Zweitbohrungen bis in 350 Meter Tiefe – Chancen für die Geothermie
Ein kompaktes Bohrwerkzeug öffnet auch in Hunderten Metern Tiefe kostengünstig lange Bohrlöcher in hartem Gestein. Damit lassen sich geologische Ressourcen wie Geothermie effizienter erschließen. Das »Micro Turbine Drilling (MTD)« genannte Verfahren hat Fraunhofer IEG nun erfolgreich im Untergrundlabor getestet.
Im Arsenal der Bohringenieure schließt Fraunhofer IEG mit einem neuen Werkzeug eine relevante Lücke. „Unser neues Bohrverfahren macht es erstmals möglich, kostengünstig meterlange, dünne Zweitbohrungen von einer tiefen, verrohrten Hauptbohrung heraus in das umliegende Hartgestein herzustellen und so deren Umfeld zu erschließen“, erläutert Niklas Geißler, der am Fraunhofer IEG in Bochum und am Fraunhofer-Chalmers Centre im schwedischen Göteborg forscht. Mögliche Einsatzgebiete sind die Geothermie, aber auch die klassische Erkundung in Bergwerkstollen oder das Setzen von tiefen Ankern an schwer zugänglichen Stellen im Tunnelbau.
Klüfte bis zu 50 Meter um die Hauptbohrung erschließen
Bohrungen, die in Deutschland Erdwärme in mehreren Kilometern Tiefe erschließen wollen, zielen auf Lagerstätten von Thermalwasser, das in natürlichen Klüften und Rissen relativ frei zirkulieren kann. Wenn es an Klüften fehlt, ist die Menge des förderbaren Thermalwassers begrenzt. Das neue Verfahren soll Klüfte bis zu 50 Meter um die Hauptbohrung herum umweltfreundlich und risikofrei erschließen und so auf effiziente art und Weise das Einzugsgebiet für das Thermalwasser und damit die Leistungsfähigkeit von geothermischen Anlagen vergrößern. Damit vervielfachen sich möglicherweise die erschließbaren geologischen Strukturen, und mehr Standorten könnten von nachhaltiger Erdwärme profitieren, weil die Chance steigt, die benötigten Mengen an heißem Thermalwasser in der Tiefe einzusammeln.
Kompakte Baugröße derlaubt Ablenkwinkel zur Hauptbohrung bis zu 60 °C
Das kompakte Bohrwerkzeug misst gerade einmal 3,6 cm im Durchmesser und 10 cm in der Länge. Über einen langen, flexiblen Schlauch wird es mit bis zu 200 Liter Wasser pro Minute versorgt. Das Wasser treibt einerseits mit einem Arbeitsdruck von rund 100 bar eine Turbine im Innern an, welche ihre Rotation direkt an den speziellen Bohrmeißel weiter gibt, der sich dann durch das Gestein fräst. Die Mikro-Bohrturbine wandelt also hydraulische Energie in mechanische Energie um und treibt so den Bohrmeißel an, der das Gestein abträgt. Andererseits schießt das Wasser durch die rückwärtigen Düsen und drückt das Werkzeug im harten Gestein nach vorne und spült das Bohrmehl heraus. Um das Bohrwerkzeug anzusetzen, braucht es am Einsatzort nur eine Ablenkvorrichtung genannte Führungshilfe von kaum einem Meter Länge – auf lange und schwere Bohrgestänge kann verzichtet werden. Die kompakte Baugröße des Werkzeuges erlaubt große Ablenkwinkel zur Hauptbohrung von bis zu 60 °C.
Durch harte Gesteine wie Granit bahnt sich das zum Patent angemeldete „Micro Turbine Drilling“ (MTD) genannten Verfahren Pfade und sogar bei Bedarf durch die bestehende Metallverrohrung von Bohrlöchern. Im Untergrundlabor BUL im schweizerischen Bedretto hat MTD bei Feldversuchen bereits erfolgreich bewiesen, dass es aus einem Bohrloch mit 20 cm Durchmesser auf mehreren Tiefen bis hinunter auf 350 Meter Tiefe sternförmig in das umgebende Granitgestein bohren kann.