„Unsere Lösung übererfüllt die Anforderungen des §14a EnWG und ist somit zukunftssicher“
In Finnland gibt es – anders als in Deutschland – einen Full-Rollout. Warum das dort möglich ist und in Deutschland aktuell eher nicht, erklärt Christoph Scharfenort, Sales Manager DACH bei Aidon. Der finnische Anbieter von Smart-Grid- und Smart-Metering-Lösungen hat für den deutschen Markt eine Lösung für die Messdatenerhebung für Verteilnetzbetreiber (VNB) nach §14a Energiewirtschaftsgesetz (EnWG) entwickelt. „Die Lösung übererfüllt die Anforderungen des §14a EnWG und ist somit zukunftssicher, weil sehr wahrscheinlich noch zusätzliche regulatorische Anforderungen in den nächsten Jahren auf die Branche zukommen“, sagt Scharfenort im Interview mit energie.blog. Zudem besteche die Lösung durch ein gutes Preis-Leistungs-Verhältnis.
e.b: Herr Scharfenort, Aidon ist ein finnisches Unternehmen. Wie läuft dort die Energiewende?
Christoph Scharfenort: Aidon ist zunächst einmal ein Hersteller für Haushaltszähler (Smart-Meter) dazu ist die Energiewende in Finnland schon viel weiter als in Deutschland. Beispielsweise können Kunden in Finnland den Strom für den nächsten Tag Stunden- und preisgenau einkaufen. Die Zähler haben dazu integrierte Relais, über die Endkunden ihre Heizung, Warmwasserbereitung oder Wallboxen per Zeitplan ansteuern können. Der Versorger stellt seine Preisprognosen für den nächsten Tag online zur Verfügung, so dass die Kunden genau wissen, wann es am günstigsten ist, das Auto zu laden, das Warmwasser aufzuwärmen oder die Spülmaschine laufen zu lassen.
In Finnland ist man außerdem schon bei der zweiten Generation von Smart Metern und befindet sich aktuell mitten im Rollout, der bis 2030 umgesetzt sein muss. Im Gegensatz zu Deutschland gibt es hier einen Full-Rollout, das heißt jeder Zählpunkt wird mit einem intelligenten Zähler ausgestattet. Gleiches gilt für Schweden. Dort wird bis Ende 2024 auch schon die zweite Generation von Smart Metern ausgerollt sein.
Garantierte Datenverfügbarkeit von 99,9 Prozent
e.b: An was könnte es liegen, dass Deutschland so weit hinten liegt?
Christoph Scharfenort: In Deutschland übernehmen die Stadtwerke eigenverantwortlich die gesamte Wertschöpfungskette vom Einkauf über die Installation bis hin zum Betrieb der Smart Meter und das bei sehr komplexen gesetzlichen und regulatorischen Vorgaben. In Skandinavien kaufen die Versorger nur noch die Zählwerte ein. Sie sind zwar noch der Asset Owner der Zählerinfrastruktur, aber die Zählwerte kommen von einem Dienstleister über sogenannte Servicelevel Agreements ins Haus. Aidon garantiert seinen Kunden in Skandinavien beispielsweise eine Datenverfügbarkeit von 99,9 Prozent aller Daten innerhalb von 24 Stunden. Das Risiko beziehungsweise die Einhaltung der Servicelevels liegt beim Dienstleister und nicht mehr bei dem Versorger.
e.b: Könnten sie das mit dem Service Level Agreement genauer erklären?
Christoph Scharfenort: Aidon hat beispielsweise ein Stadtwerk als Kunden mit 10.000 Zählern. Das Stadtwerk kauft die Zähler und alles andere erledigt Aidon – von der Kommunikation (inklusive der individuellen Optimierung vor Ort), dem Einbau bis hin zum Betrieb und der Lieferung der Zählwerte. Und dann kommt es eigentlich nur noch darauf an, dass die Messdaten – in der Regel sind es Fünf-Minuten- oder Viertelstundenmittelwerte – in der vertraglich garantierten Qualität im System des Kunden landen. Aidon liefert dann 99,9 Prozent aller Zählwerte von allen Haushaltskunden innerhalb von 48 Stunden ins Abrechnungssystem.
