„Besonders überrascht hat uns, dass große und kleine Stadtwerke ihren Digitalisierungsstand nahezu gleich bewerten“
Die Herausforderungen sind erkannt – aber der Wille, konsequent in zukunftsweisende Lösungen zu investieren, ist vielerorts noch nicht stark genug. Das ist eine der zentralen Ergebnisse der Utility-4.0-Studie von prego services. Fachkräftemangel, Investitionszurückhaltung und fehlendes digitales Know-how bremsen die Transformation vieler Stadtwerke erheblich. Warum aber gerade jetzt Investitionen in die IT so wichtig sind, erläutern Simone Kiefer, Fachbereichsleiterin Marketing & Projektleiterin der Utility 4.0 Studie, sowie Marketing Managerin Lena Trunzler. Beide beleuchten auch, was Energieversorger jetzt machen können, um aus diesem Dilemma zu kommen und welche Rolle KI dabei spielen kann.
Energiewirtschaft verliert an Dynamik
e.b.: Frau Kiefer, Frau Trunzler was war das wichtigste Ergebnis der diesjährigen Utility-4.0-Studie?
Simone Kiefer: Zentrales Ergebnis der Studie Utility-4.0 ist die Erkenntnis, dass die Digitalisierung in der Energiewirtschaft deutlich an Dynamik verloren hat. Besonders deutlich wird dies bei den hemmenden Faktoren: Ein steigender Fachkräftemangel sowie fehlendes digitales Know-how bremsen die Transformation erheblich. Rund 80 Prozent der befragten Unternehmen nennen Zeitmangel, fehlende Fachkräfte und unzureichende Kompetenzen als größte Hürden auf dem Weg zur Digitalisierung.
Lena Trunzler: Auffällig ist: Obwohl der Fachkräftemangel und die Notwendigkeit der Automatisierung allgemein erkannt werden, spielen Strategien wie Outsourcing oder der gezielte Einsatz von Automatisierungstechnologien in vielen Unternehmen noch keine zentrale Rolle. Das zeigt: Die Herausforderungen sind erkannt – aber der Wille, konsequent in zukunftsweisende Lösungen zu investieren, ist vielerorts noch nicht stark genug ausgeprägt.
Bedeutung von Plattformen
e.b.: Es herrscht noch sehr viel Unwissenheit bei den Versorgern bezüglich ihrer IT- Systeme/Plattformen. Was sollten die Unternehmen jetzt machen?
Simone Kiefer: Fast 90 Prozent der Befragten halten energiewirtschaftliche IT- Plattformen für wichtig oder sehr wichtig – zu Recht. Denn sie ermöglichen die Automatisierung zentraler Prozesse, steigern die Effizienz und senken die Kosten. In Zeiten von Fachkräftemangel und knappen Ressourcen sind diese Effekte von entscheidender Bedeutung.
Lena Trunzler: Um den Herausforderungen rund um Kosten, Zeit und Personal aktiv zu begegnen, empfiehlt es sich, auf strategische Partnerschaften zu setzen. Sei es mit spezialisierten Dienstleistern, Forschungseinrichtungen oder Innovationsnetzwerken. Die gezielte Nutzung externer Expertise hilft nicht nur, internes Know-how aufzubauen und zu entlasten, sondern schafft auch Zugang zu erprobten Lösungen und Best Practices. Wer heute vernetzt denkt und gezielt kooperiert, legt den Grundstein für eine zukunftssichere digitale Infrastruktur.
„Große EVU schätzen sich dennoch besser als die Branche ein, sehen sich aber auch mit komplexeren IT-Strukturen, strengeren regulatorischen Anforderungen und hohen Sicherheitsstandards konfrontiert. KMU sehen sich im Vergleich zur Branche eher schlechter aufgestellt und kämpfen hingegen stärker mit limitierten Budgets und knapperen Ressourcen.“
Lena Trunzler, Marketing Managerin bei prego services
Welche Erkenntnis in der Studie hat Sie am meisten überrascht?
