„Es gibt bei uns kein Stadtwerk, das beim Smart-Meter-Rollout mehr als die Preisobergrenzen dafür aufgewendet hat“
„Ich staune, dass einige Kommunalversorger noch so entspannt beim Smart-Meter-Rollout sind. Denn man kann davon ausgehen, dass ganz viele noch gar nicht richtig angefangen haben“, wundert sich Bouke Stoffelsma. Der Vorstand von Hausheld spricht im energie.blog-Interview darüber, warum der deutsche Weg im Messwesen trotz Kritik der richtige ist und welche Vorteile sich durch die Novelle des Messstellenbetriebsgesetzes bei einem Vollrollout für Messstellenbetreiber ergeben. Sein Unternehmen unterstützt Stadtwerke seit Jahren bei dieser Variante – die Kundenzahl ist inzwischen zweistellig.
Neue Anforderungen beim Messstellenbetriebsgesetz
e.b.: Herr Stoffelsma, die Novelle des Messstellenbetriebsgesetzes ist in Kraft getreten, wie zufrieden sind Sie damit? Ist Deutschland immer noch Schlusslicht in Europa, was den Rollout intelligenter Messsysteme angeht?
Bouke Stoffelsma: Im Gegenteil – die Neuregelungen zum Messsstellenbetriebsgesetz, die noch parteiübergreifend im Januar im Bundestag verabschiedet wurden, bekräftigt, dass Deutschland mitten im Rollout ist. Jetzt haben wir sogar den Schritt zum Smart-Grid-Rollout gemacht. Von daher ist Deutschland ganz sicher nicht hinten, sondern es merken jetzt auch andere, dass wir eine Technologie verfolgt haben, die auch das Steuern im Stromnetz ermöglicht. Und das hat meines Wissens kein anderes Land. Das verändert die Möglichkeiten zur Energiewende dramatisch.
e.b.: Könnten Sie das genauer erklären?
Bouke Stoffelsma: Wenn ich steuern kann, kann ich auch mit Sonnen- und Windenergie arbeiten, wenn diese zur Verfügung steht und kann automatisiert Wärmepumpen und Ladevorgänge in die richtigen Zeitfenster schieben. Das alles kann ich nicht, wenn ich die Anlagen und Geräte nicht orchestrieren kann. Und wenn man das einfach dem Internet überlässt, hat man ein Riesen-Cybersicherheitsproblem mit all diesen Energieanlagen. Die sind in der Regel mit kleinen Wechselrichtern aus chinesischer Herstellung bestückt. Und wer die hacken möchte, bekommt die auch gehackt. Wenn man damit auf ein Land zielt, könnte man damit auch die Energieversorgung für viele, viele Wochen in die Knie zwingen.
„Ich finde es begrüßenswert, dass es parteiübergreifend gelungen ist, die Novelle wurde mit breiter Mehrheit im Bundestag zu verabschieden. Auch nachdem die Ampel nicht mehr besteht, ist das für mich ein klares Zeichen für Kontinuität.“
Hochsichere Geräte
e.b.: Und mit einem Smart Meter umgehe ich diese Gefahr?
Bouke Stoffelsma: Genau, in Deutschland sind die Anlagen künftig mit sogenannten Smart-Meter-Gateways ausgestattet. Diese hochsicheren Geräte sind quasi eine Firewall und genau darauf spezialisiert auch sehr, sehr fortgeschrittene Attacken abzuwehren. Die Geräte sind so gehärtet, dass man davon ausgeht, dass Geheimdienste sie nicht knacken können. Deswegen hat es so lange gedauert, bis die Smart-Meter-Gateways zertifiziert waren. Der Gesetzgeber hat alles dafür getan, dass man trotz der Digitalisierung nicht verwundbar wird.
e.b.: Sie sind also sehr zufrieden mit der Novelle des Messstellenbetriebsgesetzes?
