Kernbotschaften und Erkenntnisse von den metering days 2024
Von: Gerhard Großjohann
Neue Rekorde, kontroverse und wichtige Debatten, perfekte Organisation: Auch dieses Jahr waren die metering days 2024 wieder herausragend. Das Klassentreffen der Metering-Branche zeigte erneut, wie wichtig das Format ist.
Mit mehr als 1.000 Teilnehmerinnen und Teilnehmern sowie 70 Ausstellern erreichte die elfte Auflage der metering days des ZVEI im Esperanto Kongress- und Kulturzentrum Fulda die Grenzen des Wachstums. Wer gedacht hatte, dass die Laune durch das Warten auf das Inkrafttreten der MSbG-Novelle getrübt würde, sah sich eines Besseren belehrt. Der Rollout intelligenter Messsysteme (iMSys) hat sich verstetigt und nimmt weiter Schwung auf. Bei den Gateway-Herstellern läuft das Geschäft inzwischen gut.
Noch in der Warteschleife befinden sich die Anbieter von Steuertechnik: Für sie zeichnet sich immerhin ein klares Zukunftsszenario ab: 2025 wird das Jahr es Testens und Pilotierens, 2026 dürfte die Steuertechnik dann endlich in großem Stil ausgerollt werden. Wie wichtig das für die Netzbetreiber angesichts des Ausbaus dezentraler Erzeugungsanlagen und des zu erwartenden Booms bei Elektrofahrzeugen und Wärmepumpen ist, wurde in mehreren Vorträgen deutlich.
Zwischen Baum und Borke die grundzuständigen Messstellenbetreiber (gMSB): Für sie endet 2024 der agile iMSys-Rollout mit der Perspektive, bis Ende 2025 eine Pflichteinbauquote von 20 % erreichen zu müssen. Angesichts der Tatsache, dass ein Großteil der kleinen MSB noch gar nicht mit dem iMSys-Rollout begonnen hat, droht vielen Ungemach – im schlimmsten Fall übernimmt der Auffangmessstellenbetreiber. Unwettergefahr birgt die aufkommende Kostendiskussion – dazu unten mehr.
Was waren die Kernbotschaften und -erkenntnisse von den metering days 2024?
Eine kleine Auswahl:
- Der Mess-Rollout wird ein Grid- und Steuerungs-Rollout.
- Die Komplexität im System nimmt weiter zu.
- Im Zieldreieck der Energiewirtschaft wird künftig mehr auf Wirtschaftlichkeit geschaut.
- Auf enge Zusammenarbeit der Branchenpartner kommt es mehr denn je an.
- In wenigen Jahren wird nichts mehr ohne KI laufen.
Effizienzwende steht an
Wolfgang Weber, Vorsitzender der Geschäftsführung des ZVEI, wies in seiner Keynote darauf hin, dass sein Verband sich für die bevorstehende Bundestagswahl der Effizienzwende widme: Einerseits technologisch im Sinne von Elektrifizierung und Digitalisierung, andererseits „im staatlichen Tun“ durch Bürokratieabbau und konsistente Gesetzgebung. „Das Stromsystem wird in den nächsten Jahren eine wahnsinnige Entwicklung vollziehen“. Dafür seien im Netz umfangreiche Maßnahmen notwendig.
„Der Netzausbau ist eine No-regret-Option in Deutschland unabhängig von Details in der Energiepolitik. Ohne eine weitgehende Digitalisierung von Netzzustands- und Verbrauchsdaten werden wir die Idee eines effizienten Stromsystems nicht verwirklichen können.“ Deshalb laute die Aufgabe beim iMSys-Ausbau für die nächsten Jahre: Roll, Baby roll!
Dringlichkeit zum Steuern steigt
Stephan Kapferer, CEO bei 50Hertz Transmission, untermauerte die Dringlichkeit aus Sicht der Übertragungsnetze. „Die Zahl der Eingriffe in das System und die Notwendigkeit, das System zu steuern, sind in gigantischem Maße gewachsen. Wenn wir heute sagen, dass wir ein sehr stabiles System vorweisen können, dann ist das richtig für bisher, aber keine Garantie für morgen.
