Digitalisierung der Kundenbeziehungen: „Die meisten Unternehmen der Energiewirtschaft sind nach wie vor nicht zahlengetrieben“
Digitale Kundenbindung gewinnt auch für Unternehmen aus der Energiebranche immer mehr an Bedeutung. Vor allem Loyalty-Programme sind dabei eine beliebte Möglichkeit, um die Beziehung zum Kunden nachhaltig zu stärken und weiter auszubauen. Doch aktuelle Studien zeigen auf, dass Kunden mit den bisherigen Vorteilsprogrammen immer unzufriedener sind. Wie kann es also Energieunternehmen zukünftig gelingen, Kunden für bestimmte Aktivitäten zu belohnen, um diese besser kennenzulernen und an sich zu binden? Daniel Girl, CEO der DGMK Deutsche Gesellschaft für multimediale Kundenbindungssysteme mbH, erläutert im Interview mit energie.blog Wege zur Digitalisierung der Kundenbeziehungen: Wie sich die Entscheidungswege der Kunden im digitalen Zeitalter verändern und welche Möglichkeiten sich daraus für eine erfolgreiche Kundengewinnung und die nachhaltige Kundenbindung ergeben.
e.b: Als Experte für digitale Kundenbindung kennen Sie sicher die These, dass gerade deutsche Unternehmen die Digitalisierung verschlafen haben. Ist das auch Ihre Meinung?
Girl: Dazu gibt es zwei Antworten: Ja, und noch einmal ja. Ja, weil wir immer noch auf den wichtigen Glasfaserausbau warten, die deutsche Automobilindustrie nach wie vor auf das alte Erfolgsmodell Ottomotor in ihren Autos setzt, viele mittelständische Unternehmen erst durch Corona ihr Fax-Gerät entsorgt haben und weil nicht zuletzt der deutsche Staat nach wie vor nicht in der Lage ist, Leistungen für Bürger zeitgemäß, also digital, zu bearbeiten beziehungsweise abzuwickeln. Und noch einmal ja, weil selbst die ganz großen Unternehmen zum Beispiel in der Start-up-Branche oder der Digitalwirtschaft global gesehen keine Rolle spielen. Der Kampf in den entscheidenden Schlüssel-Technologie-Branchen findet ohne Deutschland statt.
„Wir müssen dringend weg von der Rabattschlacht über Vergleichsportale“
e.b: Was sind die größten Herausforderungen in Sachen Kundenbindung vor allem für Energiekonzerne?
Girl: Zum einen ist es die mentale und reale Überwindung eigener Prozesse der vergangenen Jahre und Jahrzehnten, ebenso bringt die Änderung der Bereitschaft und Gewohnheit, beim Kunden digitale Services zu nutzen, eine neue Herausforderung mit sich. Eine wirklich große Chance liegt für die Energiewirtschaft darin, sich als Partner des Kunden bei der Bewältigung des Klimawandels anzubieten. Hier hat die Energiewirtschaft einen großen Glaubwürdigkeitsvorsprung. Voraussetzung dafür ist allerdings, dass es einen aktiven Kontakt zum Kunden gibt. Und die Fähigkeit der Energiewirtschaft, das Verhalten und die Daten der Kunden so aufzuzeichnen, dass sich daraus ein transparentes Gesamtbild des CO2-Fußabdrucks für den Kunden ergibt und somit die Chance, ihn gemeinsam zu reduzieren. Durch regionale Bezugsquellen, Sharing-Konzepte, eigenen Solarstrom, Energieeffizienz und andere Leistungen und Services. Wir müssen dringend weg von dieser Rabattschlacht über Vergleichsportale im Internet. Dafür muss die Energiewirtschaft selbst überzeugende Konzepte und Anreize liefern. Grundlage dafür ist eine aktive, datengetriebene, digitale Kundenbeziehung.
e.b: Mit welchen Methoden versuchen Unternehmen generell ihre Kunden zu binden? Was sind hier die typischen Anfängerfehler?