In Finnland bekommen die Endkunden innerhalb von maximal 15 Minuten ihre Werte ins Kundenportal gespielt. In dem Kundenportal können die Nutzer jetzt die Zeiten zum Laden ihres E-Autos oder die Heizzeiten anhand der für den nächsten Tag bereits fixierten Tarife buchen. Hier wird die Energiewende gelebt, aber das geht nur, weil wir die Daten regelmäßig, zuverlässig und nahezu vollständig ins System liefern – sonst funktioniert das nicht.
Gateaway-Administration in Finnland
e.b: Wie ist das denn mit dem Gateway-Administration in Finnland gelöst?
Christoph Scharfenort: In Deutschland gibt es viel zu viele Beteiligte in der Prozesskette. Es gibt den Verteilnetzbetreiber, den grundzuständigen oder wettbewerblichen Messstellenbetreiber, den Gateway Administrator gegebenenfalls auch noch einen Energieserviceanbieter und last but not least auch noch den Endkunden, der verantwortlich ist, dass die vom Verteilnetzbetreiber oder Lieferanten vorgegebenen Steuerbefehle auch umgesetzt werden. Die dafür erforderliche Hardware besteht aus einem Zähler, einem Smart Meter Gateway, einer Steuerbox und in manchen Fällen auch noch einem Home-Energy-Management System. Über diese Kette müssen letztendlich die Daten in verschiedene IT-Systeme kommen, um zum einen eine Abrechnung erstellen zu können und zum anderen einen sicheren Netzbetrieb zu gewährleisten. Das wird in Skandinavien alles auf einmal mit nur einem Gerät – in einer top Qualität (99,9 Prozent) zu einem Bruchteil der hiesigen Kosten realisiert.
In Finnland gibt es den Haushaltzähler mit zwei integrierten Relais und einem Modem, das kann je nach den örtlichen Gegebenheiten Funk, LTE oder Ethernet sein. Die Kommunikationsanbindung ist das A und O und für eine sichere und störungsfreie Datenübertragung. Aidon kümmert sich darum, dass das der intelligente Zähler eingebaut wird, inklusive der Auswahl der für den Standort bestmöglichen Kommunikation. Und liefert die Daten anschließend ins Abrechnungssystem, wo die entsprechenden Tarife verarbeitet werden. Im Grunde genommen erfüllt in Skandinavien ein Unternehmen alle Rollen auf einmal.
Sicherheit bei der Datenübertragung
e.b: Ist diese Art der Datenübertragung denn sicher?
Christoph Scharfenort: In Skandinavien gibt es kein BSI. Sehr wohl hält man sich aber an die ISO 27001, die internationale Norm für Informationssicherheitsmanagementsysteme. Diese Norm legt die Anforderungen fest, um ein effektives Informationssicherheitsmanagement (ISMS) zu etablieren, zu implementieren, aufrechtzuerhalten und kontinuierlich zu verbessern. Es gibt nicht diese detaillierten Vorgaben wie in Deutschland – Deutschland ist aktuell das einzige Land, bei dem die technischen Vorgaben dazu im Gesetz sehr detailliert verankert sind. Im Normalfall heißt es, dass Standards einzuhalten sind und diese wachsen mit den Anforderungen mit, aber die technische Umsetzung wird den Akteuren überlassen. In Deutschland ist das anders, deshalb auch entsprechend komplexer und folglich teurer.
„In Skandinavien wird mit einem Vier-Qudranten Zähler lediglich die Gesamtbelastung der Trafostation sowie einige Statusinformationen erfasst. Für den deutschen Markt werden zusätzlich noch phasengenau alle Kabelabgänge gemessen“
Aidon-Produkt extra auf den deutschen Markt zugeschnitten
e.b: Wieso ist für Aidon nun der deutsche Markt überhaupt interessant?