Die volatilen Erzeugungskapazitäten wachsen immer weiter, aber gleichzeitig kommen die Voraussetzungen, diese im System vernünftig zu integrieren, nicht im selben Maß voran. Und das muss sich ändern, wenn wir die Systemstabilität erhalten wollen. Heute können wir super messen, aber wir können noch lange nicht super steuern.“
Preisobergrenzen anpassen
Thomas Rütting, Bereichsleiter Netze und Prokurist bei Stromnetz Berlin, berichtete über die technischen und organisatorischen Erfahrungen und Herausforderungen beim Rollout von bislang rund 50.000 iMSys im eigenen Unternehmen: Dazu gehören Konfiguration der IT-Systeme, Montagekapazitäten, Fachkräftemangel und Netztransparenz.
Sein Resümee: „Wir sind gut aufgestellt aktuell, beim Rollout fein. Die Steuerung wird eine riesige Herausforderung. Und wenn wir nach vorne schauen und sehen, was ungesteuert an PV-Erzeugung hereinkommt, dann müssen wir beim Thema Steuern deutlich schneller sein, als wir es bisher waren beim normalen Rollout.“ Jede Marktrolle müsse dazu ihren Anteil leisten. Rütting appellierte zudem an die Politik: „Es ist wirklich wichtig, dass die Preisobergrenzen angepasst werden, damit man den Rollout so ausgestalten kann, dass er am Ende auch passiert.“
Vom Mess-Rollout zum Steuerungs-Rollout
Beatrix Brotkorb, Leiterin der Unterabteilung Netze im BMWK, unterstrich, dass die Digitalisierung mit der Energiewende Schritt halten müsse: „Deshalb brauchen wir mehr Markt, mehr Verantwortung, mehr Möglichkeiten für die Netzbetreiber. Und dafür ist die cybersichere Digitalisierung notwendig. Jetzt müssen wir zu Hochform auflaufen. Und ganz wichtig:
Der Mess-Rollout muss zu einem Steuerungs-Rollout weiterentwickelt werden. Die Fähigkeit zum Steuern muss auf der gesamten Kaskade möglich sein. Beim Hochlauf dürfen wir uns nicht mehr von den Grundsatzdiskussionen über die Smart-Meter-Technik bremsen lassen.“ Brotkorb verteidigte die fortwährenden Regeländerungen durch die Gesetzgebung: „Stabilität heißt manchmal auch, dass man den gesetzlichen Rahmen so strickt, dass man auch für übermorgen gerüstet ist.“
Müller: Was nicht so gut läuft
Den stärksten Widerhall auf den metering days und im Nachgang zur Veranstaltung erzeugten die Aussagen von BNetzA-Präsident Klaus Müller. „Lassen Sie mich über die Dinge reden, die noch nicht so gut laufen. Wissen wir eigentlich so genau, wo wir in Deutschland mit dem Rollout stehen? Dass es noch Mängel bei der Transparenz gibt, das haben Sie dem BMWK-Bericht entnommen. Und darum hat sich die Bundesnetzagentur entschieden – auch gegen manchen Protest – in einem etwas kürzeren Abstand nachzufragen. Und wenn Sie das als Druck verstanden haben in der Branche, dann war das auch genauso gemeint.“
Raunen im Saal! Der BNetzA-Boss wies mit Blick auf 2025 und die Erreichung des 20-%-Meilensteins darauf hin, dass laut jüngst erhobenen Zahlen in erst 9,25 % der Pflichteinbaufälle iMSys installiert seien – im Durchschnitt. „Wenn wir aber eine Stufe tiefer gucken, zeigt sich ein sehr differenziertes Bild: Während große Messstellenbetreiber im Zeitplan und teilweise schon über den 20 % liegen, bleibt eine sehr beträchtliche Anzahl kleinerer MSB weit hinter den Zielen zurück. Über 500 Messstellenbetreiber haben bisher weniger als 3 % der Pflichteinbaufälle ausgestattet… Es gibt viel, viel, viel Luft nach oben.“
Kosten senken
Ein noch heftigere Breitseite Müllers sollte folgen: „Natürlich höre ich: Wir brauchen mehr Geld! Höhere Preisobergrenzen würden den Messstellenbetreibern sofort helfen. Aber die Lösung kann eben nicht immer darin bestehen, die Kosten des Smart-Meter-Rollouts ohne weiteres mir nichts, dir nichts, in die Netzentgelte zu schieben. Bereits die bestehenden Vorgaben zur Beteiligung der Netzbetreiber an den Kosten für intelligente Messsysteme führen unter der BMWK-Prognose von über 20. Mio. Pflichteinbaufällen bis 2032 zu jährlichen Kosten von mindestens 1,5 Mrd. Euro, die dann über Netzentgelte zu finanzieren wären.
