Neu gezüchtete Hirse-Dualtypen eignen sich für insektenfreundlichen Mischanbau mit Blühpflanzen und profitieren von besserer Bestäubung
Biogas-Energiepflanzen könnten einen großen Beitrag zur Vielfalt auf dem Acker leisten. Es kommt nur auf die richtige Auswahl bzw. das richtige Anbausystem an. Die Justus-Liebig-Universität Gießen und drei Partner setzen dazu auf einen neu gezüchteten Hirsetyp, der neben einem hohen Methanertrag auch ideale Eigenschaften für den Mischanbau mit Blühpflanzen mitbringt. Die Forscher suchen in ihrem vor kurzem gestarteten Projekt nach den besten Partnern für die Hirse; die Kombinationen sollen pflanzenbaulich überzeugen und einen hohen Mehrwert für Insekten haben. „Unser Ansatz könnte nicht nur helfen, die Trachtlücke für Honigbienen im Hochsommer zu schließen, sondern auch Beiträge zum Boden- und Gewässerschutz leisten, wenn die Blühmischungen als überwinternde Zwischenfrüchte stehen bleiben“, so Projektleiter Dr. Benjamin Wittkop von der Universität Gießen.
Das Verbundvorhaben „Sorghum-Blühmischungen für einen insektenfreundlichen Energiepflanzenanbau“ wird vom Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) über den Projektträger Fachagentur Nachwachsende Rohstoffe e. V. (FNR) gefördert.
Der neue Sorghum bicolor-Typ, auch als Sorghum bicolor Dualtyp bezeichnet, wurde in zwei Projekten ab 2012 gezüchtet. Seinen hohen Methanertrag erbringt dieser Pflanzentyp im Gegensatz zu den kornlosen Biogashirse-Sorten vor allem durch den hohen Kornanteil, der bis zu 50 % an der Gesamttrockenmasse betragen kann. Ursprünglich in Afrika beheimatet, reagieren die Pflanzen allerdings kurz vor der Blüte im Juli/August empfindlich auf Temperaturen unter 10 °C und bilden dann mangelhafte oder gar keine Körner aus – womit der Vorteil für die Biogaserzeugung wieder dahin wäre. Die Forscher haben jedoch bereits festgestellt, dass die Bestäubung durch Honigbienen den Kornansatz der Dualtyp-Hybriden gerade unter Kältestress signifikant verbessern kann. Es zeigte sich außerdem, dass die Bienen den Pollen gerne sammeln und als wertvolle Eiweißquelle im Hochsommer nutzen. Biogas-Energiepflanzen und Bienen können also voneinander profitieren, eine Win-Win-Situation, die im neuen Projekt noch erweitert werden soll. Denn Bienen benötigen nicht nur Pollen, sondern auch Nektar. Die Idee ist, diesen über Blühmischungen bereitzustellen, die gemeinsam mit dem Sorghum auf einem Feld wachsen.
Forscher prüfen potenzielle Sorghum-Mischungspartner in zwei Anbauvarianten
Im jetzt angelaufenen Vorhaben prüfen die Forscher die potenziellen Sorghum-Mischungspartner in zwei Anbauvarianten: In der einjährigen Variante „Gemenge“ ernten sie Sorghum und Blühpflanzen gemeinsam im Herbst und nutzen sie als Biogassubstrat. Für diese Variante kommen je zwei Sorghum-Dualtyp-Hybriden mit 20 Blühpflanzen-Arten auf den Prüfstand, darunter Buchweizen, Leindotter, verschiedene Klee- und Bohnen-Arten, Sonnenblumen und Ölrettich. Die zweijährige Variante „Untersaat“ wird mit je zwei Sorghumhybriden und vier blühenden Arten getestet: Esparsette, Steinklee, Schwedenklee und Luzerne. Sie bleiben nach der Sorghum-Ernte über Winter stehen und dienen im Folgejahr als Hauptfrucht. Bei einer Abwandlung dieser Variante werden Esparsette & Co. bereits im Sommer des Vorjahres ausgesät und Sorghum dann im 2. Jahr im Strip-Till Verfahren direkt in die vorher beschnittene Untersaat gedrillt. Die zweijährige Variante ist aus Wasser- und Bodenschutzsicht besonders interessant: Die überwinternde Pflanzendecke vermindert Erosion, bindet Nährstoffe und schützt diese vor Auswaschung. Außerdem verbessert sie die Befahrbarkeit und die Humusbilanz. Bodenproben im Projekt sollen zeigen, wie stark diese Effekte im Einzelnen ausgeprägt sind.
Wie werden die Bienen auf das Blüten- und Pollenangebot der neuen Biogas-Energiepflanzen reagieren?
„Wir prüfen, welche Kombinationen aus pflanzenbaulicher Sicht überzeugen und wie attraktiv sie für die verschiedenen Insektenarten sind. Das analysieren wir auch auf der molekulargenetischen Ebene. Mit dem metabarcoding-Verfahren etwa können wir die Pollenpakete der Bienen untersuchen und feststellen, an welchen Pflanzenarten sie diese gesammelt haben“, erklärt Bienenkundler Dr. Reinhold Siede. „Uns interessiert auch, über welche Distanzen die Insekten unsere Flächen anfliegen. Dazu stellen wir Versuchs-Bienenstöcke in bis zu 3 km Entfernung der Sorghum-Blühmischungen in einem ansonsten blüharmen Umfeld auf. Die Bienen markieren wir farblich und können sie so eindeutig identifizieren. Nehmen sie für jeden Sammelflug 6 km Hin- und Rückweg auf sich, um in unseren Mischungen Pollen- und Nektar zu sammeln, würde dies den hohen agrarökologischen Wert solcher Flächen belegen“, so Siede.
