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Energiewende mit Biogas vollenden

"Das durch anaerobe Fermentierung von Grünzeug erzeugte Biogas sollte nicht sofort verstromt, sondern für die Überbrückung von Dunkelflauten gespeichert werden", sagt Dr. Ulf Bossel. (Bild: © geralt/pixabay Foto: © Ulf Bossel)

Zukunft ohne fossilen Kohlenstoff

Nicht der Energiemangel ist die drohende Gefahr, sondern die bereits spürbare Aufheizung der Atmosphäre durch das bei der Verbrennung fossiler Brennstoffe entstehende Kohlendioxyd. Das im natürlichen Kreislauf zirkulierende CO2 trägt jedoch nicht zur Klimaerwärmung bei. Die Energiezukunft muss also ohne fossile Brennstoffe gestaltet werden. Mit abnehmender Qualität der Uranvorkommen kann auch Atomenergie nicht als ewige Energiequelle dienen. Ein Kommentar

Eine nachhaltige Energieversorgung basiert also auf „Grünstrom“ (Photovoltaik, Wind, Wasserkraft) und „Grünzeug“ (organische Reststoffe von Landwirtschaft, Landschaftspflege, Verpflegung, Gartenbau, Forstwirtschaft und angebauten Energiepflanzen), beides gekoppelt mit rationellster Energienutzung. Zur vollständigen Deckung des Energiebedarfs müssen die zwei Energiequellen „Grünstrom“ und „Grünzeug“ jedoch massiv ausgebaut werden.

Wegen des volatilen Charakters des Grünstroms wird die saisonale Energiespeicherung zu einer fundamentalen Aufgabe der Energiewende. Hierfür wird das bei der anaeroben Vergärung von biogenen Reststoffen gewonnene Biomethan (Biogas) dringend benötigt. Die Energiewende kann gelingen, wenn man Dunkelflauten nicht ineffizient mit Wasserstoff zu überbrücken versucht, sondern effizient mit Biomethan überbrückt.

Biogas als saisonale Energiespeicherung

Von Frühling bis Herbst liefern Sonne, Wind und Wasserskraft Grünstrom in ausreichenden Mengen für die Befriedigung des Energiebedarfs. Mit Pufferspeichern können die meteorologisch bedingten Stromschwankungen kurzfristig überbrückt werden. Elektrisch beheizte Boiler und Pumpspeicherwerke sind Stand der Technik. Die Elektromobilität schafft gewaltige Stromspeicherkapazitäten. Leistungsfähige Batterien werden zunehmend auch stationär eingesetzt. Für die saisonale Energiespeicherung werden jedoch chemische Medien benötigt. Die mit Biomasse vorwiegend im Sommer anfallende Energie kann in Form von Biomethan gespeichert und im Winter oder bei Dunkelflauten genutzt werden.

Als saisonales Speichermedium wird gerne Wasserstoff genannt, der mit überschüssigem Grünstrom produziert und in Kavernen, Tanks oder Gasometern gespeichert werden soll. Dieser Energieweg ist wegen des Wechsels von physikalischer zu chemischer Energie und zurück ausserordentlich verlustreich und wegen der hohen Kosten einer neuen Infrastruktur kaum zu verwirklichen. Wenn der Wasserstoff in sonnenreichen Wüstenregionen erzeugt und per Schiff geliefert wird kommen technische, energetische und politische Probleme hinzu. Alles gerechnet werden etwa vier (Inland) bis sechs (Ausland) Kilowattstunden Grünstrom benötigt, um über den damit erzeugen Energieträger Wasserstoff eine Kilowattstunde Strom für die Nutzung ins Netz zu liefern. Insgesamt ist der Energiebedarf riesig, ebenso der technische Aufwand. Solar- und Windkraftwerke müssten dort errichtet werden, wo sauberes Wasser in ausreichenden Mengen zur Verfügung steht: Neun Liter Wasser pro Kilogramm Wasserstoff.

Anerobe Fermentierung

Für die Sicherstellung der Energieversorgung bietet sich eine wesentlich einfachere Lösung an. Das durch anaerobe Fermentierung von Grünzeug, also von organischen Reststoffen von Landwirtschaft, Garten- und Landschaftspflege, Lebensmittelindustrie, Fäkalien von Mensch und Tier erzeugte Biogas sollte nicht sofort verstromt, sondern für den Winter und für die Überbrückung von Dunkelflauten gespeichert werden. Die Fermentierung verläuft exotherm, also ohne Energiezufuhr. Bakterien arbeiten rund um die Uhr. Mit geringem Energieaufwand muss das entstehende Biogas gereinigt und komprimiert werden, damit es als Biomethan gespeichert werden kann.

