„Ohne das GNDEW hätten wir die Marke von 100.000 intelligenten Messsystemen heute noch nicht erreicht“
Der Full-Service-Dienstleister für die Smart-Meter-Gateway-Administration und das Messdatenmanagement hat erst kürzlich sein 100.000stes Messsystem installiert. Zeit, mit Geschäftsführer Dr. Michal Sobótka, über aktuelle und einstige Herausforderungen zu sprechen. Deutlich wird: die Anbindung der verschiedenen ERP-Systeme war anfangs eine große Herausforderung und bleibt es auch beim CLS-Management. Hier ist das Unternehmen erst jüngst im Rahmen seinen Projekts CLS ON in den Produktivbetrieb gestartet. Zudem darf sich GWAdriga über einige prominente Neukunden freuen, die von anderen Messstellendienstleistern zu den Berlinern gewechselt sind. Das Gesetz zum Neustart der Digitalisierung der Energiewende (GNDEW) beurteilt Sobótka positiv.
e.b.: Herzlichen Glückwunsch, Herr Dr. Sobótka, Sie haben das 100.000ste intelligente Messsystem im Feld installiert. Zeit für einen Rückblick: Was hat sich seit dem Einbau des 1. intelligenten Messsystems bei GWAdriga verändert?
Dr. Michal Sobótka: Man sagt ja, dass das erste intelligente Messsystem immer das schwerste ist. Tatsächlich war es aber das fünfte oder sechste, denn da sind Fehler aufgetaucht, an die man beim ersten noch gar nicht gedacht hat. Insofern hat sich die Welt für uns seitdem stark verändert. Wir haben uns sozusagen vom Manufakturbetrieb hin zu industriellen Prozessen entwickelt, und ohne die vielen Automatismen, die wir prozessual schon eingebaut haben, wäre das gar nicht möglich gewesen. Und können nun mit unseren Erfahrungen im Massenprozess mit 100.000 intelligenten Messsystemen sagen: Die anvisierte erste Million intelligenten Messsysteme kriegen wir gemeistert. Unsere Prozesse werden wir dafür weiter optimieren und automatisieren, und insbesondere auch einen Fokus auf die Integration mit den Systemen unserer Kunden legen.
e.b.: Was waren Ihre größten Herausforderungen in dieser Zeit und welche sind es heute?
Dr. Michal Sobótka: Eine der größten Herausforderungen war sicherlich die Anbindung der verschiedenen ERP-Systeme. Denn SAP ist nicht gleich SAP, und natürlich gibt es auch noch weitere Hersteller wie Schleupen oder SIV. Dafür haben wir jetzt neue Vorgehensmodelle entwickelt, mit denen wir die Integration einfacher umsetzen können.
Eine weitere Herausforderung war die Migration mehrere Tausend „fremder“ – das heißt bisher von anderen Messstellenbetriebs-Dienstleistern betriebenen – intelligenten Messsysteme im laufenden Betrieb auf die GWAdriga Plattform. Auch hier haben wir anfangs Lehrgeld bezahlt, sind aber heute in der Lage, dies mit vertretbarem Aufwand umzusetzen.
e.b.: Stimmt, Sie hatten in letzter Zeit einen enormen Kundenzuwachs zu verzeichnen, erst kürzlich ist ESWE auf GWAdriga umgestiegen, davor waren es die Energienetze Mittelrhein und auch die N-ERGIE ist auf Ihr System umgestiegen. Sehen Sie eine Konsolidierung im Markt und was überzeugt Ihre Kunden, zu Ihnen zu wechseln?
Dr. Michal Sobótka: Das müssen Sie unsere Kunden fragen. Aber im Ernst: Man braucht einfach ein gewisses Mengengerüst, um die Prozesse langfristig wirtschaftlich abbilden zu können. Aktuell planen unsere Kunden bis 2032 über drei Millionen intelligente Messsysteme auszurollen, wahrscheinlich werden es noch deutlich mehr. Mit den 100.000 im Feld und diesem Ziel vor Augen gehören wir sicherlich zu den Unternehmen, die sowohl über ein fundiertes Know-how rund um alle Aspekte des Smart-Meter-Rollouts als auch über die wirtschaftliche Basis verfügen, um unsere Kunden auch in den kommenden Jahren bei der Digitalisierung der Energiewende zu begleiten und zu unterstützen. Dass wir auch die Durststrecke von 2017 bis 2022 gut überstanden haben, verdanken wir sicherlich auch unseren Gesellschaftern RheinEnergie, EWE NETZ und Westfalen Weser Netz, die uns in diesen Jahren stets den Rücken gestärkt haben.
e.b.: Ein spannendes Projekt ist derzeit CLS ON, bei dem es um das Schalten und Steuern in der Niederspannung geht. Projektpartner sind neben Ihren Gesellschaftern EWE Netz, RheinEnergie, Westfalen Weser Netz auch N-ERGIE und BTC. Können Sie kurz erläutern, worum es in dem Projekt geht?