Die durch die Kabinettsfassung enthaltene Gesetzesänderung zu neuen Preisobergrenzen von Steuerungseinrichtungen und die Aufhebung der POG-Bündelung, das wären nochmal schlappe 800 Mio. Euro jährlich obendrauf. Wir brauchen eine Diskussion darüber, wie wir die Kosten für die Verbraucher insgesamt vertretbar halten. Und das heißt, wir müssen Kosten senken in diesem System.“
Potzenzial zur Einsparung
In der Panel-Diskussion legte Müller nach: „Um es hart zu sagen: Das jetzige System ist zu teuer! Ich liebe den Optimismus hier im Raum, lassen Sie sich den nicht ausreden. Und ab morgen arbeiten wir daran, dass wir kosteneffizienter werden.“ Mit dem parallelen Verfolgen der Ziele Nachhaltigkeit und Kosteneffizienz im System gehe er völlig d’accord, erwiderte Stephan Kapferer. Man müsse jetzt aber auch schauen, wo die großen Potenziale liegen. „Wenn wir am Ende durch eine andere Realisierung kleinräumiger Erzeugungs- und Verbrauchssituationen einen Nordsee-Windpark weniger anbinden oder eine Gleichstromtrasse von Nord nach Süd in Deutschland weniger bauen, dann habe ich ein vielfaches Potenzial an Einsparung.“
Dennis Laupichler vom BSI betonte in der Diskussion die elementar wichtige Bedeutung der Cybersicherheit im Energiesystem. Ob der deutsche Weg ein Exportschlage wird? Fakt ist: Länder wie die Niederlande orientieren sich inzwischen an der Infrastruktur, wie sie in Deutschland entsteht.
PS auf die Straße bringen
Einhellig gute Stimmung bei den Smart-Meter-Gateway-Herstellern im Kreuzverhör. „Der Rollout rollt und geht voran“, sagte Ingo Schönberg, PPC AG. „Wir sind sehr bereit, die Grundstimmung sehr positiv“, so Paul Martin Halm, EFR. „Wir haben einiges richtig gemacht in den letzten Jahren“, meinte Ruwen Konzelmann, Theben Smart Energy. „Wir sind mehr als bereit und müssen weiter ins Machen kommen“, ergänzte Dr. Holger Graetz, Sagemcom Dr. Neuhaus.
„Wir brauchen jetzt den Steuerungs-Rollout, es geht um die Zukunft“, blickte Dr. Peter Heuell nach vorn und appellierte: „Wir sollten uns nicht um uns drehen, sondern wir sind Teil der Energiewende. Und es ist wichtig, dass wir die PS auf die Straße bringen. Wir haben auch eine Gesamtverantwortung.“
Fazit: perfekte Veranstaltung
Was gab es sonst noch in Fulda zu sehen und zu hören? Vorneweg: Es ist unmöglich, an dieser Stelle ein Bild von den metering days zu zeichnen, das jedes Detail einbezieht. Über jeden der hier nicht zitierten weiteren Einzelvorträge und jede der über 30 Slots im Solutions Forum ließe sich ein separater Bericht schreiben. Dass die metering days 2024 in jeder Hinsicht perfekt organisiert waren und orchestriert wurde, ist mittlerweile keine News mehr, sei aber explizit lobend erwähnt.
Dass das Orga-Team beim ZVEI mit immer neuen Programm-Highlights überrascht – ebenfalls erwartbar. Jedenfalls: Wie Lars Ruppel – preisgekrönter Poetry-Slammer, aber mit dem Thema Smart Metering komplett unvertraut – die Veranstaltung auf unnachahmliche Weise schließlich zusammenfasste, riss das Plenum zu einem Begeisterungssturm hin.
Schließlich zu melden bleibt: Die nächsten metering days finden am 28. und 29. Oktober 2025 an gleicher Stelle in Fulda statt. Schwer vorstellbar, dass auch nur eine der 2024 anwesenden Personen nicht wiederkommt.
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