Die Psychologie des Verkaufens: Warum viele Verkaufsgespräche in der heißen Phase scheitern
Von Peter Holl *
Ein typisches Verkaufsgespräch: Der Verkäufer wird kurz vor dem Abschluss nervös, erinnert sich an Situationen, in denen der sicher geglaubte Abschluss doch noch in Gefahr geriet. Auch der Kunde wirkt nun angespannt, will sich den Kauf noch einmal überlegen. Warum scheitern so viele Verkaufsgespräche in der „heißen Phase“? Was können Vertriebsleiter tun, um ihre Mitarbeiter zur Abschlusssicherheit zu verhelfen?
Wahrscheinlich kennen auch Ihre Verkäufer eine Vielzahl an Techniken und Methoden, um den Kunden zum Abschluss zu führen. Nutzenargumentation, Einwandbehandlung, Gesprächsleitfaden – die Literatur mit den entsprechenden Tipps und „Regeln“ füllt ganze Regalwände. Demnach müssten eigentlich die meisten Verkaufsgespräche erfolgreich verlaufen – doch die Realität spricht eine andere Sprache.
Das Unterbewusstsein meldet sich zu Wort. Ein gewichtiger Grund, warum viele Verkaufsgesprächs doch kein gutes Ende finden, liegt in der psychologischen Disposition, in der sich Verkäufer und Kunde befinden.
Denn in der entscheidenden Schlussphase des Gesprächs meldet sich das Unterbewusstsein zu Wort und sendet Botschaften aus, die eine erhebliche Verunsicherung nach sich ziehen:
– Der Verkäufer hat alle Nutzenargumente präsentiert, der Kunde ist so gut wie überzeugt.
Doch plötzlich flüstert dem Verkäufer eine innere Stimme zu: „Du musst den Abschluss jetzt unbedingt zu einem Ende bringen. Was passiert, wenn du es nicht schaffst und der Kunde jetzt nein sagt?“
Der Verkäufer ist verunsichert – und in diesem Moment bringt der Kunde noch einen Einwand vor. Darauf ist der Verkäufer nicht vorbereitet, zu sehr ist er mit seinem inneren Monolog und seiner Befürchtung, der Abschluss könne noch scheitern, beschäftigt.
– Ähnliches geschieht auf Seiten des Kunden, der die Botschaft erhält: „Jetzt bloß noch nicht festlegen, lieber noch eine Nacht drüber schlafen!“
Psychologische Aspekte spielen im Verkaufsgespräch eine erhebliche Rolle – mittlerweile gehört dies zum Standardwissen des Vertriebsleiters. Doch wie sieht das bei Ihren Verkäufern aus?
„Diesen Hokuspokus brauche ich nicht, ich beherrsche mein Verkaufshandwerkszeug aus dem Effeff“ – mit diesem und ähnlichen Argumenten lehnen es immer noch einige Verkäufer ab, sich mit dieser Dimension ihrer Arbeit zu beschäftigen. Und Verkäufer, die dies doch tun, antworten darauf mit dem Erwerb von noch mehr Techniken – und dringen so zum eigentlichen Kern der Sache nicht vor.
Es liegt in der Verantwortung des Vertriebsleiters, seine Verkäufer auf die Dominanz des Unterbewusstseins in der Verkaufsverhandlung hinzuweisen. Dies kann in einem Mitarbeitergespräch geschehen, in dem Sie gemeinsam mit dem Verkäufer feststellen, ob und warum er gerade in der „heißen Phase“ Probleme hat, und Strategien entwickeln, die ihm helfen, das Gespräch trotzdem erfolgreich abzuschließen.
Ein solches Gespräch sollte die folgenden Aspekte umfassen:
Ist-Zustand feststellen
Eine erfolgreiche Gesprächsführung ist immer dann möglich, wenn Sie sich über die Gesprächsintention und die Gesprächsziele im Klaren sind. Die präzise Festlegung der Gesprächsabsichten erlaubt eine detaillierte Gesprächsauswertung, in der die gesetzten und die tatsächlich erreichten Ziele miteinander verglichen werden können.
Dazu beantworten Sie sich vor jedem Gespräch folgende Fragen:
– Weshalb führe ich dieses Gespräch?
– Welche Hauptziele, welche Nebenziele will ich erreichen?
– Welche Ergebnisse soll das Gespräch haben?
Bei diesem Gespräch geht es nicht um eine Kritik an dem Mitarbeiter, weil seine Verkaufsgespräche manchmal scheitern, sondern um die Feststellung der Gründe. Eröffnen Sie das Gespräch konstruktiv, loben Sie den Verkäufer für eine erbrachte Leistung:
Sie möchten ihm helfen, seine Verkaufsergebnisse zu verbessern. Um eine Grundlage zu haben, wollen Sie gemeinsam mit ihm analysieren, welche Faktoren aus seiner Sicht dafür verantwortlich sind, dass ein Gespräch nicht zum erhofften Ergebnis führt.
