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LFW24: „Viele Stadtwerke müssen manuell nacharbeiten, bevor überhaupt eine durchgängige Automatisierung möglich ist“

Viele Systeme sind noch nicht bereit für den LFW24. Steven Braun, Geschäftsführer von m2g Consul erklärtt, wo es bei LFW24 aktuell hakt.
„In den vergangenen Wochen verzeichnen wir einen deutlichen Anstieg an Anfragen von Stadtwerken und Dienstleistern, die gezielt Unterstützung bei den Herausforderungen zum LFW24 suchen“, sagt Steven Braun, Chief Operating Officer (COO) bei m2g Consult. (Bild: © m2g Consult)

„Wir rechnen damit, dass es besonders in den ersten ein bis zwei Monaten nach dem Stichtag zu einem deutlich erhöhten Clearing-Aufkommen kommen wird“

Der Stichtag für den beschleunigten Lieferantenwechsel (LFW24) rückt näher – doch viele Systeme sind noch nicht bereit. Im energie.blog-Interview erklärt Steven Braun, neuer Geschäftsführer von m2g Consult, wo es bei LFW24 aktuell hakt, warum insbesondere die neue APERAK-Nachricht für Aufwand sorgt und weshalb Mieterstromprozesse zwar technisch möglich, aber noch nicht vollständig durchdacht sind. Ein Gespräch mit dem neuen Chief Operating Officer von m2g consult über drohende Clearing-Wellen, Fachkräftemangel, Komplexitätsgrenzen – und seine Ziele bei m2g Consult.

Herausforderungen beim LFW24

e.b: Herr Braun, der Lieferantenwechsel binnen 24 Stunden steht vor der Tür. Aktuelle Umfragen zeigen, dass es noch ziemlich ruckelt im Prozess. Was ist Ihre Erfahrung?
Steven Braun: Diese Einschätzung kann ich bestätigen. In zahlreichen Projekten sehen wir, dass es zu Verzögerungen bei den Auslieferungen der ERP-Anbieter oder dass diese nur unvollständige Funktionen bereitstellen. Besonders die neuen Prozessbestandteile sind oft nur teilweise integriert. Das zwingt viele Stadtwerke dazu, manuell nachzuarbeiten – bevor überhaupt eine durchgängige Automatisierung möglich ist. In den vergangenen Wochen verzeichnen wir einen deutlichen Anstieg an Anfragen von Stadtwerken und Dienstleistern, die gezielt Unterstützung bei genau diesen Herausforderungen suchen.

e.b: Wo hakt es derzeit besonders? Was sind die Probleme für Messstellenbetreiber und Netzbetreiber beim LFW24?
Steven Braun: Die Herausforderungen sind vielschichtig. Ein zentrales Problem ist der Fachkräftemangel – besonders an der Schnittstelle zwischen Fachbereichen und IT. Oft fehlen interne Ressourcen, um technische oder prozessuale Fragestellungen zügig zu klären.

Hinzu kommt, dass viele Softwareanbieter ihre Lösungen nicht vollständig ausliefern – vor allem im Hinblick auf die Abbildung der neuen Prozesse. Hinzu kommt, dass der gesamte Prozess komplexer wird. Ein Beispiel ist die neu eingeführte positive APERAK-Nachricht: Sie war zuvor nicht erforderlich, ist nun aber für den Strom-Bereich verpflichtend und erhöht den Implementierungsaufwand erheblich. Auch die unterschiedliche Behandlung zwischen den Medien Strom und Gas dürfen nicht unterschätzt werden.

Zudem befinden sich viele Marktteilnehmer gleichzeitig mit der LFW24-Umstellung in weiteren tiefgreifenden Transformationsprozessen, etwa bei der Einführung neuer Systeme oder strukturellen Anpassungen. Diese Doppelbelastung bindet zusätzliche Kapazitäten und verlangsamt die Umsetzung weiter.

