„Fortbestand der CURSOR-Familie wichtig, das ist unsere DNA“
Die CURSOR Stiftung soll die langfristige Zukunft der CURSOR Software AG sichern. Wie das gelingt und warum das familiengeführte Unternehmen bisher so erfolgreich ist, erläutern Thomas und Anne Rühl im Interview mit energie.blog. Thomas Rühl als CEO und Gründer des CRM-Spezialisten leitet von Anfang die Geschicke des Unternehmens und erinnert sich an eine kuriose Anfangszeit. Seine Tochter Anne spricht als Head of Product Management über die neuesten Trends in der Energiewirtschaft. Beide haben auch die Leitung der Stiftung übernommen.
e.b.: Herr Rühl, Sie haben erst vor kurzem bekannt gegeben, dass die CURSOR Stiftung gegründet wurde. Was hat es damit auf sich?
Thomas Rühl: Es ging uns darum, die langfristige Unternehmenszukunft zu sichern und damit unseren Kunden und Mitarbeitenden höchstmögliche Sicherheit zu geben. In unserer Unternehmensstrategie sind drei Säulen definiert: Erstens zufriedene Kunden, zweitens zufriedene Mitarbeitende und drittens zufriedene Shareholder. Mit diesen drei Säulen – das ist meine Überzeugung – ist jedes Unternehmen erfolgreich. CURSOR selbst wird von über 80 Aktionärinnen und Aktionären getragen, und das sind in der Regel unsere Mitarbeitenden.
Wir sind ein Familienunternehmen. Meine Frau Christina Rühl hat auch 31 Jahre bei CURSOR gearbeitet und das Personalmanagement geleitet. Mit der CURSOR Stiftung wollen wir nun ein klares Signal senden, dass wir unseren Erfolg langfristig sichern. Deshalb wurden Ende Dezember 75 Prozent der Anteile von CURSOR in die Stiftung übertragen und liegen damit unverkäuflich in den Händen der CURSOR Stiftung. Und damit senden wir auch ein starkes Signal an unsere Kunden: Sie können langfristig auf CURSOR in Sachen digitales Kundenmanagement setzen.
Gründe für die Stiftungsgründung
e.b.: Warum haben Sie sich hier für eine Stiftung entschieden?
Thomas Rühl: Es ist eine besondere Rechtsform in Deutschland. Eine Stiftung ist auf ewig angelegt, kann nicht vererbt, verkauft, nicht gepfändet oder liquidiert werden. Bundesweit gibt es etwa 250 Stiftungen, die älter als 500 Jahre sind. Eine der bekanntesten und ältesten ist die Fugger-Stiftung in Augsburg, das war die erste soziale Wohnungssiedlung auf der Welt. Für uns war die Ludwig-Schunk-Stiftung aus Heuchelheim bei Gießen das Vorbild. Ludwig Schunk hat seinerzeit als Maschinenbauer ein mittelständisches Unternehmen gegründet. Als er 1947 starb, gab es 60 Mitarbeitende, und das Unternehmen wurde an seine Stiftung vererbt. Daraus ist inzwischen ein weltweiter Hightech-Konzern mit 9.000 Mitarbeitenden geworden.
Wir wollen mit der Stiftung die Eigenständigkeit und Unabhängigkeit der CURSOR Software AG erhalten. Denn die Frage ist auch immer: Wie geht es nach der ersten Generation weiter? Oftmals wird ein Unternehmen veräußert. Viele davon entwickeln sich gut, aber wir haben auch solche gesehen, wo das nicht der Fall war. Denn wenn ein Käufer einen hohen Preis für das Unternehmen bezahlt, möchte er auch eine hohe Rendite. Die erreicht man oftmals durch Personalkürzungen. Dann leiden schnell die Leistungsfähigkeit des Unternehmens und die Mitarbeitenden.
Anne Rühl: Es wäre der einfache Weg gewesen, das Unternehmen zu verkaufen, das mein Vater aufgebaut hat. Aber für uns ist CURSOR mehr als nur ein Unternehmen – es ist unsere Familie. Unsere Mitarbeitenden sind Teil davon, und deshalb haben wir, die Familie Rühl, bewusst entschieden, diese „CURSOR-Familie“ zu erhalten. Genau aus diesem Grund haben wir die Stiftung gegründet: um sicherzustellen, dass das Unternehmen langfristig besteht und weiterentwickelt wird, zum Vorteil der Mitarbeitenden und der Kunden. Das ist unsere CURSOR-DNA, dass wir uns als Familie verstehen und füreinander da sind.
