Mit der Forderung nach Kostensenkungen macht sich die Bundesnetzagentur vom Bock zum Gärtner
„Woran liegt es, dass die Kosten für den Rollout intelligenter Messsysteme steigen? Nicht zuletzt auch daran, dass Bundesregierung, Bundesnetzagentur und verwandte Behörden mit immer neuen Regeländerungen den Fortgang der Digitalisierung um Jahre verzögert haben“, sagt Gerhard Großjohann. Weitere Kapitel im Regulierungsdrama sind programmiert. Ein Kommentar
Bundesnetzagentur-Präsident Klaus Müller packte bei den metering days 2024 die Keule aus (>Siehe Bericht): „Natürlich höre ich: Wir brauchen mehr Geld! Höhere Preisobergrenzen würden den Messstellenbetreibern sofort helfen. Aber die Lösung kann eben nicht immer darin bestehen, die Kosten des Smart-Meter-Rollouts ohne weiteres mir nichts, dir nichts, in die Netzentgelte zu schieben. Um es hart zu sagen: Das jetzige System ist zu teuer!“ Echt jetzt?
Wer im Glashaus sitzt, sollte bekanntlich nicht mit Steinen werfen. Woran liegt es denn, dass die Kosten für den Rollout intelligenter Messsysteme steigen? Nicht zuletzt auch daran, dass Bundesregierung, Bundesnetzagentur und verwandte Behörden mit immer neuen Regeländerungen den Fortgang der Digitalisierung um Jahre verzögert haben. Wo könnten wir beim Rollout stehen, wenn der Amtsschimmel seinen Job effektiv gemacht hätte? Der Ausbau der Erneuerbaren und der Rollout von Wärmepumpen und Elektromobilität kommen ja nicht aus heiterem Himmel.
Andererseits: Sowohl Verteilnetzbetreiber als auch Messstellenbetreiber und auch die Herstellerindustrie litten und leiden wirtschaftlich unter dem permanenten Hin und Her in Bonn und Berlin. Man darf jedem Messstellenbetreiber Sparsamkeit unterstellen, wenn es an der Einnahmenfront offensichtlich klemmt. Man darf jedem Netzbetreiber glauben, dass er jeden Euro zweimal umdrehen muss, den er unter dem Kostendiktat der BNetzA ausgibt. Und man sollte sich auch in die Rolle der Geräte- und Lösungsanbieter hineinversetzen können, die jahrelang auf Pump leben mussten, um immer neue Wartefristen zu überstehen. Längst nicht alle Akteure haben das geschafft. Wie viele Firmenexistenzen haben Politik und Behörden eigentlich schon auf dem Gewissen? Wie viel Kapital wurde vernichtet?
Prinzip der Selbstbedienung bei Bundesbehörden
Mit der Forderung nach Kostensenkungen macht sich die Bundesnetzagentur vom Bock zum Gärtner. Stephan Kapferer, Chef des Übertragungsnetzbetreibers 50Hertz Transmission, gab zu Recht Kontra: „Wenn wir am Ende durch eine andere Realisierung kleinräumiger Erzeugungs- und Verbrauchssituationen einen Nordsee-Windpark weniger anbinden oder eine Gleichstromtrasse von Nord nach Süd in Deutschland weniger bauen, dann habe ich ein vielfaches Potenzial an Einsparung.“ Ein anderer Gedanke, den ein Teilnehmer der Metering Days in der Ausstellung äußerte, schlägt in eine ähnliche Kerbe: „Es wird überhaupt nicht berücksichtigt, welche Vorteile der Rollout intelligenter Messysteme für die Netzsteuerung bringt. So viele Milliarden Euro, wie inzwischen durch Redispatch-Maßnahmen gezahlt werden müssen, kann die Metering-Branche gar nicht zu viel ausgeben.“
Apropos Kosten und Glashaus: Wie entwickelt sich die Personalstärke bei der Bundesnetzagentur, aber auch bei anderen Bundesbehörden? Sowohl Bundeswirtschaftsministerium, Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) und Bundesnetzagentur haben seit 2021 teils massiv Personal aufgebaut. Begründung: Es gelte, zunehmenden Herausforderungen im Markt gerecht zu werden. Hier herrscht offenbar das Prinzip der Selbstbedienung. Die Messstellenbetreiber aber werden in den Schwitzkasten genommen. Sie stehen vor immer neuen Herausforderungen und zunehmender Systemkomplexität und sollen den iMSys-Rollout doch, bitte schön, weiterhin auf Basis einer Preiskalkulation realisieren, die über zehn Jahre alt ist.
Wer steuert die Behörden?
Besserung ist leider nicht in Sicht. Weitere Kapitel im Regulierungsdrama sind programmiert: Denn all die neuen Mitarbeitenden in den Behörden dürfen ja künftig nicht Däumchen drehen oder werden mangels Aufgaben in den Arbeitsmarkt entlassen. Nein, sie bleiben im Amt und müssen Arbeitsnachweise in Form immer neuer Verordnungen und Prozessänderungen erbringen. Glaube niemand, es werde Bürokratieabbau, Komplexitätsreduktion oder ein Regulierungsmoratorium im deutschen Energiemarkt geben. Aber das ist ein anderes Thema…
Fragt sich? Wer oder was steuert die Behörden? Arroganz der Macht, Betriebsblindheit, Realitätsverlust, Ignoranz oder alles zusammen? Oder hat das Spiel vielleicht System? Seitens des Bundeswirtschaftsministeriums wurde ja kürzlich auch schon gegen die zu große Zahl kleiner Netzbetreiber geschossen. Nun werden kleine und mittelgroße Messstellenbetreiber von der Bundesnetzagentur angezählt.
Zu guter Letzt: Was sagte Beatrix Brotkorb, Leiterin der Unterabteilung Netze im BMWK, in Fulda allen Ernstes zu den fortwährenden Regeländerungen durch die Gesetzgebung? „Stabilität heißt manchmal auch, dass man den gesetzlichen Rahmen so strickt, dass man auch für übermorgen gerüstet ist.“ Schöne Grüße in den Elfenbeinturm!
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