Christoph Scharfenort: Vor einem Jahr wurde der §14a EnWG überarbeitet. Für den Verteilnetzbetreiber bedeutet das, dass er ab sofort jede steuerbare Verbrauchseinrichtung (beispielsweise Wallbox, Wärmepumpe, Energiespeicher) an sein Verteilnetz anschließen muss, er sie aber auch unter bestimmten Netzengpasssituationen in der Leistung reduzieren darf. Um solche Situationen erkennen zu können, benötigt der VNB Messwerte. Diese Werte können aus den Smart Metern kommen oder aber aus den Trafostationen. Weil Aidon dafür bereits ein Produkt in Skandinavien hat, hat man sich dazu entschlossen, diese Lösung dem deutschen Markt anzubieten.
Dafür wurde das Aidon-System erweitert. In Skandinavien wird mit einem Vier-Quadranten Zähler lediglich die Gesamtbelastung der Trafostation sowie einige Statusinformationen erfasst. Für den deutschen Markt werden zusätzlich noch phasengenau alle Kabelabgänge gemessen. Neben Strom-, Spannungs- und cos (phi)-werten und den Wirk- und Blindleistungen in beiden Energierichtungen werden auch die Netzqualitätskriterien nach EN 50160 ermittelt. Damit werden nicht nur die für die Umsetzung von §14a erforderlichen Messwerte geliefert, sondern auch weitere wichtige Informationen, um eine stabilen und effizienten Netzbetrieb zu gewährleisten. (Siehe dazu auch den Artikel: ENERVIE digitalisiert zwei Transformatorstationen mit Aidon FMD-Lösung im Rahmen der EnWG §14a-Vorbereitungen)
Vorteile der Aidion-Lösung
e.b: Ist das jetzt eher eine Übergangslösung oder eine dauerhafte Lösung?
Christoph Scharfenort: Das ist eine dauerhafte Lösung. Wie gesagt, werden alle drei Phasen von jedem Abgang und der Neutralleiter über ein Klickwandler-System, das mit dem Hauptzähler verbunden wird, gemessen. Hinzu kommt, dass man bis zu acht Sensoren über den Zähler, der auch die Gateway Funktion übernimmt, anschließen kann. Es können bei Bedarf Kurzschlussanzeiger, Türkontakte überwacht sowie Temperatur und Feuchtigkeit in der Trafo-Station gemessen und entsprechende Meldungen parametriert werden.
e.b: Was sind die Vorteile des Aidon Systems?
Christoph Scharfenort: Die Aidon Lösung besticht durch ein sehr gutes Preis-Leistungsverhältnisse. Die Lösung übererfüllt die Anforderungen des §14a EnWG und ist somit zukunftssicher, weil es mehr als wahrscheinlich ist, dass noch zusätzliche regulatorische Anforderungen in den nächsten Jahren auf die Branche zukommen.
e.b: Was kann Ihre Lösung denn darüber hinaus?
Christoph Scharfenort: Neben der Hardware für die Digitalisierung einer Trafostation umfasst die Lösung auch Softwaremodule. Ein Modul ist für die Parametrierung und Firmware-Updates für die Feldkomponenten zwingend erforderlich, mit einem weiteren Modul lassen sich Informationen visualisieren. Alternativ lassen sich die Messdaten auch in vorhandenen digitalen Infrastrukturen des Verteilnetzbetreibers verarbeiten. Dazu gibt es entsprechende Schnittstellen. Ob in einen digitalen Zwilling, zu Netzplanungs-/Netzberechnungsprogramm oder in die Leitstelle – der Anwender entscheidet, wohin welche Daten gesendet werden sollen.