Für die Energiespeicherung muss man den volumetrischen Energieinhalt des Speichergases betrachten. Unter Normalbedingungen beträgt dieser für Wasserstoff 3.54 kWh/m3 und für Methan 11,07 kWh/m3. In einem gegebenen Volumen kann man bei gleichem Druck und gleicher Temperatur mit Methan also 3.13mal mehr Energie speichern als mit Wasserstoff.

Für die Speicherung in Behältern oder Kavernen müssen beide Gase komprimiert werden. Für die adiabatische Kompression von atmosphärischem Druck auf 20 bar beträgt der Energieaufwand 1.478 kWh/kg für Wasserstoff und 0.168 kWh/kg für Methan. Bezogen auf die Dichte (Wasserstoff 0.09 kg/m3 und Methan 0.72 kg/m3) ist die volumenbezogene Kompressionsarbeit etwa gleich: 0.133 kWh/m3 für Wasserstoff und 0.132 kWh/m3 für Methan. Da aber für die Speicherung gleicher Energiemengen mit Wasserstoff 3.13mal mehr Gas komprimiert werden muss, wird für die Energiespeicherung mit Wasserstoff etwa dreimal mehr Kompressionsenergie benötigt als für Methan.

Energiebilanzen für beide Optionen

Bei Biogasanlagen werden etwa 7.5% des ins Netz eingespeisten Stroms für den Betrieb der Anlage benötigt. Die Fermentierung erfolgt ohne Energiezufuhr. Mit der Reinigung von Biogas zu Biomethan erhöht sich der Energiebedarf nur geringfügig. Bei heimischer Wasserstoffversorgung gehen jedoch von Wasserbeschaffung über Elektrolyse, Wasserstoffverdichtung, Transport und Speicherung und Rückwandlung etwa 75% der Energie des eingesetzten Grünstroms verloren.

Nur 25% fliessen noch nutzbar ins Stromnetz. Wie oben erwähnt werden auf dem Wasserstoffweg für jede genutzte Kilowattstunde vier bis sechs Kilowattstunden Grünstrom benötigt. Eine Kilowattstunde Biogas ist jedoch nur mit etwa 0.1 Kilowattstunden Betriebsenergie belastet. Wegen der wesentlich besseren Energiebilanz von Biogas sollte man Wasserstoff nicht länger für die Überbrückung der saisonalen Energielücke in Betracht ziehen.

Technischer Aufwand

Technische, kommerzielle und politische Erwägungen sprechen ebenfalls für den Einsatz von Biomethan als Energiebrücke zur sicheren Stromversorgung im Winter und bei Dunkelflauten. Biogasanlagen sind Stand der Technik. Mit wenig Aufwand werden sie mit lokal anfallenden organischen Reststoffen versorgt. Da der dezentral erzeugte Strom auch vor Ort genutzt wird, verringert sich die Notwendigkeit zum Ertüchtigung des Stromnetzes. Viele Biogasanlagen, die vor allem im ländlichen Bereich stehen, werden privat finanziert und betrieben. Für die Biogasnutzung im Winter werden jedoch grössere Gasspeicher benötigt.

In Deutschland werden bereits 13.5% des Stroms durch Verstromung von Grünzeug generiert. Ein weiterer Ausbau ist möglich, wenn organischen Reststoffe systematisch gesammelt und nicht mehr kompostiert oder verbrannt, sondern fermentiert werden. Die von Biogasanlagen gelieferten Vergärungsreste eignen sich ebenso gut für die natürliche Düngung wie der durch Verrottung gewonnene Kompost. In ländlichen Regionen werden weitere Biokonverter entstehen. Landwirtschaftliche oder kommunale Betriebe werden die Sammlung von Grünzeug übernehmen. Biogas wird kontinuierlich erzeugt und gespeichert. Strom wird erst bei Bedarf generiert und zu guten Tarifen ins lokale Netz eingespeist. Mit dynamischen Einspeisevergütungen, die dem momentanen Strombedarf folgen, können Gasspeicher schnell amortisiert werden.