Simone Kiefer: Besonders überrascht hat uns die Erkenntnis, dass große Stadtwerke und kleinere Versorger den Stand ihrer Digitalisierung nahezu gleich bewerten. Diese Gleichstellung legt nahe, dass beide Unternehmensgruppen vor vergleichbaren Herausforderungen stehen – allen voran dem Mangel an Fachkräften, der sich als branchenweites Problem manifestiert. Hinzu kommt eine generelle Unsicherheit hinsichtlich des konkreten Nutzens und der Effizienz von IT-Investitionen. Wenn der Mehrwert nicht unmittelbar greifbar ist, bleibt die Investitionsbereitschaft häufig gering – das bremst Innovationen auf breiter Front.
Lena Trunzler: Natürlich existieren auch Unterschiede: Große EVU schätzen sich dennoch besser als die Branche ein, sehen sich aber auch mit komplexeren IT-Strukturen, strengeren regulatorischen Anforderungen und hohen Sicherheitsstandards konfrontiert. KMU sehen sich im Vergleich zur Branche eher schlechter aufgestellt und kämpfen hingegen stärker mit limitierten Budgets und knapperen Ressourcen. Auffällig ist zudem, dass kleinere Unternehmen ihre Prozessmanagementstruktur häufig schlechter bewerten als größere – ein Indiz für strukturellen Aufholbedarf.
Gründe für mangelnde Investitionsbereitschaft
e.b.: Im Bereich Investitionen in ihre IT sind die Stadtwerke sehr zurückhaltend. 40 Prozent der Befragten aus KMU schätzen die Quote auf ein Prozent – eine Verschlechterung um 10 Prozentpunkte im Vergleich zum Vorjahr. Was sind die Gründe?
Simone Kiefer: Erstens: Investitionszurückhaltung in unsicheren Zeiten: In wirtschaftlich angespannten Phasen agieren viele KMU generell vorsichtiger – und Investitionen in die IT-Infrastruktur stehen dann oft nicht ganz oben auf der Prioritätenliste. Die Angst vor Fehlinvestitionen spielt dabei ebenso eine Rolle wie kurzfristige Liquiditätsengpässe.
Zweitens: Ausgeschöpfte Budgets nach Großprojekten: Ein Teil der Unternehmen hat in den vergangenen Jahren bereits umfangreiche Transformations- und Digitalisierungsprojekte durchgeführt. Nach solchen Phasen kommt es häufig zu einem Investitionsstopp, weil Budgets und Kapazitäten erschöpft sind.
Drittens: Fachkräftemangel und fehlendes Know-how: Der deutliche Mangel an qualifizierten Fachkräften und internem IT-Know-how hemmt die Umsetzung digitaler Projekte. Ohne entsprechende Ressourcen lassen sich geplante Vorhaben nur schwer realisieren – was die Investitionsbereitschaft zusätzlich bremst.
Viertens: Schwächen im Prozessmanagement: Insbesondere kleinere Unternehmen bewerten ihre eigenen Prozessmanagementstrukturen deutlich schlechter als größere Marktteilnehmer. Diese strukturellen Defizite erschweren die effiziente Planung und Umsetzung von Digitalisierungsvorhaben.
Fünftens: Regulatorische Belastung: Nicht zuletzt beklagen viele Unternehmen eine zunehmende Bürokratisierung und regulatorische Überfrachtung, die personelle Ressourcen bindet und kaum Spielraum für Innovationen lässt.
Lena Trunzler: Die sinkende Investitionsquote ist kein Zeichen mangelnder Einsicht in die Notwendigkeit der Digitalisierung, sondern Ausdruck struktureller Herausforderungen. Um diese zu überwinden, braucht es gezielte Unterstützung, klare Strategien und vor allem partnerschaftliche Lösungen, die den Einstieg erleichtern.
Wie viel sollte in die IT investiert werden?
„Um echten digitalen Fortschritt zu erzielen, ist eine Investitionsquote von mindestens zwei Prozent notwendig. Dieses Niveau erreichen derzeit aber nur 22 Prozent der Energieversorger – ein deutliches Warnsignal.“
Projektleiterin der Utility 4.0 Studie Simone Kiefer
e.b.: Bei den großen Unternehmen sind es immerhin 13 Prozent, die in ihre IT investieren. Was heißt das für den Wettbewerb? Und sind 13 Prozent nicht auch sehr wenig?
