Aufstrebende Sicherheitsdisziplin: Machine Identity Management
Von Waldemar Reimche, Patrick Piotrowski und Dr. Anke Schäfer
Wie kann sichergestellt werden, dass unsere Maschinen und Geräte in einer zunehmend vernetzten Produktionsumgebung ausreichend geschützt sind, um potenzielle Cyber-Bedrohungen zu minimieren? Diese Frage beantwortet das Machine Identity Management, eine aufstrebende Sicherheitsdisziplin, die sich auf die Verwaltung von Identitäten für Maschinen, Geräte und Anwendungen konzentriert.
Sichere digitale Maschinenidentitäten sind der Schlüssel zum Internet der Dinge. In den vernetzten Produktionsumgebungen der Industrie 4.0 gibt es heute kaum eine digitale Innovation, die ohne ihr Zusammenspiel denkbar wäre. Doch ihr Jahr für Jahr exponentiell ansteigendes Volumen birgt auch erhebliche Herausforderungen in Bezug auf Transparenz, Verwaltung und Schadensbegrenzung, so der „2023 State of Machine Identity Management Report“ von Keyfactor und dem Ponemon Institute. Mehr als 60 % der Befragten wissen nicht genau, wieviel Schlüssel und Zertifikate in ihrem Unternehmen im Einsatz sind. Aufgrund unklarer Zuständigkeiten verfügt weniger als die Hälfte der teilnehmenden Unternehmen (47 %) über eine bereichsübergreifende Strategie zur zentralisierten Zertifikatsverwaltung, was nicht zuletzt auch ein Einfallstor für Cyber-Angriffe ist. Entrust beziffert den dadurch jährlich entstehenden wirtschaftlichen Verlust auf 51-72 Mrd. US-Dollar weltweit. „Die zunehmende Geschwindigkeit und Akzeptanz von KI und nativen Cloud-Technologien bedeutet, dass die Sicherung und Verwaltung dieser Identitäten wichtiger und schwieriger denn je ist“, so Sandeep Singh Kohli, Chief Marketing Officer bei Venafi, dem weltweiten Vorreiter des Machine Identity Managements.
Doch was genau macht das gewaltige Potenzial dieser Schlüsseldisziplin aus?
Sicherung von Maschinenidentitäten
Während das herkömmliche Identitätsmanagement auf die Verwaltung und den Schutz von Benutzeridentitäten abzielt, konzentriert sich das Machine Identity Management auf die Sicherheit und Authentifizierung von nicht-menschlichen Entitäten.
Beim traditionellen Identity Management steht der Mensch im Mittelpunkt; die Systeme sind darauf ausgerichtet, die Identität von Benutzern zu verifizieren, Zugriffsrechte zu verwalten und sensible Daten vor unberechtigtem Zugriff zu schützen. Im Gegensatz dazu befasst sich das Machine Identity Management mit der eindeutigen Identifizierung und Authentifizierung von Maschinen, Servern, IoT-Geräten und Software-Anwendungen, die in vernetzten Umgebungen interagieren.
Der Hintergrund: Maschinen arbeiten häufig autonom und kommunizieren ohne menschliches Zutun miteinander. Die Sicherheit dieser Interaktionen erfordert daher besondere Maßnahmen, um die Integrität, Vertraulichkeit und Authentizität der beteiligten Maschinen zu gewährleisten.
Machine Identity Management spielt eine Schlüsselrolle bei der Sicherung vernetzter Systeme und beim Schutz vor Bedrohungen, die die Interaktion zwischen Maschinen beeinträchtigen können.
Herausforderungen in der Praxis
In der Praxis birgt die Sicherung von Maschinenidentitäten aber auch eine Reihe von Herausforderungen. Eine zentrale Schwierigkeit ist die Verwaltung von Legacy-Maschinen. Häufig handelt es sich hierbei um veraltete Maschinen oder Systeme, die möglicherweise nicht über die neuesten Sicherheitsfunktionen verfügen oder nicht einfach aktualisiert werden können. Die Integration älterer Systeme in moderne Sicherheitsarchitekturen kann komplex sein und erfordert häufig individuelle Anpassungen.
Auch die Vielfalt der Maschinen in industriellen Umgebungen kann Unternehmen vor neue Herausforderungen stellen. Nicht selten haben verschiedene Maschinentypen unterschiedliche Sicherheitsanforderungen.