Für die Energiespeicherung mit Wasserstoff ist der technische Aufwand jedoch gewaltig und erfordert staatliche Unterstützung. Für den wirtschaftlichen Betrieb von Elektrolyseanlagen sollte der Grünstrom möglichst gleichmässig zur Verfügung stehen, was weder für Sonnen- noch für Windstrom machbar ist. Auch müsste Wasserstoff in Regionen produziert werden, wo die Ernte von Grünstrom günstig ist. Dort könnte die Wasserbeschaffung jedoch zum Problem werden. Bei einer Wasserstofferzeugung im Ausland ist auch der Transport nach Europa zu bedenken. Mit der Schaffung einer Infrastruktur für Wasserstoff sind hohe Kosten verbunden. Die Erzeugung der benötigen Mengen Wasserstoff mit Grünstrom wird nicht nur hier, sondern auch im Ausland Probleme bereiten. Eine wirtschaftlich vertretbare Lösung ist für den Wasserstoffweg nicht erkennbar. Biomethan wird zum Matchwinner der Energiewende.

Strategie für Biogas

Die Nutzung organischer Reststoffe als nachhaltige Energiequelle wird immer noch kritisch betrachtet. In der Tat reicht das verfügbare Substrat nicht für eine gesicherte, ganzjährige Energieversorgung rund um die Uhr. Die tragende Säule einer zukünftigen Energiewirtschaft ist Grünstrom. Weil sich Strom aber schlecht speichern lässt wird ein chemischer Energieträger benötigt. Beeinflusst von der Wasserstofflobby scheint sich die Politik für den verlustreichen Wasserstoffweg entschieden zu haben. Zielführender wäre der systematische Aufbau einer nachhaltigen Energieversorgung, wenn immer möglich mit Grünstrom und wenn nötig, mit gespeichertem Biomethan. Hierzu die folgenden Überlegungen.

Biogas sollte nicht sofort nach der Vergärung verstromt, sondern gespeichert werden, um es als Energiebrücke zu nutzen, wenn Grünstrom nicht in ausreichenger Menge zur Verfügung steht. Zurzeit wird das energetisch nutzbare Grünzeug nur zu einem kleinen Teil gesammelt und oft auch nur kompostiert oder verbrannt. Zur Verwirklichung der Energiewende müssen die Sammlung organischer Reststoffe und die anaerobe Gärung systematisch ausgebaut werden. Der Wechsel von Kompostierung zur Fermentierung erfordert überschaubare private oder kommunale Investitionen in Biogasanlagen und Gasspeicher, die über angemessenen Einspeisevergütungen amortisiert werden können.

Der Ausbau von Biogasanlagen zur Überbrückung von Dunkelflauten wird zu einer wirtschaftlich interessanten lokal finanzierbaren Aufgabe. Der wesentlich komplexere Wasserstoffweg wird jedoch auch bei staatlicher Unterstützung scheitern, weil das Winterproblem mit Biogas einfacher gelöst wird. Man sollte die Wasserstoffinitiative noch einmal gründlich hinterfragen, bevor man mit dem Bau einer Infrastruktur beginnt, die nach Fertigstellung nicht mehr benötigt wird, weil zwischenzeitlich kostengünstigere Lösungen mit Biogas verwirklicht worden sind. Biomethan wird zum Sparschwein der Energieversorgung. Es wird geschlachtet, wenn Energiebedarf besteht. Mit gespeichertem Biogas kann die Energiewende schnell und kostengünstig vollendet werden.

 

 

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Über den Autor:

Seit 1972 befasst sich Dr. Ulf Bossel mit der rationellen Energienutzung und der Energiegewinnung aus erneuerbaren Quellen, also mit dem, was seit 1978 als „Energiewende“ bezeichnet wird. Er ist Berater für nachhaltige Energielösungen und Ph.D. (UC Berkeley), Dipl. Masch. Ing. (ETH Zürich).

„In den vergangenen Jahrzehnten sind bei mir viele Überlegungen gereift und verworfen worden, oder sie haben sich aufgrund ihrer physikalischen Begründung gefestigt. Was ich jetzt präsentiere sind keine Wunschvorstellungen eines Neulings, sondern nachvollziehbare Erkenntnisse eines Ingenieurs mit speziellen Kenntnissen auf den Gebieten Energietechnik, Thermodynamik und Strömungsmechanik. Ich hoffe sehr, dass meine Vorstellungen auch von denen verstanden werden, die sich erst jetzt der Diskussion über unsere Energiezukunft angeschlossen haben“

Ulf Bossel

 

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