Dr. Michal Sobótka: Wir beschäftigen uns schon seit einiger Zeit mit dem Thema CLS-Management. Jetzt gibt es die ersten zertifizierten Steuerboxen. Bei CLS ON ging es darum, ein Konzept und Prozesse zu entwickeln, mit denen wir dieses neue Thema Ende-zu-Ende in die Praxis umsetzen können. Das haben wir nun auch eindrucksvoll unter Beweis gestellt, in dem wir in einer Teststellung der EWE auch einem Netzcockpit heraus ein komplexes HEMS steuern konnten – und die Leistungsreduktion auf 4,2 kW sowohl im HEMS als auch im nachgelagerten E-Mobil live nachweisen konnten. Somit können unsere Kunden nun auch verlässlich den Rollout von Steuerboxen umsetzen.
e.b.: Sie haben kürzlich bekannt gegeben, dass sie im Oktober den Produktivbetrieb aufgenommen haben. Und zwar über das Self-Servie-Portal von GWAdriga. Können Sie kurz erläutern, wie das funktioniert und warum Sie sich für diesen Schritt entschieden haben?
Dr. Michal Sobótka: In dieser Phase erfolgt die Übermittlung der Stammdaten der relevanten Messlokationen, intelligenten Messsysteme und Steuereinheiten über das GWAdriga Ticketsystem. Von dort werden die Daten automatisiert in das CLS-Management übernommen. Darüber hinaus werden alle Basisprozesse von der Inbetriebnahme bis zur Deinstallation einer Steuereinheit abgebildet. Gleichzeitig werden Steueranfragen zunächst ausschließlich über die BDEW-Web-API als standardisierte Schnittstelle entgegengenommen, bevor im nächsten Schritt auch eine direkte Kopplung mit Niederspannungs-Netzleitsystemen möglich sein wird.
Durch den Einsatz dieser mengenfähigen Lösung ohne Webservice-Anbindung der ERP-Systeme wurde der Aufwand für alle Projektbeteiligten bewusst gering gehalten, um kurzfristig in den Echtbetrieb starten und Erfahrungen mit dem CLS-Management in der Praxis sammeln zu können. Ein weiterer Schwerpunkt liegt auf Interoperabilitätstests mit den verschiedenen Steuerungsherstellern sowie der Anbindung von Home Energy Management Systemen (HEMS) über die digitale Schnittstelle.
e.b.: Die ERP-Anbindung und die direkte Kopplung mit den Niederspannungs-Netzleitsystemen sollen im nächsten Schritt folgen. Worin liegen die Herausforderungen für Sie und Ihre Kunden?
Dr. Michal Sobótka: Die für das CLS-Management notwendigen Prozesse sind derzeit noch in keinem der gängigen ERP-Systeme ausgeprägt. Bei SAP wird dies erst in S/4HANA der Fall sein, Anwender von SAP IS-U müssen ihre Systeme selbst entsprechend anpassen. Sobald die ERP-Systeme so weit sind, folgt die Integration in unsere Prozesse. Bis dahin bereiten wir entsprechende Templates vor, um den Aufwand deutlich zu reduzieren. Hier haben wir viel aus den Projekten zur Gateway-Administration gelernt.
e.b.: Wie beurteilen Sie den Stand des Rollouts in Deutschland? Hat sich im Vergleich zum letzten Jahr etwas verbessert? Welche Wünsche haben Sie hier an die Politik?
Dr. Michal Sobótka: Mit dem Gesetz zum Neustart der Digitalisierung der Energiewende hat der Rollout deutlich an Fahrt aufgenommen. Ohne dieses Gesetz hätten wir die Marke von 100.000 intelligenten Messsysteme heute noch nicht erreicht. Und der Referentenentwurf zur Novellierung des Messstellenbetriebsgesetzes (vom 24.10.24) verstärkt diesen Effekt in Richtung Smart Grids deutlich – indem er bspw. den Messstellenbetreiber grundsätzlich zum Steuerbox-Rollout verpflichtet, kleine EEG-Anlagen in den Rollout einbezieht und die Preisobergrenzen-Vergütung bei kleinen und mittleren EEG-Anlagen erhöht. Hiermit bestätigt der Gesetzgeber, dass der zunehmend dynamische Umbau unseres Energiesystems ohne intelligente Messsysteme nicht funktionieren wird. Mit den kommenden dynamischen Tarifen wird das zudem von der marktlichen Seit weiter forciert, auch durch Marktteilnehmer wie 1KOMMA5°, Enpal & Co.
e.b.: Ist das Thema Full-Rollout bei Ihren Kunden noch aktuell? Wohin geht der Trend?
Dr. Michal Sobótka: Ich denke, es geht schon lange nicht mehr um die Frage Pflicht- oder Vollrollout. Intelligente Messsysteme werden in Zukunft überall dort zum Einsatz kommen, wo es sinnvoll ist – insbesondere eben auch im Kontext Steuerung und Smart Grids. Das wird sicher nicht bei 100 Prozent aller Messstellen der Fall sein. Aber wie gesagt: Unsere Kunden rechnen derzeit mit drei Millionen intelligenten Messsystemen bis 2032. Vor zwei Jahren waren es noch 800.000.
e.b: Michal Sobótka vielen Dank für das Gespräch.
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