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Biomethan für die Verkehrswende – Chance für Erzeuger nach dem Auslaufen der Biomasse-Förderung

Biomethan
Gas tanken könnte bald auch auf Bauernhöfen mit Biogasanlage möglich werden. (Bild: iStock / Tramino)

Biomethan vom Bauernhof – die Tankstelle der Zukunft?

Die Energieexperten hierzulande sind sich einig: Ohne den Einsatz von grünen Kraftstoffen wird der Verkehrssektor seine Klimaziele nicht erreichen. Ein positives Signal hierfür ist, dass die Bundesregierung, die seit 2019 geltende Mautbefreiung für Erdgas-Lkw bis zum 31. Dezember 2023 verlängert hat. „Das könnte auch den Absatz für Biomethan hierzulande beflügeln“, meint Alexey Mozgovoy, Biomethanexperte beim Fachverband Biogas. Typischerweise wird das im Fermenter gebildete Biogas über einen gewissen Zeitraum gespeichert, um es dann je nach Nachfrage in Blockheizkraftwerken in Strom und Wärme umzuwandeln. So kann Biogas als Regelenergie die schwankende Produktion von Wind- und Solarstrom ausgleichen und zu einer regenerativen Energieversorgung beitragen – ein Modell, das seit Einführung des Erneuerbaren-Energien-Gesetzes (EEG) am 1. April 2000 Erfolgsgeschichte schreibt.

Doch in den kommenden Jahren werden viele Anlagen zur Erzeugung von erneuerbarem Strom nach 20 Jahren aus dem EEG fallen. Betroffen davon sind derzeit bundesweit etwa 9.500 Biogasanlagen. Sie alle eint eine Frage: Was tun, wenn die Biomasse-Förderung ausläuft? Der überwiegende Teil der Anlagenbetreiber steht vor der existentiellen Frage, ob und in welchem Maße sie noch einmal in ihre Anlage investieren sollten. „Wir stehen mit der Biogasnutzung in Deutschland an einem Wendepunkt“, warnt deshalb Simone Peter, Präsidentin des Bundesverbandes Erneuerbare Energie (BEE).

Biomethan für die Verkehrswende

Auf der Suche nach neuen Geschäftsmodellen für das nachhaltige Gas setzen die Aussteller der EnergyDecentral 2021 verstärkt auf die wirtschaftliche Nutzung von Kraftstoffen auf der Basis von Gülle, Mist und Stroh. In den Fokus rücken dabei auch Konzepte für eine kompakte Hof-Biomethantankstelle. Doch erst wenn das gewonnen Biogas einen Methangehalt von 98 % hat, spricht man von Biomethan. Bei der Aufbereitung wird das Biogas getrocknet und entschwefelt, außerdem wird das enthaltene Kohlendioxid abgeschieden – ein Weg, der bislang vor allem großen Biomethananlagen vorbehalten war. Das dies künftig auch mit kleineren, landwirtschaftlichen Maßstab gelingen kann, wollen die Technologieanbieter auf dem Messegelände in Hannover zeigen. Das so gewonnene Biomethan lässt sich als Compressed Natural Gas (CNG) in das bestehende Netz einspeisen und an der Zapfsäule entnehmen. In Deutschland lässt sich bereits an jeder zweiten Erdgastankstelle reines Biomethan tanken.

Insbesondere für die Landwirtschaft sowie dem Schwerlastverkehr verspricht das „grüne Gas“ große Dekarbonisierungspotenziale im Rahmen der Energiewende. Eine weitere Voraussetzung dafür: Die Verflüssigung zu Liquified Natural Gas (LNG). Dazu wird das Biomethan entweder direkt an der Biogasanlage oder in der Nähe von LNG-Verbrauchszentren in speziellen Verflüssigungsanlagen auf -162 °C gekühlt und auf 1/600 seines ursprünglichen Volumens reduziert. LNG hat aufgrund seiner höheren Dichte das Potenzial, auch in größerem Umfang als Kraftstoff eingesetzt zu werden: Von Hochseefähren, Lastkähnen, Schleppern bis hin zu Kreuzfahrtschiffen. LNG betriebene Trucks verfügen mittlerweile über 400 PS starke Motoren, haben die gleiche Nutzlast wie vergleichbare Dieselfahrzeuge und können mit einer Reichweite von bis zu 1.500 Kilometern von Madrid nach Frankfurt fahren, ohne einen Tankstopp einlegen zu müssen. Die zunehmende Beliebtheit von LNG als Kraftstoffalternative spiegelt sich in den Anträgen des bis Ende 2020 befristeten Förderprogramms für „Energieeffiziente und/oder CO₂-arme schwere Nutzfahrzeuge“ wider: Mit bisher fast 2.400 Anträgen sind LNG-Lkw, die mit 12.000 Euro vom Bundesverkehrsministerium bezuschusst werden, am stärksten nachgefragt; gefolgt von rund 500 Anträgen für CNG-Fahrzeuge, die mit 8.000 Euro gefördert werden. „Die starke Nachfrage zeigt eindrucksvoll, dass immer mehr Logistiker sich ihrer Verantwortung bewusst sind und aktiv zum Umweltschutz beitragen wollen“, kommentiert Dr. Timm Kehler, Vorstand der Brancheninitiative Zukunft Erdgas, die Entwicklung. Parallel dazu sei die Anzahl der Tankstellen für Flüssigerdgas seit Jahresbeginn um fast 60 Stationen auf über 300 gewachsen. Ob und inwieweit Flüssiggas künftig ein Markt für Biogasanlagen ist, dürfte mit Auslaufen der EEG-Förderung eine der Fragestellungen sein, die auf der EnergyDecentral intensiv diskutiert wird.