Girl: Die meisten Unternehmen der Energiewirtschaft sind nach wie vor nicht zahlengetrieben. Dabei ist das die Grundlage des Digitalisierungsprozesses und hat in fast allen anderen Branchen schon längst stattgefunden. Alles ist darauf ausgelegt per E-Mail, Website oder App seine Kunden besser kennenzulernen, zu verstehen und zu binden, um in der Zukunft bessere und passendere Angebote machen zu können. Wir erleben am Markt oft, dass Unternehmen denken, dass mit der Einführung einer App die Lösung zur digitalen Kundenbeziehung gefunden wurde. Oder dass auf Twitter allgemeine Unternehmensnachrichten oder Pressemitteilungen veröffentlicht werden und dies somit ein digitaler Kundenkontakt sei. Auch ein Kundenmagazin, dass als PDF zum Download angeboten wird, ist noch keine Digitalisierung.
„Durch Internet und Smartphone haben sich Kundenansprüche und Kommunikation verändert“
e.b: Dennoch ist die Energiebranche im Umbruch, und einiges hat sich in den vergangenen Jahren getan.
Girl: Das ist richtig. Die Energiewirtschaft ist vor allem deshalb im Umbruch, weil die Kunden anders als bisher gewonnen und gehalten werden müssen. Durch das Internet und das Smartphone haben sich die Kundenansprüche und die Kommunikation tiefgreifend verändert. Dieser Wandel und Handlungsdruck kommt von außen und wird an Geschwindigkeit weiter zulegen. Es ist ratsam, sich mit spezialisierten Dienstleistern eng auszutauschen und zusammenzuarbeiten und Digitalisierung als gemeinsame, themenübergreifende Herausforderung zu begreifen.
e.b: Welche Maßnahmen sollten stattdessen ergriffen werden, um eine digitale Kundenbeziehung aufzubauen?
Girl: Ganz klar, digital denken und handeln. Und das bedeutet zuerst klare Formulierung der Zielsetzung und Prioritätenfestlegung. Danach folgt die Fokussierung auf die oberste Zielsetzung und die Umsetzung in Kundenperspektive mit den Fragestellungen: Ist das für den Nutzer wirklich interessant, einfach zu verstehen und nutzbar? Das können auch verschiedene Antworten in unterschiedlichen Zielgruppen sein. Am Ende empfehle ich das Weglassen aller zusätzlichen Ideen und möglichen „guten“ Erweiterungen, um einfach zu starten, schnell zu lernen und dabei laufend zu optimieren. Digitalisierung ist ein Prozess und kein Endzustand. Mit der Fertigstellung und Umsetzung der Planung beginnt die eigentliche Arbeit. Bei aller Technologie ist entscheidend, dass der Kunde als Mensch emotional erreicht und begeistert wird. Und das können nur attraktive Inhalte sein.
„Bestehenden Kontakt beleben und gewohnte Kommunikation verstärken“
e.b: Wie können Energieunternehmen ihre Kunden am besten über neue digitale Services informieren?
Girl: Es ist ein Irrglaube anzunehmen, dass dies über rein digitale Medien stattfinden kann. Wir haben das intensiv getestet und Kunden über die sozialen Medien versucht zu identifizieren und zu erreichen. Der Streuverlust ist hier oft sehr groß. Der eigentliche Ansatzpunkt der Unternehmen aus der Energiewirtschaft muss sein, den bestehenden Kontakt zu beleben und die gewohnte Kommunikation zu verstärken und dabei zu verändern. Es ist also notwendig, dass mit dem klassischen Post-Mailing begonnen werden muss. Nicht zuletzt auch wegen des einzuholenden Double-Opt-in Anmeldeverfahren für die digitale Kommunikation. Aber auch dann ist ein Kontakt zum Kunden nicht automatisch digitalisiert. Es ist absolut essenziell, auch weiterhin auf den alten Kanälen zu senden und dabei die Attraktivität der Inhalte langsam zu steigern
e.b: Und wie kann letztlich die komplette Konvertierung eines Offline-Kunden zu einem Online-Kunden gelingen?