Zusammenarbeit und Besonderheiten der Stiftung
e.b.: Wie arbeiten Sie in der Stiftung zusammen?
Anne Rühl: Das Wichtigste ist, dass wir unsere Ideen aus unterschiedlichen Perspektiven und Erfahrungen zusammenbringen. Deswegen besteht die Stiftung nicht nur aus mir, meinem Vater und weiteren Familienmitgliedern, sondern es ist eine Person aus der Mitarbeitervertretung beteiligt und es gehört ein externer Unternehmer dazu, die die Stiftung mitgestalten. Unser Ziel ist, die Weichen für nachfolgenden Generationen zu stellen.
e.b.: Der Stiftungssitz hat außerdem noch eine Besonderheit?
Thomas Rühl: Ja, das stimmt. Gießen ist die Nummer 1 in Bezug auf die Studierendendichte in Deutschland. Wir haben 100.000 Einwohner in der Kernstadt von Gießen und zwei Hochschulen mit 40.000 Studierenden. Dies bedeutet die höchste Studierenden-Dichte in Deutschland. CURSOR pflegt eine enge Zusammenarbeit mit beiden Hochschulen, einerseits mit der Technischen Hochschule Mittelhessen, THM, die drittgrößte technische Hochschule in Deutschland sowie der Justus-Liebig-Universität. Mit unserer Stiftung werden wir den Nachwuchs fördern und bei besonderen herausragenden Studienleistungen und sozialem Engagement Preise vergeben – zum Beispiel für Bachelor- oder Masterthesen, aber auch für andere Anlässe. Hier wollen wir im zweiten Halbjahr 2025 loslegen.
Rückblick auf die Anfänge
e.b.: CURSOR ist am 1. April 1987 gestartet. Wie fing das alles an?
Thomas Rühl: Es fing etwas ungewöhnlich an: Ich hatte aus meiner vorherigen Tätigkeit einen ersten Interessenten für eine sogenannte Vertriebssteuerung. Der Interessent suchte eine Software für sein Kundenmanagement, wollte allerdings keinen riesigen Rechner dazu kaufen, wie das damals üblich war. Meine Idee war, hierfür eine PC-Software zu entwickeln. Mein damaliger Chef hielt das für unrealistisch, und so machte ich mich selbständig. Die Einsatzbereiche dieser Datenbank gingen über das Kundenmanagement hinaus, weshalb sich bald Firmen wie BASF und Lufthansa für uns interessierten. 1988 haben wir bereits unsere erste Million D-Mark Umsatz gemacht.
Erste große CRM-Projekte schon vor der Liberalisierung
Inzwischen können wir weltweit auf über 25.000 Anwenderinnen und Anwender in über 500 Unternehmen zurückblicken – eine echte Erfolgsgeschichte.
e.b.: Wenn Ihre ersten Kunden unter anderem BASF und Lufthansa waren, wie kamen Sie überhaupt zur Energiewirtschaft?
Thomas Rühl: Das war vor dem 28. April 1998, als der Energieverband VDEW auf uns zukam und ein CRM für die Energiebrache gesucht hat, die zu diesem Zeitpunkt liberalisiert werden sollte. Daher haben wir schon vor der Liberalisierung mit mehreren großen Energieunternehmen CRM-Projekte gestartet. Und das Schöne ist: Viele dieser damaligen Kunden sind immer noch dabei, wie die Stadtwerke Düsseldorf, die Wuppertaler Stadtwerke und heutige E.on-Töchter. Wir haben mit unserem energiewirtschaftlichen CRM standardisierte Branchenprozesse definiert und sind darin sehr erfolgreich.
Übrigens zählen auch zwei Übertragungsnetzbetreiber – Amprion und TransnetBW – sowie ein Gas-Fernleitungsnetzbetreiber zu unseren Kunden. Wir decken alle Energiearten ab: Strom, Gas, Wasser, Energiedienstleistungen, erneuerbare Energien usw. – das volle Produktportfolio. Inzwischen können wir weltweit auf über 25.000 Anwenderinnen und Anwender in über 500 Unternehmen zurückblicken – eine echte Erfolgsgeschichte.