Klimaneutrale Mobilität im Off-Highway-Bereich

Logistiker können mit ihrer Fahrzeugflotte auf ein kontinuierlich wachsendes Tankstellennetz entlang der wichtigen Verkehrsachsen in Europa zurückgreifen. Die Natural & Bio Gas Vehicle Association Europe (NGVA Europe) hat den Biogaseinsatz im Straßenverkehr unter die Lupe genommen und kommt zu dem Schluss, dass Gas aus regenerativen Quellen mittlerweile in ganz Europa verfügbar ist. Derzeit lässt sich an mehr als 25 % der europäischen CNG- und LNG-Tankstellen Biogas tanken, was einem Anteil von rund 17 % des im gesamten Verkehrssektor verwendeten Gases entspricht. Spitzenreiter im direkten Ländervergleich sind Dänemark und Island mit jeweils 100 %  Biogasanteil, gefolgt von Schweden (94 %) sowie den Niederlande (90 %).

Doch das Thema nimmt auch abseits der Straße an Fahrt auf: Großes Potenzial sehen führende Nutzfahrzeughersteller aus dem Off-Highway-Sektor bei Gasmotoren, die mit Biogas aus der Gülle- und Reststoffvergärung angetrieben werden. Jüngstes Beispiel dafür: der T6 Methan Power. Der serienreife Traktor ist ein zentrales Element im „Energy Independent Farm“-Konzept von New Holland, denn er soll die Lücke hin zu einer echten Kreislaufwirtschaft schließen – vom Feld zur Energieerzeugung und wieder zurück aufs Feld. Der Traktor kann entweder direkt aus dem Gasnetz oder mit der hofeigenen Tankstelle betankt werden. Das Ergebnis ist für Carlo Lambro, Markenpräsident von New Holland, ein wesentlicher Schritt „vorwärts auf dem Weg zu einer Landwirtschaft ohne CO₂-Emissionen.“ Unter der Haube arbeitet ein 180 PS starker Sechszylinder-NEF-Motor der CNG-, LNG- sowie Biomethan-tauglich ist und die EU-Abgasnorm der Stufe V erfüllt. Unter realen Einsatzbedingungen auf dem Feld soll der Traktor mindestens zehn Prozent weniger CO₂-Emissionen erzeugen als ein vergleichbares Dieselmodell – und das bei bis zu 30 % weniger Betriebskosten.

Biomethan aus der eigenen Hoftankstelle

Nicht nur die Biogas-Herstellung ist heute schon im kleinen Rahmen möglich, auch für die anschließende Aufbereitung stehen entsprechende Lösung bereit. Moderne Anlagen, wie sie auf dem Messegelände in Hannover zu sehen sind, bieten durch ihre Containerbauweise maßgeschneiderte Lösungen für die Verwertung unterschiedlichster Inputstoffe und lassen sich bereits mit 300 Tonnen Bioabfall betreiben. Der Mist von 30 Kühen oder Pferden reicht, um daraus Strom und Treibstoff produzieren zu können. Ein Beispiel dafür sind die flexibel skalierbaren Bioreaktoren des österreichischen Anbieters Pöttinger, die nach dem 3A-Verfahren arbeiten. Sie bestehen aus einem Container mit integrierter Steuereinheit sowie drei bis 15 Fermenterboxen, in denen die Umwandlung der organischer Reststoffe erfolgt. Die eigentliche Biogasproduktion im Fermenter basiert dabei auf einer diskontinuierlichen Trockenvergärung unter Ausschluss von Sauerstoff. Dabei wird CO₂-neutrales Methan produziert, das in Ökostrom und Wärme umgewandelt oder zu Biomethan aufbereitet werden kann.

Wie letzteres gelingt, will der Biogasanlagenbauer EnviTec mit seiner EnviThan-Technologie auf der EnergyDecentral zeigen. Deren Komponenten zur Entschwefelung, Kompression, Kondensation und Filtration werden in geschlossenen Containern installiert. Die Umrüstung ist dabei denkbar einfach: Der Motor der alten Biogasanlage wird abgeklemmt und EnviThan davor geschaltet. Die Nachrüstung eignet sich vor allem für Biogasanlagen mit einer Leistung von 500 Kilowatt elektrisch oder größer, deren Förderung ausläuft. Mit Drive Biogas geht Unternehmen noch einen Schritt weiter. In Kooperation mit einem CNG-Technikhersteller bietet EnviTec ein System an, mit dem Landwirte ihr Biomethan selbst produzieren und als umweltfreundlichen Kraftstoff anbieten können. Die Hochdruckverdichter, Zwischengasspeicher und Zapfsäulen werden vom Kompressorenhersteller Bauer beigesteuert, von den EnviTec-Technikern verbaut und je nach Kundenwunsch in das Gesamtkonzept der Biogasanlage vor Ort integriert – dann heißt es nicht nur für Landwirte: Getankt werden kann an der Biogasanlage.

www.energy-decentral.com

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