Innovative Lösungen für Energiewende gesucht
Autor: Paul King, Director of Solution Engineering, Bentley Systems *
Die Energieversorgungsunternehmen in Deutschland stehen vor zahlreichen Herausforderungen. Obwohl die Energiepreise in letzter Zeit gesunken sind, hat Deutschland nach wie vor mit den wirtschaftlichen Auswirkungen der vormals hohen Preise zu kämpfen. Diese wurden durch Energieknappheit verursacht und betrafen verschiedene Sektoren, von großen Industrieanlagen bis hin zu Kleinunternehmen. Die Energiepolitik des Landes wird durch den Widerstand gegen die Kernenergie, einen langsamen Übergang zu grüner Energie und bürokratische Ineffizienzen behindert. All diese Faktoren tragen zur aktuellen Energiekrise bei.
Um das Ziel der Bundesregierung zu erreichen, die Kohlendioxidemissionen bis 2045 auf Netto-Null zu senken, und gleichzeitig die Emissionen bis 2030 um 65 % und bis 2040 um 88 % im Vergleich zu 1990 zu verringern, muss der Energiesektor in Deutschland innovative Lösungen finden. Diese müssen während des Umstiegs auf sauberere Technologien Zuverlässigkeit gewährleisten.
Dabei sind digitale Zwillinge eine Schlüsseltechnologie, der mittlerweile hohe Bedeutung zukommt. Die deutsche Energiewirtschaft hat die Notwendigkeit eines deutlichen Wandels hin zur Integration neuer dezentraler Systeme und zum Ausbau der Strom- und Kommunikationsnetzkapazitäten erkannt. Angesichts des anhaltenden Fachkräftemangels hängt der effiziente Umgang mit diesen Herausforderungen stark von der digitalen Transformation und Automatisierung ab. Wobei digitale Zwillinge im Stromnetz- und Elektrizitätssektor eine entscheidende Rolle spielen.
Fortschrittliche Plattformen zur Darstellung und Analyse ermöglichen die Überwachung, Modellierung und Optimierung von Energienetzen in Echtzeit und sorgen somit für ein effektiveres Ressourcenmanagement. Wenn Versorgungsunternehmen es verstehen, diese Technologie zu nutzen, tragen sie zur Entwicklung nachhaltigerer Strom- und Kommunikationsnetze bei. Zu den Vorteilen gehören Folgende:
Zuverlässigkeit und Resilienz
Stellen Sie sich vor, Sie verwalten ein riesiges Versorgungsnetz und sind bestrebt, dieses Netz stets reibungslos und effizient zu betreiben. Ein digitaler Zwilling ist die Technologie der Wahl, um die Zuverlässigkeit und Widerstandsfähigkeit des Netzes zu gewährleisten. Sie können ihn als eine dynamische, interaktive Karte Ihres gesamten Strom- und Kommunikationsnetzes betrachten, die Ihnen in Echtzeit eine visuelle Momentaufnahme der Funktionstüchtigkeit aller Komponenten liefert. Sie können Leistungsmetriken anzeigen, Netzwerkanomalien erkennen, Feedback aus Analysen erhalten und Änderungen nachverfolgen, sobald sie auftreten.
Durch die Verknüpfung dieser Daten mit anderen wichtigen Systemen wie GIS, Simulationstechnologie und Anlagenmanagement wird der digitale Zwilling zu Ihrer zentralen Informationsquelle. Und Sie erhalten nicht nur ein statisches Bild. Diese Technologie verknüpft das physische Netzmodell aktiv mit betrieblichen und technischen Daten sowie Simulationsfunktionen. Diese Verbindung bietet Ihnen tiefgehende, praktisch umsetzbare Erkenntnisse zum Status Ihres Strom- und Kommunikationsnetzes. Sie können umgehend auf neue Anforderungen reagieren, die Betriebsdauer kritischer Anlagen verlängern sowie Risiken, Verluste und Systemausfälle reduzieren.
Im Wesentlichen ermöglicht Ihnen ein digitaler Zwilling, das Strom- und Kommunikationsnetz optimal am Laufen zu halten, Ihre Infrastrukturinvestitionen zu schützen und den Kunden stets zuverlässige Dienste zu bieten.
Entwurf- und Projekteffizienz
Der Mehrwert eines digitalen Zwillings beginnt lange vor dem Betrieb, denn er spielt bereits bei der Gestaltung von Versorgungsunternehmen eine entscheidende Rolle.
