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Energievertrieb: „Viele Energieversorger fliegen blind“

"Viele Systeme sind gar nicht in der Lage, dynamische Netzentgelte korrekt zu verarbeiten. Wir haben unsere Lösung direkt an Anbieter wie ene’t oder GET AG angebunden. So lassen sich auch zeitvariable Entgelte automatisiert kalkulieren", sagt Thomas Schmidt, Niederlassungsleiter Deutschland von Midas Energy. (Bild: © Midas Energy)

Wie Midas Energy mit Zeitreihen und Portfolio-Logik mehr Sicherheit im Energievertrieb schafft

Wie lassen sich Energieverträge transparent kalkulieren, Risiken frühzeitig erkennen und dynamische Tarife sauber abrechnen – ganz ohne Excel und Medienbrüche? Thomas Schmidt, verantwortlich für den deutschen Markt bei Midas Energy erklärt im Gespräch mit energie.blog, warum zeitreihenbasierte Systeme der Schlüssel für mehr Effizienz, Sicherheit und Flexibilität im Energievertrieb sind. Und was Deutschland vom dänischen Markt lernen kann.

Dynamische Tarife und ihre Herausforderungen

e.b: Herr Schmidt, Midas Energy kommt aus Dänemark – einem Land, das Deutschland in puncto Digitalisierung weit voraus ist. Worin unterscheiden sich die Märkte?
Thomas Schmidt: In Dänemark haben wir eine ganz andere Ausgangslage. Es gibt praktisch keine Haushaltskunden mehr ohne Smart Meter. Der Markt ist digital durchdrungen – und das ermöglicht dynamische Tarife, bei denen Kunden stundengenau nach Spotmarktpreisen abgerechnet werden. In Deutschland fehlt dafür noch die Infrastruktur, aber auch die Systematik. Genau hier setzen wir an.

e.b: Was machen Sie konkret anders als klassische ERP-Systeme?
Thomas Schmidt: ERP-Systeme können statische Tarife gut abbilden. Aber sie sind nicht dafür gemacht, Verbrauchs- und Marktpreis-Zeitreihen zu verarbeiten – also das, was für dynamische Tarife essenziell ist. Genau das ist unser Kern: Wir führen die Kalkulation und Bewertung vollintegriert und zeitreihenbasiert durch. Ohne Medienbrüche. Ohne Excel.

Revisionssicheres, automatisiertes System: von der Angebotskalkulation bis zur Abrechnung

e.b: Excel klingt banal – ist aber in vielen Unternehmen gängige Praxis.
Thomas Schmidt: Und genau darin liegt das Problem. Sobald Daten manuell verarbeitet werden, steigt das Risiko. Schon ein verrutschter Wert in einer Zeitreihe kann zu falschen Angeboten führen – und der Fehler ist im Nachhinein kaum nachvollziehbar. Unser System ist revisionssicher und automatisiert alle Schritte: von der Angebotskalkulation bis zur Abrechnung.

e.b: Wie funktioniert das in der Praxis?
Thomas Schmidt: Der Vertrieb kalkuliert ein Angebot, der Kunde sagt zu – und mit einem Klick landet die kontrahierte Menge im Portfoliobuch. Der Handel kann sofort eindecken. Der gesamte Prozess läuft in Echtzeit. Und wenn unser System an die bestehende IT-Infrastruktur angebunden ist, übernehmen wir sogar die komplette Kalkulation und geben das Ergebnis direkt ans Billing-System zurück.

Dynamische Netzentgelte korrekt verarbeitet

e.b: Damit ließe sich auch das Thema § 14a EnWG und dynamische Netzentgelte lösen?
Thomas Schmidt: Genau. Das ist aktuell ein großer Bottleneck. Viele Systeme sind gar nicht in der Lage, dynamische Netzentgelte korrekt zu verarbeiten. Wir haben unsere Lösung direkt an Anbieter wie ene’t oder GET AG angebunden – so lassen sich auch zeitvariable Entgelte automatisiert kalkulieren.

e.b: Sie sprechen häufig vom „Portfolio“ – was meinen Sie damit genau?
Thomas Schmidt: Wir denken Energieprozesse wie ein Portfolio – auf Vertrags-, Kunden- und Gesamtmarktebene. Unser System vergleicht in Echtzeit die Prognose mit dem tatsächlichen Verbrauch, bewertet die Abweichung mit aktuellen Marktpreisen und zeigt sofort die wirtschaftlichen Auswirkungen. Wenn zum Beispiel eine Abnahmestelle verkauft oder ein Vertrag vorzeitig angepasst wird, erkennen wir das sofort – inklusive aller Effekte auf Deckungsbeitrag und Handelskosten.

e.b: Können auch dynamische Vertragsmodelle abgebildet werden?
Thomas Schmidt: Absolut. In Dänemark ist es Standard, dass Kunden Verträge abschließen, bei denen z. B. 50 Prozent der Energiemenge zum Festpreis und der Rest am Spotmarkt abgerechnet werden. Bei uns lässt sich das alles in einem einzigen Vertrag strukturieren. Diese Flexibilität fehlt derzeit im deutschen Markt.

Zielgruppe von Midas Energy

e.b: Wer profitiert besonders von Ihrer Lösung?
Thomas Schmidt: Wir richten uns an mittelgroße und große Energieversorger mit eigenem B2B- oder Individualkundenvertrieb. Dort ist das Risiko bei fehlerhaften Angeboten oder schlecht abgesicherten Verträgen besonders hoch – gerade in volatilen Märkten. Unsere Lösung sorgt für mehr Effizienz, Transparenz und Sicherheit. Kurz gesagt: Wir helfen, fundierte Entscheidungen auf Basis sauberer Daten zu treffen.

e.b: Haben Sie ein Beispiel aus der Praxis?
Thomas Schmidt: Ein Fall: Der Vertrieb macht ein Angebot, aber der Handel weiß nichts davon – oder zu spät. Dann ist der Marktpreis schon wieder anders, und das Portfolio läuft aus dem Geld. Genau solche Risiken schließen wir mit Midas aus. Auch bei Vertragsverlängerungen oder Nachkalkulationen zeigen wir auf, welche Effekte entstehen – in Echtzeit.

e.b: Was ist Ihr Ziel?
Thomas Schmidt: Wir wollen nicht nur Prozesse digitalisieren. Wir wollen, dass unsere Kunden jederzeit wissen, was sie tun – und welche Folgen das hat. Das geht nur mit durchgängiger Transparenz, Automatisierung und datenbasierter Steuerung.

 

MIDAS ENERGY A/S

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