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Michael Calovini: „Wasserstoff ist der Schlüssel zur Klimaneutralität, aber keine kurzfristige Lösung“

Wasserstoff
„Wasserstoff ist der Schlüssel zur Klimaneutralität“, sagt Michael Calovini, allerdings werde es noch rund zehn Jahre dauern, bis er sich flächendeckend durchsetzt. Haupteinsatzgebiete sind für den Experten Schiffe, Schwerlastverkehr, Züge und Personennahverkehr. (Bild: akitada31 / Pixabay)

Wasserstoff wird fossile Brennstoffe nicht komplett ersetzen können

Wasserstoff gilt als Hoffnungsträger der Energieversorgung. Michael Calovini, Sprecher von The H2 Network, sieht das genau so, doch der Wandel wird laut seiner Einschätzung Zeit brauchen: Wasserstoff bietet keine kurzfristigen Lösungen. Bis er flächendeckend zum Einsatz kommt, werden noch rund zehn Jahre ins Land ziehen. Bis dahin gilt es, einen intelligenten Mix aller verfügbaren Energieträger zu nutzen.“

e.b: Herr Calovini, wie bewerten Sie den Einfluss der aktuellen Entwicklungen in der Ukraine auf die Nutzung von Wasserstoff für die Energieversorgung hierzulande?

Calovini: Dieser Krieg führt zu großen Verwerfungen auf den Energiemärkten. Das zeigt sich sowohl bei der Kohle als auch bei Öl und Gas. Klar ist: Alles wird deutlich teurer. In diesem Zusammenhang nimmt das Thema Wasserstoff gewaltig an Fahrt auf. Der Krieg wird regelrecht zum Push-Faktor. Allerdings darf man sich nichts vormachen: Wasserstoff bietet für die Energieversorgung keine kurzfristigen Lösungen. Bis H2 flächendeckend zum Einsatz kommt, werden nach meiner Einschätzung  noch rund zehn Jahre ins Land ziehen. Bis dahin gilt es, einen intelligenten Mix aller verfügbaren Energieträger unter der Prämisse der angestrebten Klimaneutralität und reduzierter Abhängigkeiten zu nutzen. Hier müssen wir ganzheitlich denken und die Zähne zusammenbeißen.

„Müssen fürsorglicher und sparsamer mit Energie umgehen“

e.b: Was halten Sie von Wasserstoffimporten aus dem Ausland?

Michael Calovini

Calovini: Wir müssen alle Quellen, die uns zur Verfügung stehen, nutzen. Der Preisdruck ist immens, auch unter Berücksichtigung der Transportkosten. Wir werden künftig mit der Energie fürsorglicher und sparsamer umgehen müssen, damit uns die Kosten nicht um die Ohren fliegen. In diesem Sinne sollten wir alle dazu beitragen, dass wir weniger Energie importieren müssen.

e.b: Wie schätzen Sie die Rolle von Wasserstoff bei der Dekarbonisierung von Europas energieintensivem Stahl- bzw. Chemiesektor ein?

Calovini: Aus meiner Sicht ist der Wasserstoff der Schlüssel zur Klimaneutralität. Längst hat etwa die Stahlindustrie entsprechende Programme aufgesetzt. Auch andere Großunternehmen wollen ihren Beitrag zur Klimaneutralität leisten. Insgesamt ist das aber eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe.

„Bei der Verabschiedung fossiler Brennstoffe stehen wir vor einer Zeitreise“

e.b: Wird Wasserstoff die fossilen Brennstoffe komplett ersetzen können?

Calovini: Das wird der Wasserstoff alleine nicht können. Vielmehr sehe ich einen Mix aus grünem Wasserstoff, Photovoltaik, Windenergie, dezentralen Heizsystemen und e-Fuels. Bei der Verabschiedung fossiler Brennstoffe stehen wir allerdings vor einer Zeitreise.

e.b: Wo sehen Sie konkrete Einsatzszenarien von H2?

Calovini: In erster Linie bei der Brennstoffzellen-Technologie für Schiffe, den Schwerlastverkehr, bei Zügen und dem Personennahverkehr. Aber auch bei Großverbrauchern wie der Stahl- und Chemieindustrie. Dort erwarte ich sehr große Fortschritte.

„Energie wird definitiv teuer. Das betrifft alle Energieträger“

e.b: Profitiert auch der Endverbraucher von den Aktivitäten rund um den Wasserstoff?

Calovini: Wir Verbraucher waren insgesamt über Jahrzehnte verwöhnt hinsichtlich der Energiepreise. Das ist Geschichte. Die Energie wird definitiv teuer. Das betrifft alle Energieträger. Die Endverbraucher profitieren am ehesten von der Versorgungssicherheit und natürlich auch von der Klimaneutralität.

e.b: Wo sehen Sie die nächsten Schritte in punkto der Wasserstoffnutzung?

Calovini: Wir verfügen über eine sehr gute Infrastruktur, was das Gasnetz angeht. Dort werden wir peu a peu den Anteil an Wasserstoff hochfahren. Ich erwarte zunehmende Einsatzszenarien in der Schwerindustrie. Es folgt der Schwerlastverkehr und die zentrale Wärmeversorgung, danach die dezentralen Systeme, bei denen allerdings in dieser Zeitreise ggf. andere, alternative Energieträger gesetzt sein könnten.

„Aus den Konzeptstudien konkrete Projekte ableiten“

e.b: In welcher Rolle sehen Sie Ihr über das Zentrale Innovationsprogramm Mittelstand (ZIM) geförderte Innovationsnetzwerk „The H2 Network“ ?

Calovini: Wir fungieren als Antreiber, Katalysator, Moderator, Begutachter. Daneben bringen wir mit unseren Mitgliedern die notwendigen Produkte schneller und gezielter auf den Markt. Wir bündeln die Aktivitäten und vermeiden Doppelarbeit. Am Ende stehen dem Markt geeignete Produkte schneller zur Verfügung.

e.b: Wo stehen Sie gerade mit Ihren Netzwerk-Aktivitäten?

Calovini: Gerade haben wir die Phase 1 gemeistert. Dabei konnten wir sehr schöne Projektansätze entwickeln und hatten diverse Veranstaltungen, bei denen sich die Ingenieure auf hohem Niveau ausgetauscht haben. Aufgrund der aktuellen Situation gibt es zurzeit Verzögerung bei ZIM. Im Sommer wird es aber weiter gehen. Dann werden wir aus den Konzeptstudien konkrete Projekte ableiten, begleiten und zum Markterfolg führen.

e.b: Herr Calovini, vielen Dank für das Gespräch.

Weitere Informationen:
The H2 Network
Michael Calovini
michael.calovini@t-online.de
www.the-h2-network.com

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