Bouke Stoffelsma: Es passt einfach ins Bild und was ich begrüßenswert finde: Es ist parteiübergreifend gelungen, die Novelle wurde mit breiter Mehrheit im Bundestag verabschiedet. Auch nachdem die Ampel nicht mehr besteht, ist das für mich ein klares Zeichen für Kontinuität. Man setzt dieses Projekt seit 10 Jahren kontinuierlich fort und das wird jetzt auch Früchte eintragen. Es ist ein gutes Beispiel für leistungsfähige Innovation „Made in Germany“.
Vorteil Vollrollout
e.b.: Es gibt noch eine weitere Änderung im Messstellenbetriebsgesetz: Messstellenbetreiber, die einen Vollrollout anstreben, müssen nicht mehr innerhalb von vier Monaten den Einbauten nach Wunsch nachkommen?
Bouke Stoffelsma: Ja. Der Hintergrund ist: Es gibt grundsätzlich seit ungefähr 20 Jahren EU-weit die Vorgabe an die Mitgliedsstaaten, dass 80 Prozent der Bürger mit Smart Metern ausgestattet werden sollen. Deutschland hat das über das Messstellenbetriebsgesetz geregelt, das bestimmte Fallgruppen und bestimmte Pflichteinbauten priorisiert. Damit erreicht man aber weniger als 80 Prozent.
Das hat der Gesetzgeber nun dieses Jahr angepackt und gesagt, wer das Modell verfolgt, das aus der EU-kommt, also ein EU-Infrastruktur-Rollout, und sein Netz vollständig digitalisiert, dem kann man nicht noch zumuten, dass er auf einzelne Bestellungen eingeht. Wer also einen Infrastruktur-Rollout macht, darf über den § 34 MsbG den vorzeitigen Einbau zurückstellen. Er muss allerdings den Kunden mitteilen, wann diese mit dem Einbau rechnen können.
„Ich staune, dass einige Kommunalversorger noch so entspannt sind, weil man davon ausgehen kann, dass ganz viele noch gar nicht richtig angefangen haben, Smart Meter zu betreiben. Damit verlieren die Stadtwerke jedoch die Zuständigkeit beim ganzen Messwesen – was völlig unnötig ist.“
e.b.: Das ist aber eher ärgerlich für den Kunden?
Bouke Stoffelsma: Es ist eine Abwägung. So kommen insgesamt viel mehr Kunden an Smart Meter, weil ein Voll-Rollout viel effizienter abläuft. Der Kunde kann jederzeit einen wettbewerblichen Messstellenbetreiber beauftragen, der ihm das intelligente Messsystem einbaut. So kann der grundzuständige Messstellenbetreiber einen geordneten Rollout verfolgen. Das Einzige, was der Gesetzgeber von ihm wirklich erwartet, ist, dass er das auch tut und nachweist, dass er das erfolgreich umsetzt. Nur zu behaupten, man kriegt das bis 2030 hin, reicht nicht mehr.
Die Bundesnetzagentur kontrolliert die Einbauzahlen ab sofort. Zugleich droht sie den Stadtwerken, dass der sogenannte Auffangmesstellenbetreiber übernimmt, falls sie ihren Aufgaben nicht nachkommen. Das sind in der Regel die großen Konzerne, die sich bei der Bundesnetzagentur beworben und den Zuschlag bekommen haben, also Westnetz, Eon, EnBW. Sie sind darauf ausgerichtet, den kompletten Messstellenbetrieb von Stadtwerken zu übernehmen. Ich staune daher, dass einige Kommunalversorger noch so entspannt sind, weil man davon ausgehen kann, dass ganz viele noch gar nicht richtig angefangen haben, Smart Meter zu betreiben. Damit verlieren die Stadtwerke jedoch die Zuständigkeit beim ganzen Messwesen – was völlig unnötig ist.
Verlust der Grundzuständigkeit
e.b.: Was wäre denn so schlimm an dem Verlust?
