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Sascha Schlosser, LBD-Beratungsgesellschaft mbH: „Kommunale Wärmeplanung nicht als Pflicht, sondern als Chance verstehen!“

Sascha Schlosser
Sascha Schlosser, Mitglied der Geschäftsführung der LBD-Beratungsgesellschaft mbH, appelliert an Kommunen und Stadtwerke, bei der kommunalen Wärmeplanung und der Umsetzung der Wärmewende eng zusammenzuarbeiten." (Bilder: LBD)

Sascha Schlosser: „Stadtwerke und Kommunen sollten zusammenarbeiten, eine gute Datenbasis schaffen und den kompletten Prozess der Transformation digitalisieren“

Die Wärmewende zählt zu den größten Herausforderungen bei der Dekarbonisierung des Energiesystems. Unlösbar? Keineswegs. Sascha Schlosser, seit Mai 2023 Mitglied der Geschäftsührung der LBD-Beratungsgesellschaft mbH in Berlin, hat jedenfalls klare Vorstellungen davon, wie sie gelingen kann. Schlossers Credo: „Digitalisierung ist der Katalysator im Transformationsprozess zur Klimaneutralität.“ energie.blog fragte den Digitalisierungsexperten, wie er sich den Weg von der kommunalen Wärmeplanung (KWP) bis zur Umsetzung vorstellt und welche Zutaten für das Gelingen der Wärmewende gefragt sind.

e.b: Herr Schlosser, mit der kommunalen Wärmeplanung kommt eine Aufgabe auf Kommunen und Stadtwerke in Deutschland zu, deren Ausmaß immsens ist. Lässt sich das Volumen mit einigen Zahlen begreiflich machen?

Schlosser: Große Kommunen mit über 100.000 Einwohnern müssen bereits bis Mitte 2026 ihre kommunale Wärmeplanung finalisieren. Zum Jahresende 2022 waren das ca. 80 Kommunen. Alle anderen ca. 11.000 Kommunen haben zwei Jahre länger Zeit. Für ganz kleine Kommunen wird es vereinfachte Verfahren geben, das müssen jetzt die Länder regeln.

„Ohne belastbare Datengrundlage wird es nicht gelingen“

e.b: Was sind die größten Herausforderungen bei diesem Projekt?

Schlosser: In vielen Kommunen geht es um den kompletten Umbau hin zu einer klimaneutralen Wärmeversorgung. Dabei stellen sich zentrale Fragen: Wo können wir Fernwärme erweitern? Wo können wir die Gasinfrastruktur reduzieren? Wo müssen wir Wärmepumpen vorsehen?  Wo können welche Quellen für die Wärmeversorgung mit erneuerbaren Energiequellen erschlossen werden. Die Entscheidungen am Gebäude und im Quartier haben Wirkung auf die Infrastrukturen – und umgekehrt. Ohne belastbare Datengrundlagen und ohne eine umfassende Digitalisierung des gesamten Planungsverfahrens wird das bei dieser hohen Komplexität und den unterschiedlichen Anforderungen in der Kürze der Zeit nicht gelingen.

e.b: Welche Rolle spielen Stadtwerke und Energieversorger in der Wärmewende?

Schlosser: Damit diese Pläne umgesetzt werden können, müssen sie in konkrete Maßnahmen der jeweiligen Energieunternehmen übersetzt werden. Wir empfehlen eine enge Zusammenarbeit mit den örtlichen Energieversorgern und Netzbetreibern. Gerade in kleinen Kommunen verstehen wir die Wärmeplanung auch als ein Serviceangebot im Portfolio von regionalen Versorgern und Netzbetreibern, mit dem diese Klimaneutralität in ihren Konzessionskommunen unterstützen können. Am Ende entstehen ganz neue Kompetenz- und Geschäftsfelder für diese neuen „Wärmewendedienstleister“: Fernwärmevertrieb, Quartiersentwicklung, Energielösungen wie Wärmepumpen. Die regionalen Versorger haben die Datengrundlagen, sie können komplexe Infrastrukturdaten ganzheitlich betrachten und sollten dies auch nutzen.

„Wärmewende ist ein attraktiver Markt“

e.b: Sind Kommunen und Versorger darauf vorbereitet? Wo stehen sie heute?

Schlosser: Für Stadtwerke und Energieversorger ist die Umsetzung der Wärmewende ein attraktiver Markt. Kommunen und Stadtwerk sollten hier Hand in Hand gestalten und umsetzen. Der Aufwand der Datenbeschaffung seitens der Kommunen muss dabei möglichst gering gehalten werden, damit der Großteil der dort verfügbaren Ressourcen für interne Abstimmungen und vor allem für den Dialog mit den beteiligten Akteuren eingesetzt werden kann. Daher kann die KWP seitens der Kommune oftmals nur mit kompetenten Partnern sowie mit digitalen Tools gesichert entwickelt und nachhaltig erbracht werden. Anbieter von digitalen Tools müssen in der Lage sein, die zweifellos hohe Komplexität und Dynamik im Wärmeplanungsprozess so weit zu reduzieren, dass die Ergebnisse der Tools durch die Verwaltung gegenüber den politischen Gremien und der Bürgerschaft dauerhaft und nachhaltig genutzt werden können.

e.b: Mit INFRA|Wärme bietet die LBD eine spezielle Software für die kommunale Wärmeplanung an. Wie erklärt sich, dass ein Tool verfügbar ist, obwohl die Wärmewende noch gar nicht richtig begonnen hat?