Simone Kiefer: Studien von Wirtschaftsberatungen zeigen: Unternehmen, die weniger als zwei Prozent ihres Umsatzes in die digitale Transformation investieren, können ihren Digitalisierungsgrad bestenfalls halten – oder verlieren langfristig im Wettbewerb. In der aktuellen Studie schätzen 40 Prozent der befragten KMU ihre Investitionsquote auf ein Prozent oder weniger – eine Verschlechterung um 10 Prozentpunkte im Vergleich zum Vorjahr. 13 Prozent der großen EVU investieren in diesem niedrigen Bereich. Um echten digitalen Fortschritt zu erzielen, ist eine Investitionsquote von mindestens zwei Prozent notwendig. Dieses Niveau erreichen derzeit aber nur 22 Prozent der Energieversorger – ein deutliches Warnsignal.
Lena Trunzler: Wer frühzeitig und kontinuierlich in IT investiert, verschafft sich klare Wettbewerbsvorteile. Unternehmen mit einer höheren Investitionsquote sind besser aufgestellt, um Prozesse effizient zu automatisieren, Daten strategisch zu nutzen und neue Technologien einzuführen. Das steigert nicht nur die Effizienz, sondern auch die Anpassungsfähigkeit an sich verändernde Marktbedingungen. Die Studie macht deutlich: Eine höhere Investitionsquote geht mit einer positiveren Einschätzung des eigenen Digitalisierungsgrades einher – und stärkt langfristig die Wettbewerbsfähigkeit. Wer dagegen zögert, riskiert, im digitalen Wettbewerb abgehängt zu werden.
Handlungstipps für Stadtwerke bei der Digitalisierung
e.b.: Stadtwerke kommen an die Grenzen Ihrer Möglichkeiten, was können sie machen?
Simone Kiefer: Der Schlüssel liegt darin, dass die Stadtwerke proaktiv werden müssen: Sie sind gefordert, ihre Investitionsbereitschaft in die Digitalisierung zu erhöhen und ihre Partnerschaften auszubauen. Nur so können sie ihre Wettbewerbsfähigkeit langfristig sichern und die Herausforderungen der digitalen Zukunft erfolgreich meistern.
Durch Kooperationen und Partnerschaften, können Ressourcen gebündelt und Synergien genutzt werden. Die Zusammenarbeit mit anderen Energieversorgungsunternehmen (EVU), Hochschulen und spezialisierten Dienstleistern kann dabei von großem Vorteil sein. Ein weiterer entscheidender Faktor sind energiewirtschaftliche IT-Plattformen, die laut Studie von rund 90 Prozent der Befragten als wichtig oder sehr wichtig eingestuft werden. Sie ermöglichen nicht nur die Automatisierung und Optimierung von Prozessen, sondern tragen auch zur Kostensenkung bei – insbesondere in Zeiten von Fachkräftemangel und knappen Ressourcen. Der Einsatz moderner IT-Lösungen, die Routineaufgaben übernehmen und Prozesse effizienter gestalten, kann die Arbeitsbelastung reduzieren und die Effizienz insgesamt steigern.
<span class=“yoast-text-mark“>“color: #ff6600;“><strong>Lena Trunzler: Aufgrund des begrenzten internen Know-hows und der knappen Ressourcen verstärkt sich auch die Empfehlung, externe Beratungs- und Umsetzungsleistungen in Anspruch zu nehmen. Externe Expertinnen und Experten können wertvolle Impulse liefern, um die digitale Transformation voranzutreiben und dabei auf erprobte Best Practices und spezialisiertes Know-how zurückgreifen. Um langfristig wettbewerbsfähig zu bleiben, ist es für Stadtwerke entscheidend, verstärkt in digitale Technologien und Prozesse zu investieren. Nur mit strategischer Planung und der Bereitschaft, in innovative Lösungen zu investieren, kann die digitale Transformation gelingen.