Mit hoher Wahrscheinlichkeit wird der Verkäufer bereits selbst seine Abschlussschwierigkeiten festgestellt haben – ansonsten kann dieser Punkt von Ihnen eingebracht werden.
Bewusstseinsebenen diskutieren
Nun thematisieren Sie die drei Bewusstseinsebenen und ihre Bedeutung auf unsere Entscheidungen. Berichten Sie aus Ihrer eigenen Erfahrung als Verkäufer und erläutern Sie Ihrem Mitarbeiter, wie Sie gelernt haben, dass der Kunde in der Abschlussphase einen mächtigen Verbündeten auf seiner Seite hat: den „Neandertaler“ oder das Unterbewusstsein.
Wenn Sie sich selbst als Gewährsmann ins Spiel bringen, wird Ihr Verkäufer Ihre Ausführungen kaum als Angriff an seine Kompetenz interpretieren.
1.) Das Ich-Bewusstsein ist für rationale Entscheidungen zuständig. Auf der Vernunftebene sind alle sachlichen Überlegungen angesiedelt, die für oder gegen den Kauf eines Produktes oder einer Dienstleistung sprechen. In dieser Phase des Gesprächs wägt der Kunde die Nutzenargumente des Verkäufers kühl und sachlich ab und überlegt:
- „Ich benötige dieses Produkt, denn es ist praktisch und nützlich. Die Argumente des Verkäufers überzeugen mich.“ Oder:
- „Ich werde das Produkt nicht kaufen, es ist zu teuer.“
2.) Das individuelle Unterbewusstsein ist für die emotionalen Entscheidungen zuständig. Hier entstehen die für oder gegen den Kauf sprechenden Gefühle, und oft gewinnt das Wunschdenken die Oberhand:
- „Das Produkt ist nicht nur praktisch. Wenn ich es kaufe, steigt bestimmt auch mein Ansehen bei den Kollegen.“ Oder:
- „Das Produkt ist zwar nützlich, aber der Verkäufer ist mir unsympathisch – ich kaufe nicht.“
3.) Das kollektive Unterbewusstsein schließlich wird von unseren ererbten Eigenschaften und Anlagen geprägt. Wichtig für den Verkaufsprozess ist insbesondere, dass der Mensch sich in der Regel scheut, sich von der Masse abzuheben. Daher könnte ein Argument, das den Kunden auf dieser Ebene beeinflusst, lauten:
- „Wenn ich das Produkt kaufe, werde ich akzeptiert. Alle anderen besitzen es auch“
- Allerdings gestaltet sich die Sache kompliziert, weil ein anderer Kunde eher danach strebt, sich von der Masse abzuheben: „Wenn ich dieses Produkt kaufe, mache ich mich den anderen Menschen gleich. Und das will ich nicht.“
Mit den Beispielen zeigen Sie Ihrem Verkäufer:
Er muss die verschiedenen Bewusstseinsebenen mit verschiedenen Argumenten ansprechen. Seine Verkaufsinstrumente und Verkaufstechniken sind vor allem auf der ersten Ebene wirksam.
Die Strategien des Beziehungsaufbaus und seine emotionale Intelligenz hingegen rekurrieren eher auf die zweite Ebene, während die dritte am schwersten zugänglich ist, weil hier tief verankerte Normen, Glaubenssätze und Überzeugungen bestimmend sind.
Vielleicht wird an dieser Stelle eine Diskussion mit Ihrem Verkäufer entbrennen –das Modell ist ihm zu simpel, zu abstrakt, nicht einsichtig genug. Aber vielleicht wird Ihr Verkäufer bereit sein, zumindest in Erwägung zu ziehen, dass ein Verkaufsgespräch nicht allein auf der rationalen Entscheidungsebene abläuft und er daher die Existenz und Wirkung unterbewusster Botschaften berücksichtigen sollte.
Lassen Sie sich vom Verkäufer ein paar Verkaufsgespräche schildern, die in der Abschlussphase ergebnislos verlaufen sind, und erläutern Sie mit ihm, ob das „Schichtenmodell“ des Unterbewusstseins eine Erklärung dafür liefert.
Konsequenzen darstellen
Nun haben Sie eine Grundlage, mit Ihrem Verkäufer potenzielle Barrieren zu besprechen, die ihm bisher im Verkaufsgespräch im Wege standen. Wichtigste Erkenntnis ist, dass er nicht nur ein Produkt, sondern zudem die Vorstellungen, die sich der Kunde davon macht, verkauft. Nehmen wir an, ein Kunde will einerseits ein Auto kaufen, das über bestimmte Eigenschaften verfügt.