Virtueller Summenzähler: Bedeutung für Mieterstromprojekte

e.b: Am 6. Juni kann auch der virtuelle Summenzähler kommuniziert werden. Was genau bedeutet das? Entstehen damit zusätzliche Herausforderungen?
Steven Braun: Das ist zunächst ein sehr erfreulicher Schritt: Ab dem 6. Juni wird es technisch möglich, Mieterstrommodelle standardisiert über einen MaKo-Prozess abzubilden. Das ist ein bedeutender Schritt für die Weiterentwicklung der Marktkommunikation und kann langfristig zur Stärkung der Mieterstromnutzung beitragen.

Allerdings ergeben sich dadurch auch neue Fragestellungen – insbesondere im Hinblick auf systemische und abrechnungsrelevante Aspekte. So ist beispielsweise noch nicht abschließend geklärt, wie die Abrechnung durch den Messstellenbetreiber innerhalb dieses Prozesses konkret umgesetzt werden soll. Auch mit Blick auf die gemeinschaftliche Gebäudeversorgung besteht hier noch erheblicher Klärungsbedarf. Wir gehen davon aus, dass in den kommenden Monaten entsprechende Nachsteuerungen erfolgen müssen.

e.b: Was sind die Szenarien, wenn es zum 6. Juni mit dem LFW24 nicht klappen sollte?
Steven Braun: Wir rechnen damit, dass es besonders in den ersten ein bis zwei Monaten nach dem Stichtag zu einem deutlich erhöhten Clearing-Aufkommen kommen wird. Das heißt konkret: viele Rückfragen, vermehrte manuelle Klärungen und potenzielle Verzögerungen in der Prozessabwicklung. Die neuen Abläufe müssen sich zunächst einspielen – das braucht Zeit.

Denkbar ist außerdem, dass die Bundesnetzagentur in diesem Zeitraum mit einem erhöhten Aufkommen an Beschwerden konfrontiert wird, sollten Marktteilnehmer an den neuen Prozessen scheitern oder signifikante Verzögerungen auftreten.

Mehr Zeit, weniger Komplexität

e.b: Was müsste sich Ihrer Meinung nach ändern? Was müsste der Gesetzgeber tun?
Steven Braun: Aus unserer Sicht sind zwei Dinge zentral: mehr Zeit und weniger Komplexität. In den letzten Jahren haben wir bereits mehrere tiefgreifende Anpassungen in der Marktkommunikation erlebt. Diese waren durchaus notwendig – vor allem, um europäische Vorgaben umzusetzen. Doch in der praktischen Umsetzung wurde zu lange gezögert. Die Folge: sehr ambitionierte Zeitpläne, die die Marktteilnehmer an ihre Belastungsgrenzen führen.

Eine bessere Koordination und eine frühzeitigere Einbindung aller Beteiligten wären hier hilfreich gewesen. Denkbar wäre zum Beispiel auch, die Anzahl der Formatanpassungen pro Jahr zu reduzieren – um der Branche wenigstens kurzfristig eine dringend benötigte Verschnaufpause zu ermöglichen.

Ziele mit m2g Consult

e.b: Herr Braun, Sie sind zum 1. Juni dritter Geschäftsführer bei m2g Consult geworden. Was ändert sich dadurch? Was sind Ihre Ziele?
Steven Braun: Mit meiner Berufung zum Geschäftsführer möchte ich den Fokus gezielt auf den Ausbau von Partnerschaften und Kooperationen legen. Die Anforderungen in der Energiewirtschaft werden immer komplexer – das kann kein einzelner Marktakteur mehr allein stemmen.

Wir bei m2g sind überzeugt davon, dass es ein starkes Netzwerk braucht, um tragfähige und zukunftssichere Lösungen zu entwickeln. Genau an dieser Schnittstelle wollen wir uns weiter positionieren – als integrativer Partner, der Brücken zwischen IT, Fachlichkeit und Marktanforderungen im Messwesen baut.

 

 

 

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