KI als wertvolles Instrument, dessen Einsatz gut durchdacht werden muss
e.b: Wäre KI hier eine Lösung? Welche Chancen gibt es hier, aber auch, welche Gefahren lauern?
Simone Kiefer: Eine der größten Chancen liegt sicherlich in der Automatisierung von Prozessen. KI kann repetitive und zeitaufwändige Aufgaben übernehmen, was nicht nur die Effizienz steigert, sondern auch Ressourcen freisetzt, die anderweitig eingesetzt werden können. Auch die Analyse großer Datenmengen und die Gewinnung wertvoller Erkenntnisse kann Stadtwerken helfen, fundierte Entscheidungen zu treffen und Optimierungspotenziale in ihren Prozessen zu identifizieren. Dabei darf jedoch die Datensicherheit nicht außer Acht gelassen werden. Gerade im KRITIS-Umfeld.
Lena Trunzler: KI kann ein wertvolles Instrument für Stadtwerke sein, aber nur, wenn ihre Einführung gut durchdacht, verantwortungsvoll und unter Berücksichtigung aller Risiken erfolgt. Stadtwerke sollten den Weg der digitalen Transformation mit einer klaren Vision, einer durchdachten Planung und einer proaktiven Risikomanagementstrategie gehen. Nur so kann die Technologie ihr volles Potenzial entfalten, ohne „unerwünschte Nebenwirkungen“ hervorzurufen.
e.b.: In der Studie heißt es auch, dass die Stadtwerke unzufrieden mit ihren Dienstleistern sind. Wie kommen Sie zu dem Ergebnis und was wäre die Konsequenz?
Simone Kiefer: Bei den Antworten auf die offene Frage nach den Herausforderungen fällt auf, dass aus Sicht der Befragten viele IT-Dienstleister überfordert und zu langsam zu sein scheinen. Das führt gerade bei der durchgängig beklagten regulatorischen Flut und zunehmender Bürokratisierung zu einer Überlastung der Mitarbeitenden im operativen Geschäft der EVU. Ein idealer Dienstleister sollte daher nicht nur über fundiertes Fachwissen, sondern auch über Erfahrung in der Energiebranche verfügen. Dadurch ist er in der Lage, schnell und flexibel auf regulatorische Anforderungen und Marktveränderungen zu reagieren.
Lena Trunzler: Nur wenn ein Dienstleister effizient arbeitet und regelmäßig über Fortschritte und Herausforderungen informiert, kann er das Vertrauen des Stadtwerks und deren Mitarbeiter*innen gewinnen und eine langfristige, erfolgreiche Partnerschaft aufbauen.
Jetzt die komplette Studie herunterladen
Die vollständigen Studienergebnisse mit detaillierten Einblicken in den Status der Digitalisierung bei EVU stehen kostenlos zum Download bereit unter: www.prego-services.de/utility/studie
Über die Studie
Die Utility 4.0 Studie bietet einen fundierten Einblick in den aktuellen Stand der digitalen Transformation aus Sicht des Top-Managements der Energiewirtschaft. Seit 2017 liefert sie jährlich einen Überblick über die Stärken und Schwächen der Digitalisierung. Die Studie hilft Führungskräften, ihren Fortschritt im Branchenvergleich zu bewerten. Sie hat keinen repräsentativen Anspruch, dient aber als Benchmark für Führungskräfte in der Energiebranche und liefert wichtige Hinweise über die aktuellen Trends bei der digitalen Transformation.
Seit 2022 wird die Studie in Kooperation mit den Energieforen Leipzig durchgeführt, was den Detaillierungsgrad der Erkenntnisse weiter stärkt. Mehr als 70 Prozent der Teilnehmer sind Führungskräfte ab Abteilungsleiter aufwärts, darunter zahlreiche Vorstände und Geschäftsführer. Damit spiegeln die Ergebnisse sowohl die strategischen Perspektiven als auch die operativen Erfahrungen mit der Digitalisierung wider. Die Befragung umfasst Unternehmen unterschiedlicher Größe, von kleinen und mittleren Unternehmen (KMU) bis hin zu Großunternehmen, und deckt das gesamte Spektrum der Marktrollen in der Branche ab.
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