Die Aidon-Lösung lässt sich einfach in bestehende Systemlandschaften integrieren. Bislang hat man beim digitalen Zwilling oft nur historische Daten verwendet, mit unserem System kann man auf Echtzeitdaten zurückgreifen. Das macht eine Netzprognose natürlich noch viel genauer.
e.b: Dabei werden vermutlich ganz schön viele Daten übertragen?
Christoph Scharfenort: Die Auflösung bei der Messwerterfassung sind sehr hoch, insbesondere bei der Erfassung der Oberschwingungswerte. Sie können sich also vorstellen, bei neun Abgängen und drei Phasen pro Station, dass wir Millionen von Messdaten erzeugen. Und ich habe ja nicht nur eine Station, sondern ein paar Hundert oder Tausend. Das sind dann riesige Datenmengen, deswegen besteht die Möglichkeit, die Daten zu aggregieren, beziehungsweise zu komprimieren. Alarmmeldungen werden auf Wunsch gleich in die Leitstelle verschickt, anderen Daten zum Beispiel über „MQTT“ oder „XML“ übertragen und dort verwertet, wo sie gebraucht werden.
Das Aidon-Backend sammelt die Daten nur kurzfristig. Nach festgelegten Regeln werde diese dann an die verschiedenen Systeme zur Verarbeitung weitergeleitet. Es handelt sich hier meistens um Minuten-, Fünf-Minuten oder Viertelstundenmittelwerte. Das obliegt dem Betreiber der einzelnen Analysesoftware. Das System ist flexibel und kann die Daten so bereitstellen, wie sie benötigt werden.
Pilotprojekt mit den Stadtwerken Haßfurt
e.b: Sie haben mit Ihrer Lösung ein Pilotprojekt mit den Stadtwerken Haßfurt umgesetzt?
Christoph Scharfenort: Haßfurt ist nicht nur ein Pilotkunde für uns, sondern auch Inputgeber. Dabei übernimmt das Stadtwerk die Analysen selbst. Wir gehen mit Haßfurt gemeinsam die Frage an, wie wir noch mehr Power Quality aus den einzelnen Strängen herausholen können. Hier gibt es viele Möglichkeiten, die wir softwaretechnisch erst einmal umsetzen müssen.
Wir wollen mit unseren Partnern wachsen. Wir haben zwar ein System mit ganz vielen Möglichkeiten, aber wir können nicht alles gleichzeitig machen, deswegen ist es uns wichtig, dass uns Haßfurt und natürlich auch unsere anderen Pilotkunden sagen, was sie eigentlich benötigen. Aktuell ist es zum Beispiel noch nicht ganz klar, welche Daten wir eigentlich für den §14a EnWG und die Optimierung des digitalen Zwillings brauchen. Wir stellen hier verschiedene Möglichkeiten vor und treiben die Entwicklung in die Richtung voran, die sich unsere Kunden und Partner wünschen.
e.b: Christoph Scharfenort, vielen Dank für das Gespräch.
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Kerl & Cie
aidon@kerlundcie.de
Über Aidon
Aidon ist der führende Anbieter von Smart-Grid- und Smart-Metering-Lösungen, Anwendungen und Dienstleistungen in Skandinavien. Die Systeme ermöglichen eine zuverlässige Messung und Verteilung von Elektrizität sowie effiziente Instandhaltungsprozesse in den Verteilnetzen unserer Kunden. Die von Aidon gelieferte Technologie wird in etwa 5 Millionen Messpunkten eingesetzt. Der Hauptsitz des Unternehmens befindet sich in Jyväskylä, Finnland, das schwedische Büro in Stockholm, das norwegische Büro in Asker und das dänische Büro in Kopenhagen. Das Produktions- und Logistikzentrum befindet sich in Vantaa, Finnland. Seit November 2023 ist Aidon Teil von Gridspertise, einem globalen Unternehmen, das sich darauf spezialisiert hat, Verteilnetzbetreiber bei der beschleunigten digitalen Transformation von Stromnetzen zu unterstützen. www.aidon.com/de