Führend in der Branche mit EVI und TINA
e.b.: Worin unterscheidet sich die Energiewirtschaft zu anderen Kunden?
In der Energiewirtschaft sind die Anforderungen hoch, man braucht ein besonderes Datenmodell, und über das Modell werden die energiewirtschaftlichen Prozesse gelegt. Zuletzt haben wir einen neuen standardisierten Netzanschlussprozess umgesetzt, mit dem wir Netzbetreiber mit unserer Lösung TINA unterstützen. Und EVI, als Lösung für die Marktrolle Vertrieb, bildet perfekt den Angebotsprozess für Geschäfts- und Privatkunden ab. Kürzlich wurde ein Direktvermarktungsprojekt mit der EnBW mit fast 10 Gigawatt installierter Leistung realisiert. Unsere Kunden und die sich wandelnden Anforderungen sorgen natürlich auch dafür, dass wir uns immer wieder auf neue Themen einstellen müssen. Mit unseren kontinuierlichen Verbesserungen sind wir mit EVI und TINA in der Branche führend.
e.b.: Zum Stichwort Künstliche Intelligenz: Sie haben kürzlich den KI-Assistenten auf der E-World vorgestellt
Anne Rühl: Wir setzen KI natürlich schon länger um, wir sind nur in diesem Jahr noch einen Schritt weiter gegangen. Dabei legen wir sehr viel Wert auf Datenschutzaspekte, damit die schützenswerten Daten nicht das Unternehmen verlassen und wir EUDSGVO-rechtskonform arbeiten können. Wir loten gemeinsam mit unseren Kunden aus, wo KI auch wirklich sinnvoll und intelligent eingesetzt werden kann. Und so entstand der sogenannte KI-Assistent, den wir auf der E-World vorgestellt haben.
Künstliche Intelligenz und weitere Trends
e.b.: Was sind denn aktuell so die Trends bei Ihren Kunden?
Anne Rühl: Hier gibt es einige Themen. Zum Beispiel Künstliche Intelligenz, um Prozesse effizienter zu gestalten, da gibt es unterschiedlichste Anwendungsszenarien. Zum Beispiel eine intelligente Zusammenfassung von Informationen, wie Dokumente oder auch Kundenkontakte – etwa, wenn Kundeservice-Mitarbeiter mit einem Kunden telefonieren, oder wenn ein Vertriebsmitarbeiter spezifische Informationen braucht. Hier nutzen wir LLM-Modelle, die natürliche Sprache und große Datenmodelle verarbeiten können.
Auch Voice- und Chatbots können auf diese Weise für Standardprozesse im Kundenservice, wie zum Beispiel Zählerstandsmeldungen oder Abschlagsänderungen, genutzt werden. Unsere Kunden sind stets auf der Suche nach Automatisierung und Effizienzsteigerung, und hier hat sich mit KI ein großes Feld eröffnet.
Hinzu kommt der Transformationsprozess in der Energiewirtschaft: Die Energiewende stellt unsere Kunden vor die Herausforderung, die Prozesse weiter zu digitalisieren, zu optimieren und das letzte Quäntchen Effizienz herauszuholen. Dazu gehören auch neue Prozesse, wie die Einführung dynamischer Stromtarife oder auch die Direktvermarktung von erneuerbaren Energien. Das sind unterschiedlichste Massenprozesse, die effizient abgearbeitet werden müssen.
Immer wenn ein neues Thema aufkommt, wird das in unseren Communities schnell mit unseren Kunden besprochen und wir erarbeiten gemeinsam eine Lösung. Diese stellen wir anschließend standardisiert in unserem CRM-System zur Verfügung, so dass unsere Kunden es nutzen können.
Thomas Rühl: Nach 25 Jahren in der Energiebranche würde ich sagen, dass die Trends ähnlich weitergehen werden in den nächsten Jahren. Die erneuerbaren Energien werden sich durchsetzen, davon bin ich überzeugt. Auch die Kundenanforderungen werden steigen. Es ist also schon jetzt eine hohe Dynamik drin und wir sind in Deutschland in einer Vorreiterrolle, was die klimaneutrale Zukunft anbelangt. Hierfür ist das digitale Kundenmanagement – CRM – mit standardisierten Energie-Prozessen ein Erfolgsfaktor.