Solide Geschäftspolitik versus „schnelles Geld“: Appell zur Verbraucheraufklärung im Stromhandel
„Die Geschäftspraktiken des ’schnellen Geldes‘ haben sich aus meiner Sicht nicht geändert“, sagt Dr. Uwe Pöhls vom TOP-Lokalversorger, Düsseldorf. Der Energieexperte, der seit Jahrzehnten die Geschehnisse auf dem Strommarkt beobachtet und kommentiert, empfiehlt Deutschlands Grundversorgern respektive Stadtwerken, sich von Interimsanbietern „ohne Versorgungsgarantie“ deutlich abzugrenzen – im Sinne der Kunden und der eigenen Marktreputation.
Comeback unter neuem Namen
e.b: Herr Dr. Pöhls, Ihnen sind einige Stromanbieter suspekt?
Uwe Pöhls: Das ist richtig. Im Jahr 2021 haben wir ein beispielloses Verhalten am deutschen Strommarkt erlebt. Discounter wie Stromio oder Gas.de haben hunderttausenden Kunden den Versorgungsvertrag gekündigt, mit der Begründung, sie könnten wegen der Energiepreiserhöhungen nicht mehr liefern. Danach vom Markt weitgehend verschwunden, erleben diese Discounter jetzt unter neuen Namen ein Comeback. Das erscheint mir sehr fragwürdig.
e.b: Was genau stört Sie?
Uwe Pöhls: Die Geschäftspraktiken des „schnellen Geldes“ haben sich aus meiner Sicht nicht geändert. Ähnlich wie damals funktionieren viele Discounter über Massenangebote scheinbar günstiger Preise, die zum Beispiel über Boni-Versprechen künstlich generiert werden. Den tollen Treue-Bonus bekommt ein Kunde aber oft nur dann, wenn er sich auf ein zweites Belieferungsjahr einlässt, in dem die Strompreise teilweise doppelt so hoch sind – ganz abgesehen von häufig überhöhten Abschlagszahlungen und endlos verschleppten Endabrechnungen. Lohnt sich die günstige Offerte für die Billiganbieter nicht mehr, etwa weil die Kurse an der Strombörse steigen, sind sie dann schnell dabei, die Lieferung, wie bei oben genannten Beispielen, einfach zu stoppen oder Insolvenz anzumelden. Dies sind Verfahrensweisen, wie wir sie in den letzten zwanzig Jahren schon fünf Mal in großem Stil erlebt und die den Ruf der Energiewirtschaft bei den Verbrauchern beschädigt haben.
„Für Stromdiscounter gelten andere Regeln als Grundversorger“
e.b: Wozu raten Sie der Branche demnach?
Uwe Pöhls: Wir können die grundlegende Rechtslage nicht ändern, das ist leider Fakt, wohl aber die Positionierung und Kommunikation der soliden Energieversorger, auf die sich die Verbraucher in jeder Situation verlassen können. Das Problem ist doch, dass für Stromdiscounter andere Regeln gelten als für Grundversorger wie etwa die Stadtwerke. Letztere müssen qua Gesetz garantieren, nicht nur jetzt, sondern auch in Zukunft zuverlässig Strom zu liefern. Deshalb schließen sie meist langfristige Verträge am Terminmarkt ab. Diese Versorgungspflicht gilt für die Discounter nicht. Hier stehen Händler im Hintergrund, die den Strom am Tagesmarkt einkaufen, wenn dieser, zum Beispiel wegen eines Überangebots, gerade günstig ist. Kommt es zu einer Verknappung, können die Dumpingpreise nicht mehr gehalten werden. Der Anbieter steckt, nachdem er zuerst gut verdient hat, plötzlich in Schwierigkeiten und zieht sich vom Markt zurück.
Vielen Verbrauchern ist gar nicht bewusst, was ihr Stadtwerk vor Ort wirklich leistet – und zwar nicht nur im Hinblick auf eine verlässliche Energielieferung, sondern auch bei der Förderung der Region als Arbeit- und Auftraggeber, dem Sponsoring von Bildungs-, Sport- oder Kultureinrichtungen und vielem mehr.
e.b: Positionierung und Kommunikation solider EVUs: Was bedeutet das?
Uwe Pöhls: Vor allem gute Öffentlichkeitsarbeit, in der deutlich wird, was einen Grundversorger von einem Discounter unterscheidet. Vielen Verbrauchern ist gar nicht bewusst, was ihr Stadtwerk vor Ort wirklich leistet – und zwar nicht nur im Hinblick auf eine verlässliche Energielieferung, sondern auch bei der Förderung der Region als Arbeit- und Auftraggeber, dem Sponsoring von Bildungs-, Sport- oder Kultureinrichtungen und vielem mehr. Zudem zählen Grundversorger zu den Innovatoren in der Branche, die, weil ihnen ihre Region wichtig ist, zum Beispiel in die Energiewende, aber auch in zukunftsfähige Leitungsnetze investieren. All dies ist für einen Stromdiscounter kein Thema.

Gute Öffentlichkeitsarbeit, in der deutlich wird, was einen Grundversorger
von einem Discounter unterscheidet, ist Dr. Uwe Pöhls vom Düsseldorfer
TOP-Lokalversorger wichtig.
Gesetzliche Verpflichtung
e.b: Trotzdem werben die Discounter mit hoher Kundenzufriedenheit.
Uwe Pöhls: Sie belegen dies sogar mit diversen Qualitätssiegeln. Doch rate ich hier zur Vorsicht. Nicht jedes Prüfverfahren ist transparent, nicht jeder Siegelgeber unabhängig und neutral. Und auch auf Vergleichsportale kann sich ein Kunde nicht blind verlassen. Die günstigsten Stromangebote landen ganz vorne im Ranking, lassen aber die Frage offen, ob das Preisversprechen eines Versorgers seriös ist.
e.b: Die Lösung wäre in diesem Fall?
Uwe Pöhls: Die gesetzliche Verpflichtung der EVU, einschließlich aller Discounter, ihre Einkaufsmethodik offenzulegen. Solange dies aber noch nicht der Fall ist, hilft Grundversorgern nur, ihre Kunden aufzuklären und die eigene solide Geschäftspolitik immer wieder in den Vordergrund zu stellen.
Detaillierte Informationen zur Auszeichnung „TOP-Lokalversorger Innovation“ sind zu finden unter www.top-lokalversorger.de/innovation
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