Bouke Stoffelsma: Das Messwesen ist ein Teil des Netzbetriebs. Damit erhält ein fremder Netzbetreiber plötzlich Kontrolle über das Stromnetz, das ein anderes Stadtwerk betreibt. Ich kann mir nicht vorstellen, dass man ein solches Stromnetz dann noch lange selbst betreibt. Der Schritt zu: „Wir brauchen in Deutschland keine 800 kleinen Netzbetreiber, sondern das können auch 23 große sein“ ist dann nicht mehr fern. Deswegen sollten Stadtwerke das Messwesen in den Griff bekommen und die Abrechnung mit den Kunden unbedingt bei sich selbst realisieren.
e.b.: Eon hatte unlängst gefordert, dass der wettbewerbliche Messstellenbetrieb abgeschafft werden sollte. Dagegen hat sich jetzt Octopus Energy gewehrt. Wie ist Ihre Position hier?
Bouke Stoffelsma: Wenn man das Modell eines Voll-Rollouts verfolgt und nicht jedes Mal springen will, wenn ein Kunde jetzt sofort einen Smart Meter eingebaut haben will, ist es durchaus hilfreich, wenn es wettbewerbliche Messstellenbetreiber gibt, die diesen Bedarf erfüllen. Und es gibt auch große Anbieter von Solaranlagen und Wärmepumpen, die eine Gesamtlösung für ihre Kunden bieten wollen und den Smart Meter in der Lösung brauchen. Es ist sicherlich auch ein valides Angebot, um technische Funktionen abzubilden, die ein Grundzuständiger nicht abbilden möchte oder nicht kann.
Grundsätzlich würde ich sagen, dass sich der Gesetzgeber seit 2023 sehr viel Mühe gegeben hat, die grundzuständigen Messstellenbetreiber, also die Stadtwerke, zu unterstützen. Aber klar, er will auch Ergebnisse sehen. Deswegen ist die Chance für Stadtwerke viel, viel größer, wenn sie den Rollout selbst beherzt angehen, als die Sorge, dass Wettbewerbliche den Markt übernehmen können.
„Das Spannende ist jetzt, dass durch den Schritt zum Smart-Grid-Rollout noch mal mehr Dynamik reinkommt. Wir installieren nun auch flächendeckend Steuerboxen bei den steuerbaren Anlagen. Damit wird auch das gesamte Netz so digital, wie sich das eigentlich ein Netzbetreiber nur wünschen kann.“
Vollrollout: Aktueller Stand bei Hausheld
e.b.: Hausheld verfolgt ja einen Vollrollout. Wie sieht es denn da bei Ihnen aus?
Bouke Stoffelsma: Die Anzahl unserer Kunden ist inzwischen zweistellig. Der Unterschied bei uns, ist, dass einige unserer Stadtwerke schon mehrere 10.000 Zähler eingebaut haben und im Rollout 80 bis 90 Prozent ihrer gesamten Messstellen umgerüstet haben. Damit sind sie auch einfach „vor der Welle“ und können selbst in ihrem Netz die Digitalisierung bestimmen. Sie lösen dann viel früher als andere all die Schwierigkeiten, die mit der Digitalisierung der Abrechnungssysteme einhergehen, bevor Dritte in ihre Netz kommen. Sie behalten die Feldhoheit, wenn sie einen Vollrollout machen.
Schritt zum Smart-Grid-Rollout
e.b.: Also gibt es eigentlich gar nicht mehr so viel zu tun?
Bouke Stoffelsma: Wir unterstützen Stadtwerke jetzt seit über acht Jahren beim Rollout – also seitdem das Messstellenbetriebsgesetz verabschiedet wurde. Das Spannende ist jetzt, dass durch den Schritt zum Smart-Grid-Rollout noch mal mehr Dynamik reinkommt. Wir installieren nun auch flächendeckend Steuerboxen bei den steuerbaren Anlagen. Damit wird auch das gesamte Netz so digital, wie sich das eigentlich ein Netzbetreiber nur wünschen kann. Er bekommt nun auf einmal in der Niederspannungsebene volle Transparenz in das, was da passiert und er kann dort nun auch die Erneuerbaren-Anlagen steuern.
