„Wir gehen davon aus, dass die flächendeckende Steuerung von Anlagen durch den Netzbetreiber erst ab 2027 möglich sein wird“
Geertje Stolzenburg, Fachgebietsleiterin Energiewirtschaftsrecht beim Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW), rechnet nicht vor 2027 mit einer flächendeckenden Steuerung über das Smart Meter Gateway. Im Interview mit energie.blog erläutert sie, warum Übergangsregelungen im Messstellenbetriebsgesetz notwendig sind und was rechtlich noch nicht rund läuft. Nun kommt mit dem neuen Referentenentwurf erneut Bewegung in die Gesetzgebung. Über konkrete Anpassungen am Messstellenbetriebsgesetz will Stolzenburg beim smartOPTIMO-Forum Netz und Vertrieb im September mit Branchenteilnehmern sprechen.
Technische Umsetzung der Gateway-Steuerung
e.b: Frau Stolzenburg, mit der kürzlich in Kraft getretenen Novelle des Energiewirtschaftsgesetzes wurde der Steuerungsrollout gesetzlich verankert. Allerdings ist die Steuerung über das Smart-Meter-Gateway derzeit technisch noch nicht vollständig möglich. Welche konkreten Übergangsregelungen empfiehlt der BDEW für Anlagenbetreiber und Netzbetreiber, bis die vollständige Steuerungsfähigkeit über das Gateway technisch realisierbar ist? Und wie lange wird diese Übergangszeit nach Ihrer Einschätzung dauern?
Geertje Stolzenburg: Wir gehen davon aus, dass die flächendeckende Steuerung von Anlagen durch den Netzbetreiber erst ab 2027 möglich sein wird. Derzeit testen die Messstellenbetreiber bereits die Steuerung im Feld mit den Steuerungseinrichtungen, die verfügbar sind. Die Erfahrung zeigt, dass der Start mit einer neuen Technik meist holprig ist. Außerdem müssen auch die Netzbetreiber ihre Systeme ertüchtigen, damit die netzorientierte Steuerung tatsächlich funktioniert.
„Es ist nicht sinnvoll, wenn die Messstellenbetreiber gezwungen sind Steuereinrichtungen einzubauen, die absehbar noch nicht sofort von den Netzbetreibern genutzt werden können.“
e.b: Wie könnte die netzorientierte Steuerung in der Praxis gelingen?
Geertje Stolzenburg: Wir setzen uns dafür ein, die bereits im EEG enthaltene Übergangsregelung für die Nutzung konventioneller Steuerungstechnik auch im Messstellenbetriebsgesetz zu verankern und beide Regelungen zu harmonisieren. Es ist nicht sinnvoll, wenn die Messstellenbetreiber gezwungen sind Steuereinrichtungen einzubauen, die absehbar noch nicht sofort von den Netzbetreibern genutzt werden können. Speziell für direkt vermarktete EE-Bestandsanlagen sind ebenfalls Anpassungen erforderlich, damit der Rollout bei diesen Anlagen nicht stoppt, nur weil noch nicht über das Smart-Meter-Gateway gesteuert werden kann.
Rechtliche und wirtschaftliche Herausforderungen:
e.b: Die neue Gesetzgebung sieht vor, dass der Einbau und Betrieb von Steuerungseinrichtungen nun zu den Standardleistungen des Messstellenbetreibers gehören. Welche rechtlichen und wirtschaftlichen Herausforderungen sehen Sie für Messstellenbetreiber, die bis zum 1. Januar 2026 ’steuerungsfähig‘ sein müssen, obwohl die technischen Voraussetzungen für eine flächendeckende Gateway-Steuerung durch den Netzbetreiber noch nicht gegeben sind? Welche Maßnahmen sollten Messstellenbetreiber jetzt ergreifen, um trotz dieser Übergangszeit rechtssicher zu handeln?
Geertje Stolzenburg: Eine große Herausforderung wird für die Messstellenbetreiber sein, die Rolloutquoten für den Einbau der intelligenten Messsysteme, die Behebung von Fehlern und den flächendeckenden Rollout von Steuerungseinrichtungen gleichzeitig voranzutreiben. Hier sind eine gute Rolloutplanung, die enge Abstimmung mit dem Netzbetreiber und eine stringente Dokumentation der Herausforderungen und Maßnahmen notwendig. Sollten trotz konsequenter Vorbereitung und Planung die gesteckten Ziele nicht zu erreichen sein, wird es auf die Begründung ankommen. Wie schon in der Coronazeit, wird auch in diesen Fällen beim Einsatz einer neuen Technik und der teils nicht ganz klaren Rechtslage durch die zuständige Regulierungsbehörde berücksichtigt werden, ob und welche Anstrengungen der Messstellenbetreiber unternommen hat, um seine Pflichten zu erfüllen.
Warum verweist das EEG nur auf den Pflichtrollout. Und auf nicht den optionalen Rollout/ Rollout auf Kundenwunsch/ durch einen wMSB? Hier sind noch einige Einzelfragen zu klären und im Gesetz anzupassen.“
e.b: Gibt es noch weitere Klippen bei der Rechtslage zu umschiffen?
Geertje Stolzenburg: Zu den rechtlichen Herausforderungen kann auch gezählt werden, dass die rechtliche Verzahnung zwischen den Anforderungen zur netzdienlichen Steuerung und dem MsbG-Rollout noch einige Fragen aufwirft. Zum Beispiel: Sind auch Anlagen unter 7 kW auszustatten, wenn hinter demselben Netzanschlusspunkt auch eine § 14a EnWG-Verbrauchseinrichtung betrieben wird? Warum verweist das EEG nur auf den Pflichtrollout, nicht den optionalen Rollout/ Rollout auf Kundenwunsch/ durch einen wettbewerblichen Messstellenbetreiber? Hier sind noch einige Einzelfragen zu klären und im Gesetz anzupassen.
Aktueller Stand
e.b: Wird an der Anpassung der gesetzlichen Rahmenbedingungen gearbeitet?
Geertje Stolzenburg: Nun, es ist hier weiterhin Bewegung auch in der neuen Regierung. So wird gerade ein neuer Referentenentwurf besprochen. Ich gehe davon aus, dass ich am 10. September mit den Teilnehmern des smartOPTIMO-Forum Netz & Vertrieb über konkrete Anpassungen des Messstellenbetriebsgesetzes und des EEG sprechen kann.
Link zur Veranstaltung: https://forum.smartoptimo.de/