Ebenfalls auf genetischer Ebene bearbeiten die Forscher den Aspekt der Mischanbautauglichkeit der neuen Biogas-Energiepflanzen in Bezug auf die Merkmale Blatt- und Wurzelarchitektur. Gewünscht ist eine aufrechte Blattstellung, um die Beschattung der Untersaaten zu verringern, und eine möglichst vertikale Wurzelstruktur, um die Wasserverfügbarkeit für die Untersaaten zu verbessern. Diese Eigenschaften werden im Vorhaben phänotypisch an den Versuchsbeständen erfasst. Über eine genom-weite Assoziationsstudie und eine QTL-Kartierung wollen die Forscher dann herausfinden, an welche Genabschnitte diese Eigenschaften gekoppelt sind. Die Ergebnisse können zur künftigen Züchtung mischanbautauglicher bicolor-Dualtyp-Sorten beitragen.
Dank geringerer Wuchshöhe sind die neuen Biogas-Energiepflanzen prädestiniert für den Mischanbau
Sorghum bicolor-Dualtypen zeichnen sich durch eine langsamere Jugendentwicklung und einen späteren Reihenschluss als Mais aus. Im Vergleich zu Mais und herkömmlichen Biogas-Hirsesorten haben sie außerdem eine geringere Wuchshöhe. Diese Eigenschaften prädestinieren die Dualtypen für den Mischanbau. Dennoch müssen die Mischungspartner eine gewisse Verschattung durch die Hirse tolerieren. Deshalb erfassen die Forscher auch phänotypisch, welche der Blühpflanzen und -sorten besonders beschattungsverträglich sind.
Das Verbundvorhaben „Sorghum-Blühmischungen für einen insektenfreundlichen Energiepflanzenanbau“ umfasst folgende Teilvorhaben (TVH):
● Förderkennzeichen (FKZ) 2219NR192: Justus-Liebig-Universität Gießen – TVH 1: Untersuchungen zur Variation und genetischen Determination von für Untersaat-Kompatibilität wichtigen Pflanzenarchitekturmerkmalen bei Sorghum.
● FKZ 2219NR452: Landesbetrieb Landwirtschaft Hessen – TVH 2: Untersuchungen zur Wertigkeit der Sorghum-Blühpflanzengemenge für Bienen.
● FKZ 2219NR445: Technologie- und Förderzentrum im Kompetenzzentrum für Nachwachsende Rohstoffe – TVH 3: Produktionstechnik und Gewässerschutzpotenzial von Untersaaten und Mischanbau mit Sorghum Dualtyp-Hybriden.
● FKZ 2219NR449: Deutsche Saatveredelung AG – TVH 4: Evaluierung von Untersaatkomponenten für den Sorghummischanbau.
Hintergrund:
Der Sorghum bicolor-Dualtyp stellt hinsichtlich der Wuchsform einen Übergangstyp zwischen Kornsorghum und massewüchsigen Biogas-Hirsesorten dar. Er vereint die Körnerausbildung, Frühreife, höhere Trockensubstanzgehalte und Standfestigkeit von Kornsorghum mit dem hohen Ertragspotenzial der Biogas-Hirsesorten, die keine Körner ausbilden. Im Korn sind die Energiedichte und damit das Potenzial für die Biogasbildung aufgrund des hohen Stärkeanteils besonders hoch. Erste Hybriden wurden zur Sortenzulassung angemeldet und sind voraussichtlich ab 2021 auf dem Markt verfügbar. Mais und herkömmliche Biogas-Sorghum-Arten sind aufgrund ihrer früheren Jugendentwicklung und des höheren Wuchses weniger für den Mischanbau geeignet. Mais reagiert zudem sehr empfindlich auf konkurrierenden Bewuchs, eine Ausnahme stellt die Kombination Mais und Stangenbohnen dar. Dieses Anbausystem ist in den Herkunftsländern des Maises seit Jahrtausenden etabliert: https://pflanzen.fnr.de/projekte/energiepflanzen/mais-und-stangenbohnen/
In den Agrarlandschaften vieler mitteleuropäischer Regionen existiert im Sommer eine Trachtlücke für Honig- und Wildbienen. Gerade in diesem Zeitraum müssen Bienenvölker jedoch ausreichenden und hochwertigen Pollen als Proteinquelle für die Aufzucht der langlebigen Winterbienen eintragen.
Über die Fachagentur Nachwachsende Rohstoffe (FNR)
Die FNR ist seit 1993 als Projektträger des BMEL für das Förderprogramm Nachwachsende Rohstoffe aktiv. Sie unterstützt außerdem Forschungsthemen in den Bereichen nachhaltige Forstwirtschaft und innovative Holzverwendung. www.fnr.de
Mehr Informationen zu Energie- und Industriepflanzen: pflanzen.fnr.de
Mehr Informationen zu insektenfreundlichen Energie- und Industriepflanzen: https://pflanzen.fnr.de/service/presse/themendossier-nawaro-goes-vielfalt