Schlosser: Zunächst einmal: Die Wärmewende hat schon längst begonnen, selbst wenn erst vor kurzem das Wärmeplanungsgesetz in Kraft getreten ist. Wir beraten schon seit vielen Jahren zum klimaneutralen Umbau der Erzeugungsseite: Stichwort Großwärmepumpen, Flusswärme, Abwärme etc. In unseren Projekten zur Strategie in Hamburg und Mannheim sehen wir beispielsweise 50 % Ausbau und Verdichtung des Fernwärmenetzes vor, um Klimaneutralität zu erreichen. Mannheim will als absoluter Vorreiter bis 2030 klimapositiv werden. Hier sind wir nicht am Anfang, sondern mittendrin.

Sascha Schlosser

Mit INFRA|Wärme können Fernwärmepotentiale über syntetischesynthetische Netz-Cluster ausgewertet und Investitionskosten sowie Deckungsbeiträge errechnet werden.

Digitaler Zwilling für die Wärmewende

Stichwort INFRA|Wärme. Das ist ein browser-basiertes digitales Tool, das wir auf der Grundlage von verschiedenen geo-referenzierten Infrastrukturdaten unter Nutzung intelligenter Algorithmen entwickelt haben. Alle Elemente der Wärmeplanung für eine Kommune oder ein Versorgungsgebiet werden mit einem digitalen Zwilling nachgebildet. Beispielsweise als der „Digitale Zwilling Mannheim“ ist unser Tool schon seit Jahren im Einsatz.

e.b: Was leistet die Software? Und was unterscheidet sie von anderen Lösungen?

Schlosser: Unsere Software verschafft einen detaillierten Überblick über die komplette Infrastruktur, vom Gebäude über die Versorgung und ermittelt Potentiale hin zu einem klimaneutralen Zielbild. Von der Datensammlung über die Darstellung, Bestands-und Potenzialanalyse bis hin zu den Szenarien-Berechnungen unterstützt die Software mandantenbasiert alle Belange einer ganzheitlichen und nachhaltigen Wärmeplanung. Damit wird diese Software der hohen Komplexität und den Wechselwirkungen wissensbasierter Entscheidungen gerecht.

Sascha Schlosser

Wärmenetze lassen sich über individuell definierbare Projektgebiete analysieren, hier am Beispiel einer industriellen Abwärmequelle zur Versorgung eines Wohngebiets.

INFRA|Wärme profitiert dabei als intelligentes Software-Produkt von der inhaltlichen Expertise der LBD-Beratungsgesellschaft aus über 30 Jahren energiewirtschaftlicher Beratung. Unsere Software ist intelligent, absolut anpassungsfähig und wird stetig weiterentwickelt. Die Erstellung der KWP mit INFRA|Wärme bildet nur den ersten Schritt in der kommunalen Wärmewende ab – weitere Module zur Unterstützung bei der Realisierung der Planung werden folgen und sind bereits in Entwicklung.

Software bei EVU und Kommunen schon im Einsatz

e.b: Welche ersten Erfahrungen gibt es aus Projekten?

Schlosser: INFRA|Wärme ist bei großen Energieversorgern und Kommunen für die Wärmeplanung und Wärmewendestrategie, für Transformationsplanung, Machbarkeitsstudien und die Quartiersentwicklung im Einsatz – für über 8,5 Mio Einwohner. LBD unterstützt auch mit Beratung und INFRA|Breitband beim Breitbandausbau für über 250 Kommunen in Baden-Württemberg. Die Analyse, Planung, Markterkundung, Förderantragstellung und Kommunikation mit den Stakeholdern funktionieren dabei automatisiert im Tool. Beide Tools basieren auf INFRA|analytics, als digitaler Begleiter für die Energie- und Wärmewende – für Wärme, Solar, Wind und Breitband.

e.b: Aus Beratersicht ganz allgemein: Drei Dinge, die Kommunen und Stadtwerke zuallererst tun sollten? Und was sollten sie unbedingt vermeiden?

Schlosser: Stadtwerke und Kommunen sollten zuallererst zusammenarbeiten, gemeinsam eine gute Datenbasis schaffen und den kompletten Prozess der Transformation digitalisieren – dabei rede ich nicht von einem Worddokument. Vermeiden sollten sie, die Wärmeplanung als Pflichtaufgabe zu sehen, sondern als große Chance.

e.b: Herr Schlosser, vielen Dank für das Gespräch!

Das Interview wurde schriftlich geführt.

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