Girl: Hierfür sollte sukzessive die Nutzung der Inhalte rein digital angeboten werden, sodass Kunden digital sein müssen und zukünftig ganz von alleine den rein digitalen Weg zu bevorzugen. Es ist also entscheidend, dem Kunden nicht etwas vorzuschreiben, sondern das Angebot so attraktiv zu gestalten, dass er selbst sein Verhalten ändert. Alle erfolgreichen Unternehmen der Digitalwirtschaft bieten bekannte Offline-Produkte und Leistungen an, diese sind aber online wesentlich einfacher zu beziehen oder zu nutzen als bisher. Die Unternehmen kennen durch die Daten ihre Kunden ganz genau. Es ist also ein Zusammenspiel zwischen Usability, Service, Geschwindigkeit, Nutzen, Zeit und Geld.
„Keinesfalls wird die Lösung von heute noch die in fünf Jahren sein“
e.b: Welchen Tipp für die anstehende Digitalisierung würden Sie mit auf den Weg geben?
Girl: Es braucht eine langfristige Gesamtstrategie, innerhalb der es schnelle und flexible Sprints gibt. Keinesfalls wird die Lösung von heute noch die in fünf Jahren sein – dafür ändern sich Technologien und daraus resultierende Möglichkeiten einfach zu schnell. Dennoch ist der Pfad wichtig, der Orientierung nach außen und innen gibt. Der Prozess muss durch einige starke Mitarbeiter inhouse vorangetrieben werden, die bestenfalls interdisziplinär im gesamten Unternehmen an wichtigen Positionen aktiv sind und gleichzeitig regelmäßig zusammenkommen. Zeitgleich sind erfahrene und engagierte Partner von außen wichtig, die Know-how, Netzwerk und Engagement mitbringen. So kann kurzfristig gestartet und langfristig erfolgreich umgesetzt werden.
e.b: Gibt es Abteilungen, die besonders gefordert sind, sich der Digitalisierung anzupassen?
Girl: Das Top-Management muss den Verantwortlichen im Hause längerfristig den Rücken freihalten und stärken. Zu viele Prozesse und oft auch Mitarbeiter halten kontinuierlich dagegen, den Digitalisierungs- und Veränderungsprozess schnell umzusetzen. Es ist Überzeugungsarbeit gefragt, aber auch nach geführter Diskussion schlussendlich ein konsequentes Handeln und Umsetzen. Wichtig ist, dass die einzelnen Treiber in den entscheidenden Abteilungen vertreten sind.
„Grundlage der Digitalisierung sind die Daten der Nutzer“
e.b: Wie können sich Energieunternehmen im digitalen Zeitalter ansprechender und zielgruppengenau positionieren?
Girl: Offenbar haben noch immer nicht alle Unternehmen verstanden, dass die Grundlage der Digitalisierung die Daten der Nutzer sind. Noch immer werden zum Teil via Gießkannenprinzip klassische Werbebotschaften platziert, die mit ihrer möglichst allgemeingültigen Aussage, möglichst viele Menschen bzw. potenzielle Kunden erreichen soll. Dabei ist es genau umgekehrt. Über das Internet, das inzwischen wirklich jeder nutzt, können Aussagen und Werbebotschaften unglaublich präzise und Zielgruppengerecht ausgespielt werden. Die Energiebranche braucht mehr Mut, um zeitgemäß zu sein.
e.b: Was sind für Sie handfeste Gründe, die Energieunternehmen dazu bewegen sollten, den Sprung ins Digitale zu wagen?
Girl: Dafür gibt es nur einen Grund: Die Digitalisierung erschließt neue Märkte. Und auch wenn die digitale Transformation auf den ersten Blick beängstigend und zunächst komplex erscheinen mag, bietet sie sogleich auch viele Chancen. Die Energieunternehmen, die sich heute dem Wandel stellen, werden in Zukunft enorm davon profitieren.
e.b: Herr Girl, vielen Dank für das Gespräch.
Über DGMK
Die Deutsche Gesellschaft für multimediale Kundenbindungssysteme mbH ist eines der führenden Unternehmen im Bereich der Kundenbindung und Kundengewinnung in Deutschland. Seit 2002 entwickelt und betreut das Team um Geschäftsführer Daniel-Jan Girl innovative Kundenbindungs- sowie Kundengewinnungsmaßnahmen für Marken Pressemitteilung aus den verschiedensten Branchen. Die DGMK begleitet Unternehmen und Konzerne auf dem Weg in die erfolgreiche Digitalisierung der Kundenbeziehungen.
www.dgmk.net