Damit sich Strom- und Kommunikationsnetze weiterentwickeln können, wird der im Betrieb verwendete digitale Echtzeit-Zwilling umfunktioniert. Dadurch initiiert er den Entwurfsprozess und gewährleistet eine genaue Darstellung der bestehenden Bedingungen. Bei Projekten mit neuen Anlagen beginnt der digitale Zwilling als einfaches Verteilungsdiagramm in Kombination mit physischen Modellen wie Karten und GIS-Informationen. Konstrukteure können elektrische Konstruktionen und Schutzsteuerungen einbeziehen und dabei mithilfe integrierter Technikanalysesoftware den Betrieb optimieren und potenzielle Ausfälle bewerten.
Im Laufe des Entwurfsprozesses erstellt die dynamische 4D-Modellierung eine umfangreiche Aufzeichnung aller Änderungen und speichert physische und technische Änderungen im digitalen Zwilling. Sie versorgt das Unternehmen mit wichtigen historischen Daten und erleichtert Geschäftsprozesse, wie Entwurfsprüfungen.
Integration erneuerbarer Energien
Bei digitalen Zwillingen geht es nicht nur um Technologie; sondern auch um die Zukunft der Nachhaltigkeit. Sie ermöglichen Entwürfe mit Weitsicht und Verantwortung, von denen auch kommende Generationen profitieren.
Regionale Hochrechnungen zeigen, dass die deutschen Betreibergesellschaften von Stromverteilungsnetzen vor massiven Herausforderungen stehen, da der Anteil erneuerbarer Energien von derzeit 50 Prozent bis 2030 auf 80 Prozent angehoben werden soll. Deshalb benötigt Deutschland eine umfassende Strategie für die Integration von mehr erneuerbaren Energien in die bestehenden Stromsysteme. Dabei können digitale Zwillinge ein Impulsgeber sein.
Durch die Bereitstellung einer Echtzeitabbildung des Betriebs von Solarmodulen und Windkraftanlagen ermöglichen sie es der Versorgungswirtschaft, Strategien für Energieerzeugung und -verteilung gezielter auszurichten. Die Betreiber können diese Energiequellen kontinuierlich überwachen und deren Betrieb anpassen, um die Effizienz zu maximieren und schnell auf Leistungsschwankungen zu reagieren.
Eine nachhaltige Zukunft für Strom
Digitale Zwillinge revolutionieren die Verwaltung von Stromnetzen und bieten der Versorgungswirtschaft ein transformatives Instrument für präzises und zukunftsorientiertes Ökosystemmanagement. Durch die nahtlose Integration erneuerbarer Energiequellen und die Minimierung von Kohlendioxidemissionen können Stromversorgungsunternehmen die Umweltauswirkungen ihres Betriebs sichtbar machen und bewerten. Diese Fähigkeit bildet die Basis für Entscheidungen, die eine nachhaltige Entwicklung an erste Stelle setzen und dazu beitragen, Umweltziele zu erreichen.
Im Wesentlichen ermöglichen digitale Zwillinge den Versorgungsunternehmen, sich im komplexen Energiesektor effektiv zurechtzufinden. Durch die Förderung operativer Exzellenz und das Streben nach einer nachhaltigen Energiezukunft ebnen sie den Weg für mehr Effizienz, geringere Umweltbelastung und strategische Entscheidungsfindung beim Betriebsmittelmanagement. Gleichzeitig wird eine sichere, zuverlässige und erschwingliche Energieversorgung gewährleistet.
* Der Autor …
… Paul King ist ein leidenschaftlicher Verfechter von Innovation im Bauwesen und international bewährten Verfahren beim Einsatz technologischer Lösungen in der gebauten Umwelt. Als Chartered Engineer mit umfassender Erfahrung in der Planung, dem Bau und dem Betrieb von Infrastrukturen unterstützt er Organisationen und Projekte dabei, sich Wettbewerbsvorteile zu verschaffen, Geschäftsprozesse zu verbessern und Risiken zu managen. Paul leitet ein globales Team bei Bentley, das Bauakteure in Fragen der Digitalisierung, der kollaborativen Zusammenarbeit und bei Best Practices im Technologiebereich berät. Er ist regelmäßig als Redner auf Veranstaltungen der Infrastrukturbranche vertreten und hat bedeutende Projekte wie Crossrail, Masdar City und die Olympischen Spiele 2012 in London unterstützt. Paul lebt in Sydney, Australien.
Bild: © Bentley Systems