Die kontinuierliche Überwachung und Aktualisierung der Maschinenidentitäten in Echtzeit ist daher entscheidend, um auf neue Sicherheitsbedrohungen reagieren zu können.
Insgesamt erfordert die praktische Umsetzung einer umfassenden Machine-Identity-Management-Strategie ein tiefes Verständnis der bestehenden Infrastruktur, um effektive Sicherheitsmaßnahmen zu implementieren und gleichzeitig die betriebliche Kontinuität zu gewährleisten.
Kryptoprozessoren: Hardware Security Modules als schützende Bausteine in der Sicherheitsinfrastruktur
Für die Sicherung von Maschinenidentitäten gibt es sowohl Software-Lösungen als auch physische Lösungen, insbesondere die Verwendung von Hardware Security Modules (HSM). Sie bieten eine Reihe von Funktionen zur Gewährleistung der Sicherheit von Machine Identities. Durch ihren Einsatz können Machine Identities mit starken kryptographischen Schlüsseln geschützt werden, um eine sichere Kommunikation und Authentifizierung zu gewährleisten.
Darüber hinaus spielt das digitale Zertifikatsmanagement eine entscheidende Rolle. HSMs ermöglichen die sichere Speicherung und Verarbeitung von digitalen Zertifikaten, die für die sichere Identifizierung von Maschinen unerlässlich sind. Dadurch wird das Risiko einer Schlüsselkompromittierung minimiert.
Spezialisierte Softwarelösungen für ein effizientes Identitätenmanagement
Neben HSMs sind auch Softwarelösungen entscheidend für eine umfassende Absicherung von Maschinenidentitäten. Spezialisierte Softwarelösungen für das Machine Identity Management bieten eine zentrale Überwachung, Aktualisierung und Verifizierung von Maschinenidentitäten in Echtzeit. Diese Plattformen sind die Basis eines effizienten Identitätenmanagements und stellen sicher, dass Maschinenidentitäten den aktuellen Sicherheitsstandards entsprechen.
Eine weitere wichtige Funktion von Softwarelösungen ist die automatisierte Zertifikatsrotation. Die Implementierung automatisierter Prozesse zur Zertifikatsrotation minimiert Sicherheitsrisiken durch abgelaufene Zertifikate und stellt sicher, dass Maschinenidentitäten stets mit aktuellen und gültigen Zertifikaten arbeiten.
Ein aktuelles Beispiel bietet hier die von Google angestrebte maximal akzeptierte Laufzeit von TLS-Zertifikaten von 90 Tagen. Als Motivation nennt Google die Abkehr von „barocken, zeitaufwändigen und fehleranfälligen Ausstellungsprozeduren“ hin zu einer Automatisierung der Zertifikatsrotation.
Für Unternehmen kann diese Verkürzung der Zertifikatslaufzeiten jedoch mit erheblichen Mehrkosten verbunden sein. Bei Beibehaltung der oft noch etablierten manuellen Prozesse stoßen die damit betrauten Mitarbeiter schnell an ihre Grenzen und sind nicht mehr in der Lage, auch andere Systeme innerhalb der Infrastruktur zu betreuen. Um diesem Problem gerade in Zeiten des Fachkräftemangels zu begegnen, werden Automatisierungssysteme auch über ihren Sicherheitsaspekt hinaus unverzichtbar und sparen durch den reduzierten Personalbedarf bares Geld.
Zusätzlich spielen Protokollierung und Überwachung eine entscheidende Rolle in der Sicherheitsstrategie. Um potenzielle Bedrohungen frühzeitig zu erkennen, sollten umfassende Protokollierungs- und Überwachungsfunktionen implementiert werden. Software-Lösungen können Anomalien erkennen und Sicherheitsverantwortlichen Benachrichtigungen über potenzielle Sicherheitsvorfälle senden.
Diese Maßnahmen helfen nicht nur, die bestehenden Sicherheitslücken zu schließen, sondern sorgen auch für eine zukunftsfähige Sicherheitsarchitektur in industriellen Umgebungen.
Die Integration von HSMs und Softwarelösungen in die Sicherheitsinfrastruktur von Legacy Machines stellt somit einen großen Bestandteil einer ganzheitlichen Strategie dar, um die Sicherheit von Machine Identities zu gewährleisten.
Erfahren Sie mehr zu diesem Thema am 17. April 2024 auf der OEDIV IT Security Tagung 2024 in Bielefeld: sarah.verch@secusys.de
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