Das ist etwas, da ziehen alle an einem Strang, wenn man das hinbekommt. Wir als Hausheld haben uns seit Jahren darauf spezialisiert, den Stadtwerken genau diesen Weg möglichst industriell zu liefern. Dazu haben wir sehr ausgefeilte Installations-Strategien entwickelt, indem wir ganze Straßenzüge auf einmal digitalisieren und viele Zähler auf wenige Smart Meter Gateways zusammenfassen. Was 2023 an Neuerungen ins Gesetz gekommen ist, sind alles Chancen, den Smart-Meter-Rollout erfolgreich zu gestalten. Zum Beispiel, dass man ein Gateway für mehrere Kunden verwenden darf. Damit wird der Rollout preiswerter. Stadtwerke erreichen dann auch endlich eine Marge – etwas, was viele unterschätzen.
Was auch nicht einfach mal eben so gemacht wird: In der heutigen Zeit erfordert die Finanzierung solcher Projekte zweistellige Millionenbeträge. Und hier bringt Hausheld für seine Kunden die Finanzierung gleich mit. Wir haben mit Ancala einen der größten Infrastrukturfonds Europas im Gesellschafterkreis und können dadurch auch die Investitionen stemmen. Es ist dann eine Komplettlösung, bei der das Stadtwerke immer der Betreiber bleibt. Das Gesicht zum Kunden hin verändert sich also nicht. Wir bieten eine Rundum-Experten-Dienstleistung an, um die aktuellen Probleme zu lösen und die gesetzlichen Anforderungen zu erfüllen.
„Wenn man den Rollout richtig anpackt, bekommt man die ganze Digitalisierung quasi frei Haus, weil sie eben innerhalb der Preisobergrenzen wunderbar umsetzbar ist. Es gibt bei uns kein einziges Stadtwerk, das mehr als die Preisobergrenzen dafür aufgewendet hat.“
Finanzieller Aufwand für Smart-Meter-Rollout
e.b.: Und die Stadtwerke können sich das leisten?
Bouke Stoffelsma: Wir haben ein Angebot für Stadtwerke, bei dem sichergestellt ist, dass der Rollout für das Stadtwerk wirtschaftlich ist. Es gibt eine Preisgarantie von unserer Seite und wenn wir die gesamte Stadt digitalisieren, dann treten so viele Skaleneffekte auf und es können so viele Technikvorteile genutzt werden, dass man unter die Preisobergrenzen fällt. Das gilt sowohl für das Messen als auch für das Steuern der ganzen Anlagen. Wenn man den Rollout richtig anpackt, bekommt man die ganze Digitalisierung quasi frei Haus, weil sie eben innerhalb der Preisobergrenzen wunderbar umsetzbar ist. Es gibt bei uns kein einziges Stadtwerk, das mehr als die Preisobergrenzen dafür aufgewendet hat.
e.b.: Aber das gilt vermutlich nicht für Stadtwerke im ländlichen Raum, sondern eher für die Städte?
Bouke Stoffelsma: Nein, das gilt für alle Netzsegmente und für alle Größenordnungen von Netz. Weil das Prinzip können sie überall so anwenden. Wir sitzen mit unserem Hauptsitz in Mönchengladbach, der Mafketinglaim ist „Großstadt im Grünen“. Aber ganz ehrlich heisst das nur, dass es hier viele ländliche Dörfer gibt und auch das ist eine Struktur, die wir mit unserer Technik gut umsetzen können. Im Saarland und in Bayern gibt es zahlreiche Stadtwerke, die den Smart-Meter-Rollout mit Hausheld-Technologie umsetzen. Da ist sowohl städtischer als auch ländlicher Raum versorgt.
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