Er möchte jedoch zugleich ein Prestigeobjekt erstehen, mit dem er Anerkennung und Akzeptanz erwirbt. Diese Erkenntnis kann Ihren Verkäufer veranlassen, seinen Argumentationsköcher mit ganz neuen „Pfeilen“ zu bestücken:
- Er kann auf allen drei Ebenen „Jas“ des Kunden sammeln. Positive Äußerungen des Kunden wiederholt er in einer Frage: „Eine schnelle Lieferung des Wagens käme Ihnen also gelegen?“ Hinweise auf emotionale Entscheidungen des Kunden kann er verstärken, indem er sie verbalisiert: „Ein solcher Wagen bringt auch soziale Anerkennung mit sich, das stimmt gewiss.“
- Aber Achtung: Ihr Verkäufer darf die Macht des Unterbewusstseins nie manipulatorisch einsetzen. Im Vordergrund auch des heißesten Verkaufsgesprächs steht immer der Kunde mit seinem Bedarf und seinen Wünschen – nie der Abschluss an sich!
Falls Ihr Verkäufer enttäuscht über misslungene Verkaufsgespräche ist und die „Schuld“ bisher primär in seinem Verhalten und seiner Vorgehensweise gesucht hat, verfügt er jetzt über ein weiteres Erklärungsmodell, nämlich die unterbewussten Prozesse, die bei ihm und beim Kunden relevant sind.
Allerdings darf dieses Erklärungsmodell nicht nur zur „Schuldentlastung“ herangezogen werden. Vielmehr sollten Sie mit dem Verkäufer diskutieren, inwiefern er das Erklärungsmodell nutzen kann, um seine Abschlussphase zu optimieren.
Unterbewusste Botschaften „seines“Neandertalers lassen ihn beispielsweise eindeutige Kaufsignale des Kunden gar nicht erst registrieren. Wer in der Abschlussphase mit den „Einflüsterungen“ seines Neandertalers beschäftigt ist, überhört die Fragen des Kunden, die eigentlich erst nach dem Abschluss wichtig wären, etwa: „Wie sehen eigentlich Ihre Zahlungsmodalitäten aus?“
Ihr Ziel sollte darin bestehen, den Verkäufer für die feinen, aber eindeutigen Signale zu sensibilisieren, die auf die Bereitschaft des Kunden zum Abschluss hindeuten:
- Der Kunde äußert seinen Wunsch direkt in der Ich-Form.
- Er stellt konkrete Detailfragen, um letzte Unklarheiten zu beseitigen.
- Der Kunde scheint begeistert zu sein und drückt dies mit seiner Körpersprache aus.
Der Verkäufer kann nun Widersprüche in der Argumentation des Kunden erklären und aktiv für sich nutzen: Hat sich der Kunde zustimmend zum Angebot geäußert, zögert er jedoch beim Abschluss, weiß der Verkäufer:
Der „Neandertaler“ ist am Werk, und sagt: „Weshalb nehmen Sie den Nutzen des Produktes nicht sofort wahr?“ Oft neigt der „Neandertaler“ im Kunden zum Feilschen. Auch wenn dieser sich eigentlich schon zum Kauf entschlossen hat, flüstert jener ihm ein, das Optimale herauszuholen, also den Preis zu drücken oder ein Extra zu verhandeln.
Und obwohl Ihr Verkäufer gewiss über einige Preisverhandlungstechniken verfügt, wird er verunsichert, weil ihm „sein Neandertaler“ suggeriert, nun scheitere der Kauf doch noch. Doch das Wissen um die drei Ebenen des Unterbewusstseins wird Ihren Verkäufer souveräner mit diesem „Angriff“ des Kunden-Neandertalers umgehen lassen.
Er erkennt ihn nun als normales Ritual der Abschlussphase. Sein Vorteil: Er büßt nichts von seiner Sicherheit ein und geht das Preisargument des Kunden mit Ruhe und Gelassenheit an.
* Peter Holl verwendet das generische Maskulinum, meint also immer beide Geschlechter.
Steckbrief Peter Holl
– Geboren 1960 in Gießen
– Kaufmann, Pädagoge und Journalist
– Mehr als 20-jährige Praxis in Vertrieb und Management (u.a. ZDF)
– Seit 2010 Partner von > impuls!
– Erfahrungen als Coach, Management- und Verkaufstrainer seit 1995
– Zertifizierter Business Trainer und Coach
– Digital-Manager (IHK)
Kontakt: Peter.Holl@impuls-training.de