten Art werden seit Jahrzehnten in Brunnen, Meerwasserentsalzungsanlagen oder in der Öl- und Gas-Offshore-Industrie eingesetzt, also unter vergleichbaren Bedingungen.
Dort wird mit einer Lebensdauer von 20 Jahren gerechnet. Betonbauten unter Wasser haben Lebensdauern von 50 und mehr Jahren. Es ist vorgesehen, dass die Pumpe mit Mess- und Steuerungstechnik über die Lebensdauer von 50 bis 60 Jahren mehrfach ausgetauscht wird.
Rentable Standorte für Kugelspeicher
e.b: Welche Standorte kommen künftig für den Kugelspeicher infrage? Wäre auch Deutschland bzw. die Ost- oder Nordsee ein mögliches Gebiet?
Bernhard Ernst: Man benötigt Wassertiefen von 500 Metern oder mehr. Sonst ist die Speicherkapazität zu gering. In der Nähe von Deutschland ist dies nur in der norwegischen Rinne – also zwischen Dänemark und Norwegen – gegeben.
Da Deutschland im europäischen Strommarkt gut eingebunden ist, wirken sich Speicher aber auch positiv auf den deutschen Strommarkt aus, wenn sie im Mittelmeer, im Atlantik oder in Norwegen stehen. Es gibt auch Überlegungen, die Technik im später gefluteten Tagebau Hambach einzusetzen. Hier ist die Wassertiefe zwar geringer, aber im Binnensee lässt sich die Technik einfacher installieren als auf hoher See, was den Nachteil durch die geringere Wassertiefe ausgleichen könnte.
Wann entsteht ein rentabler Businesscase?
Bei den Marktbedingungen, die seit 2022 in Europa herrschen, rechnet sich die Technik auf jeden Fall. Durch den weiteren Zubau von Wind und PV wird sich der Speicherbedarf eher erhöhen und die Marktbedingungen besser.
e.b: Die Investitionskosten liegen bei rund 1.354 Euro pro Kilowatt Leistung. Für welche Projektgrößen ergibt sich daraus ein rentabler Businesscase?
Bernhard Ernst: Wir rechnen mit 50-200 Kugeln pro Projekt, was 1 bis 4 Gigawattstunden Speicherkapazität entspricht. Kleinere Projekte sind möglich, dann haben aber die sonstigen Kosten wie Netzanschluss, Betriebsüberwachung und Administration einen entsprechend höheren Anteil. Bei den Marktbedingungen, die seit 2022 in Europa herrschen, rechnet sich die Technik auf jeden Fall. Durch den weiteren Zubau von Wind und PV wird sich der Speicherbedarf eher erhöhen und die Marktbedingungen besser.
e.b: Wann rechnen Sie mit einem ersten marktfähigen Kugelspeicherpark?
Bernhard Ernst: Wir rechnen damit, dass kleinere kommerzielle Projekte in fünf Jahren einsatzbereit sein können.
Siehe auch: Fraunhofer IEE und Partner testen Kugelspeicher auf dem Meeresgrund vor der kalifornischen Küste
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